Rassismusdebatte: KMK-Präsident Holter fordert von Lehrern mehr Sensibilität für Migrantenkinder

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BERLIN. Die Debatte um Alltagsrassismus auch in der Schule hat die Politik erreicht. Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Helmut Holter, fordert ein größeres Fingerspitzengefühl von Lehrern gegenüber Schülern mit Migrationshintergrund.  Der Deutsche Lehrerverband (DL) sieht in Deutschlands Schulen keine Anzeichen für eine systematische Diskriminierung von Migrantenkindern. Einzelfälle dagegen seien nicht auszuschließen. „Es gibt leider auch Vollidioten unter Lehrkräften“, sagte DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. 

Immer mehr Schüler in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Foto: DFID / flickr (CC BY 2.0)
Wie verbreitet ist Alltagsrassismus in deutschen Schulen? Foto: DFID / flickr (CC BY 2.0)

Hintergrund der Diskussion sind Schilderungen Tausender Menschen über Alltagsrassismus im Internet unter dem Hashtag «MeTwo». Auslöser war der Rücktritt von Fußballstar Mesut Özil aus der deutschen Nationalmannschaft. Etliche der Diskriminierungenerfahrungen, die unter «MeTwo» geschildert werden, sind in der Schule angesiedelt – News4teachers hat Dutzende davon dokumentiert. Häufig werden darin auch Lehrkräfte kritisiert. Die Palette reicht von Unsensibilitäten bis hin zu offen rassistischen Beleidigungen. Ein Punkt, der immer wieder auftaucht: die Empfehlung für die weiterführende Schule, die in der 4. Klasse gegeben wird. Geschildert werden augenscheinlich krasse Fälle, in denen das Potenzial von Migrantenkindern fehleingeschätzt wurde.

«In der Schule geht es vor allem um höchste Sensibilität in der Sprache. Man muss das Bewusstsein von Lehrkräften für ihre Wortwahl schärfen, damit nicht der Eindruck entsteht, sie sei rassistisch motiviert», sagte der KMK-Präsident Holter den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Spezielle Antirassismus-Trainings für Lehrer lehnt der Thüringer Bildungsminister allerdings ab. Die bisherigen Standards der Länder für die Lehrerbildung gingen bereits «deutlich weiter als Einzelmaßnahmen wie ein Antirassismus-Training», sagte er.

Der Migrationsforscher Mark Terkessidis beklagte, dass Kinder mit Migrationshintergrund oft zu Unrecht auf die Hauptschule geschickt würden. Verantwortlich sei oft ein fehlendes Bewusstsein der einstufenden Lehrer, sagte er der «Welt». Verbreitet sei bei ihnen die Einstellung, dass es für den Besuch eines Gymnasiums einer intakten akademisch gebildeten Familie bedürfe. «Das sehen sie in Familien von Migrantenkindern oft nicht», kritisierte Terkessidis. Er bedauerte deshalb, dass es «immer noch viel zu wenige Lehrer mit Migrationshintergrund» gebe.

„Anderer Weg zum Abitur“

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands – und selbst Leiter eines Gymnasiums in Bayern – sieht in der Tatsache, dass Kinder aus Einwandererfamilien an Gymnasien unterrepräsentiert sind, kein Anzeichen für eine systematische Diskriminierung. Dass Schüler mit Migrationshintergrund seltener eine entsprechende Empfehlung erhalten, liege nicht daran, dass die Lehrer rassistische Stereotype reproduzieren würden, sagte er gegenüber der „Huffington Post“.  „Für Kinder mit Migrationshintergrund ist es wegen derer sprachlichen Defizite oft sinnvoller, nicht direkt auf ein Gymnasium zu wechseln, wo sie mit bis zu drei weiteren Fremdsprachen konfrontriert werden.“ Auf dem Gymnasium gebe es außerdem seltener zusätzliche Deutschkurse für Kinder mit Migrationshintergrund. Auch deswegen sei es für diese meist einfacher, zunächst nicht aufs Gymnasium zu gehen – und das Abitur über eine Gesamtschule oder eine Fachoberschule  anzusteuern.

Meidinger erklärte laut Bericht: „Ich habe selbst schon mehrfach Kindern mit Migrationshintergrund und Sprachdefiziten empfohlen, einen anderen Weg zum Abitur zu wählen, auch wenn sie grundsätzlich die kognitiven Fähigkeiten für das Gymnasium mitbrachten. Dass das ein Zeichen von Rassismus sein solle, halte ich für falsch.“ Er räumte allerdings ein, dass es „natürlich in Einzelfällen“ dazu kommen könnte, dass Lehrer die Begabung ihrer Schüler aufgrund von sprachlichen Defiziten falsch einschätzten. Normalerweise aber würden die Lehrer ihre Schüler gerade an Grundschulen sehr gut kennen, somit könne man auf ihr Urteil in der Regel vertrauen.

Auch Fälle von Diskriminierung mochte Meidinger gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ nicht ausschließen. Ein derartiges Verhalten sei kriminell, habe im Klassenzimmer nichts verloren und müsse sofort angezeigt und mit einem Disziplinarverfahren geahndet werden. „So ein Lehrer macht so etwas gewöhnlich nicht nur einmal, sondern häufiger.“

Meidinger appellierte daher an Betroffene, rassistische Ausfälle unverzüglich der Schulleitung zu melden – und an seine Kollegen, die Fälle streng zu verfolgen. „Natürlich gibt es Schulleitungen, die Probleme ein wenig unter den Teppich kehren wollen – beim Thema Rassismus aber darf keinesfalls jemand wegschauen.“ News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu dem Bericht in der „Huffington Post“, in dem auch noch zwei andere Lehrer mit differenzierten Statements zu Wort kommen.

Hier geht es zu dem Bericht in der „Süddeutschen Zeitung“.

Gleiche Fehlerzahl – schlechtere Note: Migrationshintergrund macht offenbar den Unterschied

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xxx
5 Jahre zuvor

„Normalerweise aber würden die Lehrer ihre Schüler gerade an Grundschulen sehr gut kennen, somit könne man auf ihr Urteil in der Regel vertrauen.“

Ähnliches gilt sicherlich auch für die weiterführenden Schulen, weshalb diese Extrawurst für die muslimischen Kinder mit konservativ( indoktriniert)en Eltern überflüssig ist. Warum schreibe ich muslimisch? Ganz einfach, weil alle anderen Migrantenkinder inkl. der säkularen Muslime keine Migranten sind, die um ihre Herkunft bzw. ihre Kultur bzw. ihre Religion so einen Buhei machen.

Für konkrete Gegenargumente oder wenigstens Angabe anderer Nationalitäten bzw. Kulturen bin ich offen. Sie müssen aber in Deutschland aber signifikant leben. Außerdem beziehen Sie sich bei Ihren Beispielen bitte auf maximal 5 Jahre alte Quellen und keine aktuellen Erfahrungsberichte heute erwachsener Menschen aus ihrer Kindheit vor 30 Jahren. So ziemlich alle Tweets aus dem Bereich MeTwo fallen damit weg.

Palim
5 Jahre zuvor

„Verbreitet sei bei ihnen die Einstellung, dass es für den Besuch eines Gymnasiums einer intakten akademisch gebildeten Familie bedürfe.“
Dieser Satz zeigt: Es geht nicht um Diskriminierung von Migranten, sondern um soziale Diskriminierung, denn Kinder anderer Familien, die wenig gebildet oder nicht intakt sind, hätten damit bei entsprechenden Leistungen auch keine Empfehlung.
M.E. stellt sich viel eher die Frage, ob genau diese Kinder in der Grundschule die Förderung und Chance erhalten, entsprechende Leistungen zu bringen … und diese Chance auch nutzen.

„Normalerweise aber würden die Lehrer ihre Schüler gerade an Grundschulen sehr gut kennen, somit könne man auf ihr Urteil in der Regel vertrauen.“
Danke, Herr Meidinger.

Letztlich gibt es verbindliche Empfehlungen nur noch in 2 Bundesländern und sie sind dort an Noten gebunden.
Es kann also nahezu jeder sein Kind anmelden, wo er es sieht, und eigene Erfahrungen sammeln.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Der eigentlichen Aussage Herrn Holters nach fordert er übrigens nicht mehr Fingerspitzengefühl gegenüber Migranten, sondern gegenüber der Sprache:
„«In der Schule geht es vor allem um höchste Sensibilität in der Sprache. Man muss das Bewusstsein von Lehrkräften für ihre Wortwahl schärfen, damit nicht der Eindruck entsteht, sie sei rassistisch motiviert», sagte der Thüringer Bildungsminister (Linke) „

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

„Verbreitet sei bei ihnen die Einstellung, dass es für den Besuch eines Gymnasiums einer intakten akademisch gebildeten Familie bedürfe.“
Merkwürdig nur, dass in Hambug schon vor knapp 10 Jahren 52 % eines Jahrgangs aufs Gymnasium gingen. In anderen Bundesländern ist das ähnlich, in manchen Städten sind das über 70 %. Gibt es also soooo viele intakte akademisch gebildete Familien? Ich denke, wir hören immer das Gegenteil. Im übrigen: Irgendwo las ich, dass von 100 Arbeiterkindern MIT einer Gymnasialempfehlung nur 50 tatsächlich aufs Gymnasium geschickt werden. Kein Wunder, dass das in der Statistik dann schlecht aussieht.

„M.E. stellt sich viel eher die Frage, ob genau diese Kinder in der Grundschule die Förderung und Chance erhalten, entsprechende Leistungen zu bringen … und diese Chance auch nutzen.“
Reden nicht alle von Förderung? Gibt es nicht die Chance? Dass jemand sie nutzt, können Lehrer aber nicht erzwingen. Wenn in der Schuleingangsphase die Meinung vorherrscht, man solle den Kindern jede Menge Zeit lassen und auf keinen Fall irgendeinen Leistungsdruck ausüben, dann fehlt die Zeit später eben. Aufholen ist schwierig, weil die anderen in dieser Zeit ja auch Fortschritte machen. Und irgendwann schließen sich „Zeitfenster“ (so schrieb Ignaz W.). Es ist wie bei einem Marathonlauf, wenn einige allzu langsam und gemütlich anfangen. Die können später nicht mehr genug aufholen.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Wenn man das Training für den Marathonlauf gleich überstürzt, wird man nicht weit kommen.
Und wenn man das Tempo zu Beginn des Laufes zu hoch ansetzt, wohl auch nicht.

Es REDEN alle von Förderung, aber WO gibt es denn die Unterstützungssysteme?

Ihre Äußerungen zur Schuleingangsphase und zu Zeitfenstern zeigen, dass sie keine Vorstellung davon haben. Jahrgangsübergreifender Unterricht schließt Leistung nicht aus und die beschriebenen Zeitfenster, z.B. zum Hören, liegen weit vor der Einschulung. Hier aber geht es darum, ob Kinder auf Grund von Vorurteilen schlechter bewertet oder diskriminiert werden.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

@Palim
Der ganze Jahrgänge übergreifende Unterricht ist doch als Experiment gescheitert und bringt keine effektiven Lernfortschritte.
Sie hängen immer noch an der völkisch-nationalen Methodik eines Peter Petersen fest.

Palim
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Das ist Ihre Interpretation.
Der muss ich mich nicht anschließen.
Ihre Nazi-Keule können Sie stecken lassen.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Immer schön das Niveau der Klasse mit diesen Methoden nach unten drücken, damit die Leistungsunterschiede zwischen den Schülern nicht allzu groß ausfallen. Das Gesamtleistungsniveau geht trotzdem nach unten und die Lerneffekte sind und bleiben eben bescheiden.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Peter Petersen 1935 zum Jena-Plan:
„Die Erziehungswissenschaft , auf deren Grundlage der Jenaplan ruht, ist die erste welche volkstheoretisch begründet wurde.
Wie sie sich eindeutig gegen jeden Liberalismus und Internationalismus , gegen Demokratie und Individualismus wandte, so auch gegen die idealistischen Theorien von der Menschheit.Es gibt keine Menschenbürger, es gibt nur Volksbürger.“
Und so schrieb Dr. Peter Petersen, der Begründer von Gruppenarbeit, Jahrgang übergreifenden Unterricht, Wochenarbeit,Freiarbeit, Stationsarbeit und benotungsfreien individuellen Beurteilungen 1933 :“ So kennzeichnet es auch den Jena-Plan von Anfang an , dass dann alles parlamentarische Wesen ausgeschaltet ist, “ und fordert die schärfste Kampfansage gegen die dem deutschen Wesen ganz und gar zuwiderlaufende Überfremdung mit den Tönen der parlamentarischen Demokratie.“
Die Methodik des Jenaplans dient der gezielten Verhinderung der Entwicklung selbstständig und kritisch denkender Schüler, die sich eigenständig Gedanken machen und kritisch Gegebenes in Frage stellen in der Lage sind. Allein die Gruppenarbeit fördert die Herausbildung einer Führungsperson in der Gruppe, die als Leitfigur die Arbeitsabläufe der gemeinsamen Arbeit bestimmt.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Es ist falsch, die reformpädagogischen Bestrebungen des frühen Petersen (er opponierte gegen den wilhelmischen Untertanengeist) mit dem Nationalsozialismus zu vermischen, auch wenn er eine Einheitsschule und Gruppenarbeit bevorzugte. Petersen war später den Nazis zugeneigt, warum auch immer. Aber die Nazipädagogik war nochmal grundlegend anders als jede Reformpädagogik der 1920er Jahre, sie zielte auf eine „Gleichschaltung“ der Köpfe und eben nicht auf das Individuum. Aus dem Buch „Chronik 1938“:
„2. Dezember. In einer Rede in Reichenberg erläuterte Führer und Reichskanzler Adolf Hitler den Werdegang der Jugend im nationalsozialistischen Deutschland. Sie soll von ihren Eltern entfremdet und von klein an im Sinne des Führerstaates durchgeformt werden und nach Asolvierung der verschiedenen nationalsozialistischen Massenorganisationen une Ableistung des Wehrdienstes keinen eigenen Willen mehr haben dürfen.“
Und dann folgt ein längeres wörtliches Zitat von Hitler, ein Teil daraus: „Und dann geben wir sie erst recht nicht zurück in die Hände unserer alten Klassen- und Standeserzeuger … […] Und was dann noch […] an Klassenbewußtsein oder Standesdünkel da und da noch vorhanden sein sollte, das übernimmt dann die Wehrmacht zur weiteren Behandlung auf zwei Jahre, und wenn sie […] zurückkehren, dann nehmen wir sie, damit sie auf keinen Fall rückfällig werden, sofort wieder in die SA, SS und so weiter, und sie werden nicht wieder frei ihr ganzes Leben.“
Das klingt in dieser Brutalität für mich wesentlich anders als alles, was ich über den Jenaplan von 1927 (!) gelesen habe. Der Jenaplan sprach noch von der „eigenen Identität“ und einem „kritischen Bewußtsein“ der Kinder (siehe Wikipedia), das passt nicht zum Nationalsozialismus. Das widerspricht auch nicht dem, was Ignaz W. oben schreibt, denn ein Plan vor 1933 und einer danach, das kann wohl unterschiedlich sein.

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor

“Es gibt leider auch Vollidioten unter Lehrkräften”, sagte DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger.

Meinte er da den kleinen Rassisten mit Namen Bernd?

Bernd
5 Jahre zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Ich hoffe, Sie meinen nicht mich – sondern den Geschichtslehrer „Bernd“ Höcke …

Küstenfuchs
5 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Nein, ich meinte selbstverständlich nicht Sie. Wieso sollte Meidinger Sie kennen?

ysnp
5 Jahre zuvor

„Verbreitet sei bei ihnen die Einstellung, dass es für den Besuch eines Gymnasiums einer intakten akademisch gebildeten Familie bedürfe.“

Verbreitet? Echt? Natürlich haben es Kinder einfacher, wenn sie zuhause jemanden haben, der mit ihnen lernen kann oder ihnen nicht Verstandenes nochmals erklären kann. Das ist eine Tatsache, die man nicht wegdiskutieren kann. Doch man schafft es auch mit Willen und einem gewissen Grad an Begabung auch anders. Auch in der Vergangenheit hatten viele zuhause niemanden, der ihnen in den höheren Klassen des Gymnasiums etwas erklären konnte bzw. helfen konnte (ich auch nicht und vielen meiner Generation ging es sicher auch so). Mich ärgert, dass man das alles immer wieder auf die Vorurteile schiebt. Mit Einsatzwillen bei einigermaßen passgenauer Schule schafft man es auch ohne Eltern. Das Problem ist eher, dass man in einer Schule ist, die eine Nummer zu groß ist. Aber das ist ja politischer Wille. Immer schön auf die Lehrer schieben, statt einmal effektive Unterstützungssystem zu installieren, wenn man schon Schüler in Schularten will, die diese permanent überfordern. Aus einem Schuh, der zu groß ist, fällt man heraus, bei einem Schuh, der einem zu klein ist, wird man einen größeren kaufen.

Doch keine oder wenig Unterstützung im Elternhaus soll für die, die diese Unterstützung nicht haben, kein Hinderungsgrund sein. Die Eltern machen so oder so, was sie für richtig halten. In den meisten Bundesländern zählen der Elternwille und in Sachsen und Bayern die Noten.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Wenn der familiäre Bildungshintergrund schon immer ein entscheidender Faktor für den Bildungserfolg der Schüler ist, so bedeutet doch die bessere Ausgangslage der Kinder aus Akademikerkreisen keine Diskriminierung anderer Kinder aus einer an Sprache armen Umgebung.
Auch die Kinder ausländischer Akademikerkinder haben bessere Ausgangsbedingungen für einen schulischen Erfolg.

Reni
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Vollkommen richtig! Ich habe diese Diskriminierungsbehauptungen nie verstanden.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  ysnp

Ein Gedanke am Rande: Die Nazis hatten einen regelrechten Hass auf den Einfluss „bürgerlicher“ Elternhäuser auf ihre Kinder (siehe auch oben die Diskussion zu Peter Petersen), die Kommunisten in Nachkriegsdeutschland allerdings auch. Das macht vielleicht verständlich, warum man sich heute in der Bundesrepublik scheut, den Einfluss der Eltern zurückzudrängen und den des Staates auszuweiten (der halbherzigen Ganztagsschule zum Trotz). Stattdessen schwafelt man was vom „vertrauensvollen Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule“, so als sei nicht gerade dessen Abwesenheit oft eins der Hauptprobleme. Die plausible Erkenntnis, dass der Einfluss der Elternhäuser bei den einen eben gut und bei den anderen schlecht ist, will niemand auch nur formulieren. Das gilt vermutlich gleich wieder als „rassistisch“.

sofawolf
5 Jahre zuvor

@ Cavalieri (Zitat): „Es ist falsch, die reformpädagogischen Bestrebungen des frühen Petersen (er opponierte gegen den wilhelmischen Untertanengeist) mit dem Nationalsozialismus zu vermischen, auch wenn er eine Einheitsschule und Gruppenarbeit bevorzugte. Petersen war später den Nazis zugeneigt, warum auch immer. “

Das möchte ich ausdrücklich unterstützen! Es wäre eine böse Diffamierung, die auf Petersen beruhende Jena-Plan-Schule als „nationalsozialistisch“ zu bezeichnen / verunglimpfen.

Wenn wir darüber urteilen wollen, warum sich Menschen dem Nationalsozialismus zuwandten, dürfen wir erstens nicht unser heutiges Wissen über den Nationalsozialismus und seine Folgen zugrunde legen und müssen zweitens berücksichtigen, dass die Gründe sehr, sehr vielfältig gewesen sein können, z.B. der blanke Opportunismus, also z.B. um einen bestimmten Beruf ausüben zu können. Das hatten wir in der DDR ja auch. Die meisten SED-Mitglieder waren keine „glühenden Kommunisten“, sondern Opportunisten, aber daran war die SED natürlich selbst schuld, weil sie bestimmte Posten nur an Parteimitglieder vergab.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Genau: Man stelle sich mal vor, 1933 wären statt der Nazis die Kommunisten an die Macht gekommen. Die hätten den Jenaplan auch in ihrem Sinne hinbiegen können. Und Petersen hätte sich vielleicht auch mit ihren arrangiert, so wie sich mancher in der DDR mit der SED arrangiert hat, obwohl er innerlich gar nicht davon begeistert war.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Ich kann mich erinnern, wie uns in der Schule sogar Goethe als eine Art gedanklicher Vorläufer der Kommunisten präsentiert wurde und ich staunte nicht schlecht, als ich später mal las, wie die Nazis das Gleiche ihren Schülern zu vermitteln versuchten.

Daraus habe ich gelernt, wie man in alles alles hineininterpretieren kann, wenn man nur will.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Die Nazis haben auch Schiller für sich vereinnahmt, er konnte sich nicht dagegen wehren:
http://www.weimarpedia.de/index.php?tx_wpj_pi1%5Barticle%5D=161&tx_wpj_pi1%5Baction%5D=show&tx_wpj_pi1%5Bcontroller%5D=article
Man brachte sogar „Wihelm Tell“ in Zusammenhang mit dem Führerstaat, und Hitler selbst präsentierte sich als eine Art „Schiller-Fan“.

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

@Sofawolf und Cavalieri
Ihre Beurteilungen und Äußerungen bezogen auf Peter Petersens Verhältnis zum Nationalsozialismus sind sehr naiv, denn schließlich hat dieser die Rassenideologie der Nazis noch nach dem Ende des zweiten Weltkriegs 1947 in hinterlassenen Schriften weiter vertreten. Er war zwar kein Mitglied der NSDAP, er war aber auch kein einfacher Mitläufer im SS-Staat, denn er hat schließlich in einem Konzentrationslager vor inhaftierten norwegischen Studenten, die dort wegen ihres Protestes gegen die Besetzung Norwegens durch Nazi-Deutschland inhaftiert waren, eine Rede gehalten, in der er diese Studenten dazu aufforderte der Waffen-SS beizutreten.
Und schließlich Cavalieri zeugt ihre Vorstellung einer Machtübernahme dfer Kommunisten in Deutschland von einem fehlenden oder vorgetäuscht fehlenden Wissen um die tätsächlichen Machtverhältnisse und die Strippenzieher im Hintergrund, wie die Großindustriellen Thyssen, Krupp, Hugenberg und andere Personen, die ihre Vorteile aus der von ihnen unterstützten Machtergreifung der Nazis ziehen wollten.
Und zum Schluss instrumentalisierten die Nazis die vorhanden Vorurteile gegen die jüdische Bevölkerung zur Machtergreifung und kultivierten ihren Judenhass gegen diesen wichtigen Wirtschafts- und Wissenschaftfaktor, den man durch die Gründung von Kammern die wirtschaftliche Grundlage entzog, um diese durch Enteignungen schließlich linientreue „Volksgenossen“ zu belohnen.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Ich wollte nicht sagen, die Kommunisten hätten tatsächlich an die Macht kommen können, sondern nur, dass der Jena-Plan im Falle des Falles auch in kommunistischer Hinsicht interpretierbar gewesen wäre wegen der betonung der „Gemeinschaft“. Kann man das so missverstehen?
Und man sollte die Person von der Politik trennen. Bei Wikipedia wird klar anerkannt, dass Petersen in den 1920er Jahren sich durchaus Verdienste erworben hat. Er begründete erst die Pädagogik als eigenständige Wissenschaft. Und seine Jena-Plan-Schule war jedenfalls mal ein vernünftiges Experiment. Wenn ich lese
„Petersens Grundfrage lautete: „Wie soll die Erziehungsgemeinschaft beschaffen sein, in der und durch die ein Mensch seine Individualität zur Persönlichkeit vollenden kann?“ “ oder
„Petersen bezieht sich stets auf ein individuelles und auf Gemeinschaft angelegtes Menschenbild, das christlich-religiöse Züge trägt.“
dann kann ich nur sagen: Zum Nationalsozialismus passt das gar nicht direkt, denn die Individualität war von den Nazis nicht erwünscht und „christlich-religiös“ auch nicht.
Er hat sich halt — wie auch andere — von den Nazis blenden lassen und hat sich dadurch verändert. Das soll man kritisieren, aber der eigentliche Jena-Plan von 1927 war anders. Da sollten z.B. Zensuren abgeschafft werden, und es gibt ein „überfachliches Arbeiten in Projekten“. „Die Schüler werden beurteilt, aber nicht mehr gegeneinander aussortiert.“ Wie klingt denn das:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jenaplan

Ignaz Wrobel
5 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

@Cavalieri
Dr. Peter Petersen war ein Korpsbruder in der schlagenden, evangelischen Verbindung, in der auch mein Großvater Mitglied war.
Beide kannten sich gut, schließlich ziert die Rückseite unseres Familienwappens die Gravuren dieses Pädagogen. Beide haben unter anderem evangelische Theologie studiert und waren völkisch-national-konservativ eingestellt. Die Verbindung findet sich bei Beiden wieder, weil beide in Südafrika waren; mein Großvater als Pfarrer in der Gemeinde Berlin (SA) und Petersen zum Erfahrungsaustausch in Südafrika, wo er Schulen besuchte, ebenso wie er diese in den USA aufsuchte, um seine ablehnende Haltung gegen einen gemeinsamen Unterricht von schwarzen und weißen Schülern zu entwickeln und sich zum richtigen Rassisten entwickelte, der die Hierarchie in der Wertigkeit der verschiedenen Menschenrassen sah.
Die herablassende und rassistische Denkweise beider ist mir bekannt, in der an unterster Stelle die Buschmänner standen, an oberster der ethnisch Nordeuropäer in Skandinavien. Sehr viel von dieser Denkweise haben die sich auch selbst angeeignet, weil sie die kulturellen Leistungen der Urbevölkerung nicht erkannten und anerkannten.

Cavalieri
5 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Das mag ja alles sein, aber erstens ist es auch heute nicht verboten, Korpsbruder einer schlagenden Verbindung zu sein, zweitens war „völkisch-national-konservativ“ in den 1920er Jahren nicht identisch mit „nationalsozialistisch“, und drittens mögen Sie doch bitte das alles aus dem Jena-Plan von 1927 heraus nachweisen. Um den geht es doch, nicht um krause politische Vorstellungen von Petersen. In der Kolonialzeit dachte wahrscheinlich eine Mehrheit der Bevölkerung (also auch jemand in praktisch jeder Familie) so ähnlich über die Afrikaner, wie Sie oben beschreiben. Und in USA gab es die Rassentrennung noch, als Petersen längst gestorben war. Ich verteidige das doch nicht, mir will nur scheinen, dass die Kerngedanken des Jenaplans (so wie bei Wikipedia aufgelistet) nicht wirklich die Vorstellungen einer echten Nazi-Pädagogik (eine Jugend „hart wie Kruppstahl“ ohne selbständiges Denken und Handeln) repräsentierten. Es gibt da 20 Basisprinzipien, die heute noch in Jenaplan-Schulen gepflegt werden. Eine hat 2015 sogar den „Deutschen Schulpreis“ bekommen, wie denn das? Und: „Die meisten Jenaplan-Schulen gibt es in den Niederlanden.“ Das sind gewiss keine verkappten Nazi-Kaderschmieden, die hätte man wohl nicht geduldet.