STUTTGART. Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will den Unterrichtsausfall an den Südwest-Schulen schonungslos aufdecken. Bei der Erhebung ausgefallener Stunden werde künftig auch die Unterrichtsvertretung in den Blick genommen.
„Wir wollen hier in einem zweiten Schritt im Winter auch analysieren, ob im Sinne von Fachlichkeit vertreten wird – zum Beispiel Mathe durch einen anderen Mathelehrer – oder ob es eine Betreuung ist, die nichts mit Unterricht zu tun hat“, sagte Eisenman der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.
Das Kultusministerium hatte im Juni dieses Jahres zum ersten Mal an allen öffentlichen 4.500 Schulen des Landes den Unterrichtsausfall abfragen lassen. Wie die Erhebung ergab, findet jede zehnte Unterrichtsstunde an den öffentlichen Schulen im Land nicht wie geplant statt. In rund zwei Dritteln der Fälle überbrücken Vertretungslehrer den Unterricht, der Rest der Stunden fällt aus. Am häufigsten kommt es an den allgemein bildenden Gymnasien (12,7 Prozent) zu Unterrichtsausfällen oder -vertretungen. Dahinter folgen die Gemeinschaftsschulen (12,4), die Grundschulen kamen auf 7,3 Prozent.
Zuvor war der Unterrichtsausfall immer nur stichprobenartig an 15 Prozent der Schulen erfasst worden. Eisenmann betonte: „Wir machen uns da ehrlich. Darum hat man sich viele Jahre gedrückt.“ Die Ministerin wunderte sich über das Fehlen einer Statistik zu dem Thema. „Es gibt eine Arbeitslosenstatistik, eine Verkehrssünderstatistik, aber ausgerechnet in der Bildung arbeiten wir immer nur mit Grobstatistiken.“ Eine seriöse Datenaufnahme sei wichtig für die Analyse des Status quo. „Wir müssen wissen, wo wir stehen, um die Situation zu verbessern.“
Unterrichtsausfall vorprogrammiert
Dass auch im kommenden Schuljahr vermehrt Unterrichtsstunden werden ausfallen müssen, ist so gut wie sicher, denn der Lehrermangel in Baden-Württemberg ist noch immer ein Problem. Nach Angaben des Kultusministeriums sei erst im September klar, wie viele Stellen noch offen sind. Ministerin Eisenmann stellt aber schon jetzt fest: „Auch im aktuellen Jahr ist die Lage auf dem Bewerbermarkt angespannt.“
Besonders darunter leiden werden nach Ansicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Grundschulen. „Die Lehrerknappheit bleibt auf dem gleichen hohen Niveau wie im Vorjahr”, sagte GEW-Landeschefin Doro Moritz laut dem SWR. Voraussichtlich bleiben demnach 500 Stellen an Grundschulen unbesetzt. Der Grundschulverband ist in größter Sorge, dass die Lücke nicht zu schließen ist. „Die Kollegen arbeiten bereits jetzt an der Obergrenze ihrer Leistungsfähigkeit“, mahnte Landeschef Edgar Bohn.
Kreative Lösungen
Nach Angaben des Landeselternbeirats wurde an Grundschulen schon mal die eine oder andere Mutter eingesetzt, und zwar nicht zur Nachmittagsbetreuung, sondern am Unterrichtsvormittag. Denn die Schulen dürfen die Schüler auch bei Krankheitsfällen im Kollegium nicht früher nach Hause schicken als im Stundenplan vorgesehen. Einige Grundschulen hätten den Notstand auch dadurch kaschiert, dass im Notfall zwei Klassen unter Aufsicht eines Lehrers unterrichtet beziehungsweise eher betreut wurden, so Landeschef Carsten Rees.
Für Susanne Eisenmann ist die Erhebung des Unterrichtsausfalls ein wichtiges Instrument. „Wir müssen wissen, wo wir stehen, um die Situation zu verbessern“, so die Ministerin. Die Unterrichtsversorgung habe für sie „absolute Priorität“. Um diese abzusichern bedient sie sich derzeit vieler Stellschrauben. Eine davon ist die Anwerbung von Gymnasiallehrern für den Unterricht an Grundschulen. Im vergangenen Schuljahr klappte das kaum. Doch für das kommende Schuljahr wurde der Einsteigschmackhafter gemacht: Wenn sich die jungen Leute für das Grundschullehramt qualifizieren und für mindestens drei Jahre an einer Grundschule verpflichten, werden sie im Gegenzug verbeamtet und erhalten eine Zusage für eine Stelle im gymnasialen Lehramt.
Diese Aussichten ließen die Zahl nach oben schnellen: Mehr als 170 Gymnasiallehrkräfte gehen im kommenden Schuljahr an die Grundschule. Das sind mehr als fünf Mal so viele wie im Jahr zuvor. Das Ministerium rechnet nach eigenen Angaben bis Ende September mit einer noch höheren Zahl. Allerdings ist dabei noch viel Luft nach oben: Laut Ministerium konkurrieren mehrere Tausend Bewerber um knapp 900 Stellen an den Gymnasien. Agentur für Bildungsjournalismus mit Material der dpa