MÜNCHEN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beklagt zu Beginn des neuen Schuljahres einen ihrer Ansicht nach extremen Lehrermangel in Bayern. Außerdem kritisierte sie am Mittwoch Kultusminister Bernd Sibler (CSU), der zuvor gesagt hatte, dass sämtliche Planstellen mit ausgebildeten Lehrern besetzt werden konnten.
GEW-Vertreter der Grund- und Mittelschulen sowie der Förderschulen stritten das jedoch ab. Ruth Brenner, Sprecherin der Grund- und Mittelschulen, sagte, dass «die Unterrichtsversorgung zum Start des neuen Schuljahres gerade so gewährleistet werden kann». Käme es zu Ausfällen, gäbe es keine Reserven mehr. Als Ersatz würden sehr wohl Lehrer ohne Abschluss, wie Studenten in den ersten Semestern, eingesetzt. «Natürlich kann man die Lehrer nicht herzaubern», aber das Kultusministerium müsse genau deshalb eine realistische Bestandsaufnahme anfertigen, sagte Brenner.
„Die Staatsregierung hat, wie letztes Schuljahr, dem Lehrkräftemangel bei weitem nicht ausreichend entgegengesteuert“, stelle die Gewerkschafterin fest und zählte auf: „eine gänzlich verfehlte Personalpolitik in den letzten Jahren, die Nichtbeachtung von Pensionierungen und der Geburtenrate, sowie seit Jahren zu wenig Investitionen. All dies führt dazu, dass die Bayrische Bildungspolitik gescheitert ist und nun endlich der Mut aufgebracht werden muss grundlegende, langfristige Maßnahmen in Angriff zu nehmen.“ Und das bededute vor allem: A 13 als Eingangsbesoldung für alle Lehrkräfte und die Umstrukturierung der Lehrerausbildung.
Förderschulqualifikation auf die Schnelle
Die von Sibler gelobte Zweitqualifizierungsmaßnahme wurde von Johannes Schiller, Vertreter der Sonderpädagogischen Berufe, kritisiert. Durch diese könnten Gymnasial- und Realschullehrer an Förderschulen arbeiten. Die ausgebildeten Sonderpädagogen würden im Zuge der Inklusion oft an andere Schulen entsandt und dann von ihren nicht ausgebildeten Kollegen in der Förderschule vertreten. «Gerade hier ist aber die Förderung durch ausgebildetes Personal nötig.»
Martina Borgendale, Sprecherin für die Realschullehrer, forderte mehr Planstellen an Bayerns Realschulen. Außerdem sprach sie sich für einen Ganztagsunterricht für alle aus. Schließlich gab es auch Kritik für die Reform zum neuen G9. «Das ist homöopathisch», sagte Andreas Hofmann. Man habe den neu für G8 entwickelten Lehrplan nur um ein Jahr ausgedehnt, das sei aber «Unsinn». News4teachers / mit Material der dpa
Ein entscheidender Unterschied zum G8 sei weniger Nachmittagsunterricht, sagte Kultusminister Bernd Sibler (CSU) am Mittwoch in München. Gerade in der Unter- und Mittelstufe sei das die Kernkritik vieler Eltern am G8 gewesen. Zudem werde das Fach Sozialkunde ausgeweitet und Informatik als Hauptfach hinzukommen. Die erste 13. Klasse wird es im Schuljahr 2025/26 geben. Spätestens dann würden etwa 1000 zusätzliche Lehrer an den Gymnasien benötigt, sagte Sibler. «Allerdings wollen wir nicht 2025/26 auf einmal 1000 neue Lehrer einstellen, sondern dies auf mehrere Jahre verteilen.»
Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Bayerischen Landtag, Martin Güll (SPD), vermisst beim neuen G9 laut Mitteilung ein pädagogisches Gesamtkonzept und kreative Ideen, wie die gewonnene Zeit am Gymnasium für die Schüler optimal genutzt werden könne. Zudem forderte er eine stärkere Berufsorientierung: «Der Erfolg des neuen G9 wird auch davon abhängen, wie gut es gelingt, Jugendliche auch auf einen Lehrberuf vorzubereiten.»
Keine Quereinsteiger
850 zusätzliche Lehrerstellen hat der Freistaat für das neue Schuljahr geschaffen. Zusammen mit den nachbesetzten Stellen würden 4300 neue Lehrer eingestellt, sagte Sibler. Sämtliche Planstellen hätten mit ausgebildeten Lehrern besetzt werden können. Der Freistaat habe nicht auf Quereinsteiger zurückgreifen müssen.
In Bayern sind 150.000 Lehrer tätig. 92 Prozent von ihnen sind verbeamtet. Um dem prognostizierten Bedarf an Lehrern in Grund-, Mittel- und Förderschülern gerecht zu werden, gibt es laut Ministerium seit 2015 eine Zweitqualifizierungsmaßnahme für Realschul- und Gymnasiallehrer. Sie können dann an die anderen Schularten wechseln. Inzwischen hätten sich daran 950 Lehrer beteiligt. dpa
Die Forderung der GEW „Umstrukturierung der Lehrerausbildung“ bededutet vor allem: Lehrer würden nicht mehr gezielt für ihre Schulform ausgebildet – gleiche Schuhgröße für alle!