Wie der Fachunterricht dazu beitragen kann, Kindern Deutsch zu vermitteln

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HAMBURG. Im Alltag können sich Flüchtlingskinder meist schnell auf Deutsch verständigen. Aber in der Schule gibt es Probleme, etwa in Mathe bei Textaufgaben. Ein Hamburger Modellprojekt will Fachlehrer fitmachen, die Sprachlücken ihrer Schüler quasi nebenbei zu schließen.

Zehntausende von Flüchtlingskindern müssen in den Schulen sprachlich und sozial integriert werden. Foto: UK Departement for Development / flickr (CC BY 2.0)
Im Fachunterricht können Flüchtlingskinder durchaus Erfolgserlebnisse sammeln. Foto: UK Departement for Development / flickr (CC BY 2.0)

Auch Mathe-, Bio- oder Geschichtslehrer sollen in Hamburg künftig Flüchtlingskinder sprachlich fördern. Mit einem fächerübergreifenden Modellprojekt will Hamburg die Integration an den Schulen voranbringen. So soll ein Mathelehrer in der Lage sein, einem Schüler mit geringeren Deutschkenntnissen das Lösen von Textaufgaben beizubringen. Das Projekt des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung nennt sich «Deutsch als Zweitsprache im Fachunterricht». Die 43 teilnehmenden Schulen bekommen vom Institut neue Unterrichtsmaterialien. Rund 2000 Lehrer haben in den vergangenen zwei Jahren Fortbildungsveranstaltungen besucht, wie Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Montag sagte.

Mehr als 5700 Flüchtlingskinder gehen derzeit in reguläre Klassen, weitere 3100 lernen in internationalen Vorbereitungsklassen. An den 360 Hamburger allgemeinbildenden Schulen gibt es insgesamt mehr als 199 000 Schüler. Für die Sprachförderung wurden 800 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen. In eine reguläre Klasse dürfen höchstens vier Flüchtlingskinder aufgenommen werden.

Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben aber nicht nur Flüchtlingskinder, wie Rabe erklärte. Rund die Hälfte der Grundschüler haben einen Migrationshintergrund. Ob sie oder auch Kinder aus schon lange in Deutschland lebenden Familien Förderbedarf haben, lässt Hamburg in einer Untersuchung im Alter von viereinhalb Jahren feststellen. Die besondere Sprachförderung beginnt bei Bedarf in der Vorschule.

In der Vergangenheit hätten die Hamburger Schüler in ihren sprachlichen Fähigkeiten im bundesweiten Vergleich etwa ein halbes Jahr im Rückstand gelegen, sagte Rabe. Inzwischen hätten die jungen Hanseaten ein Vierteljahr gutgemacht. Weil der bundesweite Schnitt zugleich um ein Vierteljahr zurückgefallen sei, lägen die Hamburger Schüler nun genau im deutschen Durchschnitt, sagte Rabe.

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Der Senator und die Koordinatorin des Projekts Deutsch als Zweitsprache, Marika Schwaiger, betonten, dass die sprachliche Förderung im Fachunterricht nicht mehr Zeit koste. «Fachunterricht bleibt Fachunterricht», sagte Schwaiger. Als methodisches Beispiel zeigte sie einen «Textaufgabenfächer», der den Lösungsweg in kleinen Schritten mit wenigen Stichwörtern und Zeichnungen erklärt. Davon würden auch Schüler ohne Flüchtlingshintergrund profitieren.

Pädagogischer Kniff

Die Schulleiterin der Grundschule Ohrnsweg, Susanna Siegert, berichtete von einem anderen pädagogischen Kniff: In ihrer Schule würden die Einrichtungsgegenstände mit grünen, blauen und roten Punkten markiert. Die Farben stünden für den richtigen Artikel des Begriffs. Blau stehe für «der» (männlich), finde sich also etwa in der Sporthalle am Barren. Ganz nebenbei lernten die Kinder, das Geschlecht der Nomen zu unterscheiden. Die Schule im Stadtteil Neugraben-Fischbek liegt ganz in der Nähe einer Erstaufnahme für Flüchtlinge.

Die Unterrichtsmaterialien gibt das Lehrerbildungsinstitut in Ordnern heraus. Der erste trägt den Titel «Grammatisches Geländer», der zweite «Miteinander leben – Grundrechte vertreten – Gesellschaft gestalten». Zwei weitere – mit Material zum Schreibunterricht sowie zur Sprachförderung in Mathematik, Naturwissenschaften, Gesellschaft und Englisch – sollen in Kürze an die Schulen ausgeliefert werden. Rabe rechnet damit, dass sich demnächst zehn bis 30 weitere Schulen zur Teilnahme an dem Modellprojekt entschließen. Am Geld werde es nicht scheitern, versicherte er.

Nach Ansicht der Opposition in der Bürgerschaft reichen die Anstrengungen zur sprachlichen Integration bei weitem nicht aus. «Senator Rabe verspricht den Hamburger Schülern „Rückenwind“, liefert aber nur ein laues Lüftchen», erklärte die FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein. Die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver forderte, die Sprachlehrer aus den Vorbereitungsklassen in den regulären Schuldienst zu übernehmen. Die Linken-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus verlangte, den Stadtteilschulen mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen. dpa

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