Projekt „Familienklassen“: Kultusministerium schickt Eltern mit in die Schule. Dort sollen sie lernen, ihre Kinder besser zu unterstützen

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WIESBADEN. Die Herausforderungen für Lehrkräfte im Schulalltag wachsen, und dazu gehören insbesondere stetig steigende Erziehungsaufgaben – so heißt es beim Hessischen Kultusministerium. Oft liege die Ursache für Schwierigkeiten in der Schule direkt in der familiären Situation des Kindes. In einem Modellprojekt werden Eltern und Schüler nun gemeinsam in die Schule geschickt. Die Väter und Mütter sollen lernen, wie sie ihr Kind richtig unterstützen. Für den hessischen Kultusminister Alexander Lorz (CDU) hat die Initiative Vorbildcharakter – zunächst für Hessen. Gibt es das Projekt dann bald auch bundesweit?

Ein Elternteil soll das Kind einmal in der Woche in die Schule begleiten. Foto: Shutterstock

Der hessische Lahn-Dill-Kreis hat in Kooperation mit dem Albert-Schweitzer-Kinderdorf Wetzlar sowie interessierten Grundschulen das Modell der sogenannten „Familienklassen“ entwickelt. Dieses richtet sich laut Kultusministerium an Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten im Schulalltag und sieht vor, dass Familien einmal wöchentlich einen Schultag gemeinsam verbringen. Die Eltern und die  Kinder sollen lernen, wie sie durch Verhaltensänderungen Erfolge im Unterricht erreichen können – mit professioneller Unterstützung.  Gleichzeitig stärken die gemeinsamen Erlebnisse die Bindung zwischen Eltern und Kind. „Bei einem Besuch der Grundschule in Wetzlar-Dalheim im März dieses Jahres habe ich mich über das Modell informiert und war sofort begeistert“, erläuterte Kultusminister Lorz. Gemeinsam mit dem Ersten Kreisbeigeordneten des Lahn-Dill-Kreises, Heinz Schreiber, und Christian Scharfe vom Albert-Schweitzer-Kinderdorf in Wetzlar stellte er das Modell in Wiesbaden vor.

Fünf Stunden gemeinsamer Unterricht

Eine „Familienklasse“ wird aus etwa acht Kindern mit jeweils mindestens einer erziehungsberechtigten Person klassenübergreifend gebildet und ist im Regelfall auf eine Teilnahme von drei bis sechs Monaten angelegt. Begleitet werden die Einheiten aus dem Tandem eines Multifamilientrainers sowie einer Lehrkraft oder sozialpädagogischen Fachkraft des Landes Hessen. Einmal wöchentlich findet dabei ein fünfstündiger Familienunterrichtstag statt, der unterschiedliche Phasen mit spezifischen Zielsetzungen aufweist. Hierbei werden sowohl reguläre Unterrichtsinhalte vermittelt als auch erzieherische Ziele verfolgt. „Im Kern wird darauf abgezielt, dem Kind Wege zur Mitarbeit aufzuzeigen, die es ihm erleichtern, seine individuellen Lernziele zu erreichen. Außerdem geht es darum, die Eltern in der Übernahme ihrer Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder wertschätzend zu begleiten und ihnen Möglichkeiten anzubieten, wie sie förderlich auf das Verhalten ihres Kindes einwirken können“, so heißt es.

Den Unterricht an den restlichen vier Wochentagen verbringen die Schülerinnen und Schüler in ihren Regelklassen. Durch die Unterstützung und Rückmeldung der Familien untereinander entstehe ein wertvolles soziales Miteinander und ein positives Lernumfeld für die Schülerinnen und Schüler – sagen die Initiatoren. „Die Familienklassen sind mittlerweile ein fester Bestandteil der Grundschullandschaft des Lahn-Dill-Kreises, weil wir sehr gute Erfahrungen mit ihnen gemacht haben“, erläuterte der Erste Kreisbeigeordnete des Lahn-Dill-Kreises, Heinz Schreiber. „Wir können nachweislich feststellen, dass die emotionale Entwicklung, das Aufnehmen von Bindungen wie auch die schulischen Leistungen der Kinder durch sie verbessert werden.“

„Die Idee der Familienklassen hat sich im Lahn-Dill-Kreis dank der engen Kooperation von Stadt, Schulträger, Schulgemeinde, Rittal Foundation und dem Albert-Schweitzer-Kinderdorf etabliert und ermöglicht den Grundschülerinnen und Grundschülern, noch besser im Schulalltag Fuß zu fassen“, betont auch Lorz. „Die positiven Wirkungen haben uns überzeugt, so dass wir das Modell Schulträgern in ganz Hessen anbieten möchten.“ Da in einer Familienklasse sowohl schulische Förderung als auch eine regelhafte Umsetzung originärer Aufgaben der Jugendhilfe erfolgen, erscheine hierzu ein kofinanziertes Kooperationsprojekt zwischen dem Land Hessen und den Jugendhilfeträgern zielführend. „Wir haben das Modell der ‚Familienklassen‘ daher bereits Vertretern der Kommunalen Spitzenverbände vorgestellt und viele positive Rückmeldungen erhalten“, so Lorz.

Aktuell finden weitere Gespräche zur Ausgestaltung in gemeinsamer Verantwortung statt. „Ziel ist es, dass mehr hessische Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Erziehungsberechtigten Zugang zu dieser nachhaltig wirksamen Fördermöglichkeit erhalten. Damit wollen wir einerseits einen weiteren Beitrag zur Förderung der in der Hessischen Kinder- und Jugendrechte-Charta beschriebenen Bildungsgerechtigkeit leisten und andererseits die Erziehungsarbeit der Klassenlehrkräfte unterstützen“, so der Kultusminister. News4teachers

Das Modellprojekt wird auf der Facebook-Seite von News4teachers bereits heiß diskutiert.

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5 Kommentare
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Hamburg Mama
5 Jahre zuvor

‚Individuelle Lernziel‘. Es würde mich nicht überraschen wenn das Problem der ‚individualisiertes‘ ‚Unterricht‘ selbst ist und nicht die Kinder, die Eltern oder die noch lehrende Lehrerinnen. Manche Kinder kommen zurecht, (Kinder alleinerziehend, oder die zu Hause nicht Deutsch sprechen, oder einfach eine Lehrein die lerht ermutend und Spaß finden) akademisch sowol verhaltensweise, wenn die Lehrerin die Klasse mit Schulbücher hinaus Schritt für Schritt als eine lebendige Klasse lehrt, statt die Kinder vor Aufgabenhefte und Workstation Zetteln vor zu stellen und diese als ‚Unterricht‘ schön zu reden. Kinder die mehr Zeit brauchen können widerholen, und die die schneller gehen müssen können teil oder ganz überspringen.
Vielleicht deswegen eine Parallel Klasse traditionelle machen lassen als alternative für diese Kinder. Manche individualisierte Lernziel Lernplaners beschwerden sich über Kinder die in ‚Unterricht nicht mitmachen‘ (=Blätter allein nicht ausfüllen wollen wenn es kaum oder kein sinnvolle Grundschulewissen Lehrinput davor gitb) als Unterricht Mitwirkung verweigerung, obwohl in einer lehrende Unterricht ist das gleiches Kind mit gleichen Eltern vollig und mit sehr viel Freud integriert, mitmacht und in der Schule Grundschulewissen schnell und solide beigebracht.

mississippi
5 Jahre zuvor
Antwortet  Hamburg Mama

Die Methode des Deutschkurses sollte jedenfalls auch überdacht werden.

sofawolf
5 Jahre zuvor

Eltern mit in den Unterricht zu schicken, finde ich eine absurde Idee (abgesehen von Ausnahmen).

unverzagte
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

mit ausnahmen sind nicht all die npd/afd denunzierten eltern- kolleginnen gemeint, die als krönende arbeitsbeschaffungsmaßnahme draußen vor der tür beschäftigt werden sollen. *ironie modus off*

U. B.
5 Jahre zuvor
Antwortet  unverzagte

Komische „Ironie“. Ich würde eher sagen: als Ironie verkaufte „Hetze“.