Gebauer vs. Laschet: Digitalpakt sorgt für Koalitionskrach zwischen Schwarz und Gelb

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DÜSSELDORF. Viel Harmonie herrschte bislang in Laschets NRW-Koalition. Kurz vor Weihnachten knirscht es aber im schwarz-gelben Gebälk. Streitpunkt: die Bildungsfinanzierung. Kernfrage: Bundesgeld oder Entscheidungsfreiheit?

Am vergangenen Freitag erhielt Yvonne Gebauer ihrer Ernennungsurkunde zur NRW-Schulministerin von Ministerpräsident Armin Laschet. Foto: Land NRW/R. Sondermann
Am vergangenen Freitag erhielt Yvonne Gebauer ihrer Ernennungsurkunde zur NRW-Schulministerin von Ministerpräsident Armin Laschet. Foto: Land NRW/R. Sondermann

Kein vorweihnachtlicher Gleichklang in der letzten Landtagssitzung des Jahres: Im Streit um Bundesmittel für die Digitalisierung der Schulen zeigten die nordrhein-westfälischen Koalitionspartner CDU und FDP am Donnerstag eine selten so offen ausgetragene Uneinigkeit.

Die Kontroverse der fünf Parteien im Düsseldorfer Landesparlament drehte sich vor allem um eine Frage: Müssen die Länder für insgesamt fünf Milliarden Euro an Bundesmitteln aus dem sogenannten Digitalpakt Einschränkungen ihrer Entscheidungsfreiheit bei Bildungsfragen und anderen hoheitlichen Aufgaben in Kauf nehmen? Für NRW steht eine Milliarde aus dem Topf in Aussicht.

Nach dem Willen der Bundesregierung und des Bundestags soll eine Grundgesetzänderung künftig die gemeinsame Finanzierung großer Schul- oder auch Kita- und Wohnungsbauvorhaben regulär ermöglichen. Alle 16 Bundesländer haben jedoch eine solche Änderung abgelehnt und wollen den Konflikt im Vermittlungsausschuss klären. Sie fürchten um ihre Entscheidungshoheit und wollen sich nicht zu einer Kofinanzierung von 50 Prozent der Summe zwingen lassen.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) teilt zwar die Kritik an der Kofinanzierungsquote, setzt aber andere Prioritäten: «Der Digitalpakt muss kommen, und zwar schnell», bekräftigte sie. «Ich kann, will und darf als Schulministerin nicht auf die Milliarde verzichten.» Ihr Ministerium habe die Digitalisierung der Schulen akribisch vorbereitet. «Der letzte wichtige Finanzierungsbaustein ist der Digitalpakt.»

Deutschland könne es sich nicht leisten, von der weltweiten Entwicklung abgehängt zu werden, mahnte die FDP-Politikerin. «Beste Bildung für heute und morgen gibt es nicht mit der Ausstattung von gestern.» Natürlich sei bei einer «Anpassung der Verfassung» Sorgfalt geboten. Nach zweieinhalb Jahren Debatte sei aber endlich zu entscheiden. «Es geht nicht darum, hier schnell Kasse zu machen.» Der Vermittlungsausschuss müsse aber eine Lösung finden, die über den Digitalpakt hinaus tragfähige Finanzierungsmöglichkeiten auch für andere große Aufgaben wie den Ganztag und die Integration schaffe.

„Köder“ aus Berlin

Dagegen warnte CDU-Fraktionsvize Marcus Optendrenk, sich mit dem «Köder» aus Berlin nicht Entscheidungshoheit, Kontroll- und Budgetrechte abkaufen zu lassen. Bundestag und Bundeskanzleramt hätten nicht die Kompetenz, über die Bildung in den Ländern mitzubestimmen. Dass SPD und Grüne davor die Augen verschließen und den Digitalpakt durchwinken wollten, sei «ein Beispiel von Selbstverzwergung».

SPD und Grüne dringen darauf, die Mittel ab 2019 fließen zu lassen. Die Koalitionsfraktionen stimmten immerhin zu, sich dafür bei der Bundesregierung einzusetzen. SPD-Vize Jochen Ott warf Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor, den Pakt bislang nur zu blockieren, ohne Alternativen vorzuschlagen. «Sie haben Lösungen nicht im Angebot.»

Die Grünen-Abgeordnete Sigrid Beer fragte, warum Laschet als CDU-Bundesvize nicht viel früher eingegriffen habe. «Sie bekommen nichts mit oder Sie bekommen nichts gebacken», warf sie dem Regierungschef vor. «Auf den letzten Metern» spiele Laschet nun «Bremstonne».

Ihrer Aufforderung, sich in der Debatte zu erklären, folgte Laschet nicht. Bei einer von den Grünen initiierten Abstimmung über eine Passage des schwarz-gelben Koalitionsvertrags wollten sich CDU und FDP nicht aufs Glatteis führen lassen. Dort heißt es, bei den großen bildungspolitischen Voraussetzungen müssten alle gesetzlichen Hürden, die einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung im Wege stehen, beseitigt werden. An das Zitat hängten die Grünen in ihrem Antrag die Schlussfolgerung: «Deshalb darf NRW die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung im Bundesrat nicht blockieren.»

Dieser Satz zeige, dass die Grünen das Problem nicht verstanden hätten, begründete CDU-Politiker Optendrenk die Ablehnung des Antrags. Die FDP-Abgeordnete Franziska Müller-Rech betonte, dass Differenzen im schwarz-gelben Bündnis erlaubt seien. «Das führt nicht gleich zur Koalitionskrise. Sie schaffen es nicht, uns zu entzweien.»

Die AfD warnte vor einer Grundgesetzänderung: Folge wäre eine zentrale Steuerung des Bildungswesens in Deutschland und letztlich eine Vereinheitlichung des Bildungswesens in der Europäischen Union, sagte Fraktionsvize Helmut Seifen. Von Bettina Grönewald, dpa

Söder pocht auf Zuständigkeit der Länder

BERLIN. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) pocht vor der Bundesratsdebatte über den milliardenschweren Pakt zur Digitalisierung von Schulen auf die Kernzuständigkeit der Länder. «Bildungspolitik ist Urkompetenz der Länder», sagte der designierte CSU-Chef am Donnerstag bei einer Feier zum 20-jährigen Bestehen der Bayerischen Landesvertretung in Berlin. Deswegen sei bei dieser Frage der Nerv der Länder parteiübergreifend getroffen. Hier müssten die Kompetenzen sauber geordnet werden, verlangte Söder.

Das offizielle Porträt des bayerischen Ministerpräsidenten. Foto: Bayerische Staatsregierung

Die Länder seien nicht einfach nur nachgeordnete Behörden des Bundes, sondern hätten einen eigenen Gestaltungsanspruch: «Der Bundesrat ist ja nicht etwa eine untergeordnete Instanz des Bundestages, sondern ein gleichberechtigtes Organ der Gesetzgebung in unserer verfassungsmäßig föderalen Struktur», erklärte Söder.

Die Länder wollen bei der vom Bundestag beschlossenen Grundgesetzänderung zur Schuldigitalisierung an diesem Freitag im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Grundgesetzänderung soll die Mitfinanzierung der Schulen durch den Bund mit fünf Milliarden Euro ermöglichen. Die Schulen sollen von 2019 an schrittweise mit Digitaltechnik wie Tablet-Computern und Wlan ausgestattet werden und diese pädagogisch sinnvoll einsetzen.

Söder sagte: «Wir sind nicht dagegen, wenn der Bund Geld geben will – gerne auch mehr.» Es handele sich aber letztlich um zwei Tablets pro Klasse. «Das ist jetzt schon nett. Aber man könnte auch mehr machen, wenn man wollte.» Der Regierungschef schlug vor, den Digitalpakt massiver umzusetzen mit einer Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer. Nötig sei dafür ein «Staatsvertrag, der die Rechte und Aufsichten zwischen Bund und Ländern klärt». dpa

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