DGB-Ausbildungsreport 2018: Azubis klagen über Überstunden und ständige Erreichbarkeit

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DÜSSELDORF. Seit elf Jahren befragt der Deutsche Gewerkschaftsbund Azubis, wie es ihnen in der Lehre ergeht. Schwerpunktthema 2018: Wie klappt es mit der Arbeitszeit? Die Antwort: Hängt vom Berufsfeld ab.

Auszubildende bemängeln eine schlechte Abstimmung zwischen Betrieb und Berufsschule. Foto: Arbeitgeberverband Gesamtmetall / flickr (CC BY 2.0)
Mechatroniker ist der am besten bewertete Ausbildungsberuf. Foto: Arbeitgeberverband Gesamtmetall / flickr (CC BY 2.0)

Überstunden und ständige Erreichbarkeit sind für viele Auszubildende Alltag. Das geht aus dem nordrhein-westfälischen Ausbildungsreport 2018 hervor, den der Deutsche Gewerkschaftsbund in Düsseldorf vorgestellt hat. Die wichtigsten Ergebnisse:

ÜBERSTUNDEN: Mehr als ein Drittel der über 5000 Befragten aus den 25 häufigsten Berufen gaben an, regelmäßig Überstunden machen zu müssen. Von ihnen bekommen demnach 15 Prozent weder einen finanziellen noch einen zeitlichen Ausgleich, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Derzeit kämen die Kammern ihrem gesetzlichen Kontrollauftrag nicht nach, kritisierte der DGB.

ZUHAUSE IM DIENST: Von jedem fünften Azubi wird laut Umfrage erwartet, auch außerhalb der Arbeitszeiten erreichbar zu sein. Nur 3,8 Prozent könnten dafür auch mit einem Ausgleich rechnen. In Berufen, die in der Gesamtbewertung der Azubis am schlechtesten abschneiden, ist die Zumutung am größten: So klagte fast die Hälfte der angehenden Hotelfachleute, dass von ihnen ständige Erreichbarkeit erwartet werde.

STRESS: Fast 30 Prozent der Azubis haben Probleme, sich in der Freizeit zu erholen. Dabei könne ein stressiges Arbeitsleben weder im Interesse der Beschäftigten noch der Arbeitgeber sein, mahnte der Jugendsekretär des DGB NRW, Eric Schley.

ZUFRIEDENHEIT: Auch im elften Jahr des DGB-Ausbildungsreports äußerte sich der Großteil der Befragten – 68,7 Prozent – insgesamt zufrieden über die Qualität der Ausbildung; im Vorjahr waren es allerdings noch über 71 Prozent.

TOP: Erstmals schafften es die Mechatroniker auf Platz 1 der am besten bewerteten Ausbildungsberufe. Angehende Verwaltungsfachangestellte, die erstmals für den Report befragt wurden, kamen auf Anhieb in die Spitzengruppe. Dort halten sich auch – wie schon im Vorjahr – Bankkaufleute, Industrie- und Zerspanungsmechaniker, Fachinformatiker und Elektroniker.

HOPP: Am schlechtesten bewertet wurde die Ausbildung der Verkäufer (vor allem im Lebensmittelhandwerk), Friseure, Hotelfachleute, zahnmedizinischer Angestellter, Anlagenmechaniker, Maler und Lackierer.

AUFFÄLLIG: «Es sind weitestgehend dieselben Berufe, die von den Azubis als besonders problematisch bewertet werden», bilanzierte DGB-Landeschefin Anja Weber die jährlichen Berichte. Konsequenz seien erhöhte Abbrecherzahlen. «Der Fachkräftemangel ist hier hausgemacht.

LEHRSTELLENMARKT: Laut Arbeitsagentur bleiben in NRW immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt. «Am Ausbildungsmarkt in NRW zeichnet sich ein Umbruch ab. Für Unternehmen wird es immer schwieriger, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen», kommentierte die Chefin der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit, Christiane Schönefeld, die Ausbildungsmarkt-Bilanz 2017/2018. Insgesamt zählte die Arbeitsagentur knapp 9600 unbesetzte Ausbildungsplätze – so viele wie noch nie in den vergangenen zehn Jahren. Gleichzeitig blieben aber mehr als 7100 Bewerber ohne Ausbildungsplatz. Noch sei der Ausbildungsmarkt in NRW weiterhin angespannt: Rund 134 000 Bewerbern standen nur knapp 116 000 Lehrstellen gegenüber.

VERGÜTUNG: Der DGB fordert die große Koalition auf, ihr Versprechen einzulösen, bis 2020 eine Mindestausbildungsvergütung einzuführen. Der DGB möchte ein quer über alle Branchen errechnetes Mindestniveau von 80 Prozent der durchschnittlichen Ausbildungsvergütung. Im ersten Lehrjahr wären das seinen Angaben zufolge 635 Euro. Laut Tarifregister 2018 weisen die Ausbildungsvergütungen derzeit extreme Spannen auf: etwa zwischen 437 Euro im ersten Lehrjahr einer Friseuse (3. Jahr: 675 Euro) und 785 Euro auf dem Bau (3. Jahr: 1410 Euro).

FAKTOR MENSCH: Für Ali Simsir, Betriebsrat beim Mischkonzern Evonik in Marl ist vor allem wichtig, Auszubildende nicht zu früh abzuschreiben und auch Hauptschülern eine Chance zu geben. «Wir brauchen auch Leute, die da bleiben und nicht studieren und weiterziehen. Wir brauchen auch Indianer», unterstreicht der 44-Jährige. Viele würden zu schnell als nicht ausbildungsfähig abgestempelt. «Das ist Humbuk. Heute braucht man mehr Pädagogik statt „Eisen-erzieht-Mentalität“, wie das früher war. Aber die sind cool. Von Bettina Grönewald, dpa

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