Katholiken-Präsident: Schule muss Orientierung geben – gerade im Digitalzeitalter

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KÖLN. Im Kampf gegen Hass im Netz sind nicht nur Eltern, sondern auch Kitas und Schulen gefragt, findet Prof. Dr. Thomas Sternberg. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (und Honorarprofessor für Kunst und Liturgie an der Westfälischen Wilhelms-Universität) fürchtet: Die Anonymität im Internet lässt Werte und Normen unserer Gesellschaft in Vergessenheit geraten. Ein Gespräch im Vorfeld der Bildungsmesse didacta, die bald in Köln stattfindet – und sich schwerpunktmäßig mit der Digitalisierung beschäftigt.

„Die Anonymisierung, Verwendung von Falschnamen oder falschen Persönlichkeiten: das halte ich für eine der bedenklichsten Entwicklungen des Netzes”: ZDK-Präsident Thomas Sternberg. Foto: ZDK

Herr Sternberg, welche Werte sollten Kindern und Jugendlichen im Zuge der Digitalisierung vermittelt werden?

Sternberg: Im Grunde die gleichen Werte wie früher. Nur steht heute die Frage der Mediennutzung im Mittelpunkt und wie diese individuell gesteuert werden kann. Die Entstehung von Echo-Räumen wird das große Thema sein, das auch technisch erklärt werden muss.

Steuern heute bereits Computer unsere Wertebildung?

Sternberg: So weit würde ich nicht gehen, aber es deutet sich schon eine Tendenz an. Dennoch bin ich weit davon entfernt, die Digitalisierung und digitale Medien zu verteufeln. Wir müssen Kindern aber beibringen, wie sie damit richtig umgehen können und welche Manipulationsmöglichkeiten im Hintergrund lauern. Das wissen Kinder leider nicht. Das wissen allerdings auch viele Erwachsene nicht.

Wo sehen Sie konkrete Gefahren?

Sternberg: Jugendgefährdende Seiten sind viel zugänglicher als früher. Jugendschutz können Sie im Internet heute vielfach vergessen. Für mich ist die Frage wichtig: Was erfahren Kinder im Internet und wie findet dort die Themenauswahl durch die Algorithmen der Suchmaschinen statt? Diese Technik steht ja hinter dem Informationsangebot, dem individuellen Nutzerprofil. Das muss man den Kindern klar machen. Wir brauchen dringend gesetzliche Rahmenbedingungen, die das offenlegen. Die Behauptung der Plattformbetreiber, sie böten nur eine neutrale Ebene, auf der Nutzer ihre Inhalte anbieten könnten, ist blödsinnig. Da könnte auch jeder Zeitungsverleger sagen: Ich biete nur das Papier und jeder darf darauf schreiben, was er möchte. Wir brauchen eine Übertragung pressegesetzlicher Regeln auf das Internet. Damit dort nicht das passiert, was im Moment stattfindet: übelste Hetze, Bruch aller Tabus, Hass-Mails – und das alles unter dem Deckmantel der Anonymität.

Warum versagt hier der menschliche Wertekompass, der unsere Gesellschaft im Face-to-Face-Alltag zusammenhält?

Sternberg: Brutalisierung gelingt über anonyme Medien sehr viel einfacher. Offensichtlich fällt es einigen Menschen leichter, ihre ganze Wut anonym am Rechner herauszulassen als Face-to-Face. Dieses Verhalten ist aber eine Frage der Erziehung und hat zunächst noch nichts mit der Digitalisierung zu tun. Diese erleichtert einfach solche Äußerungen. Digitalisierung hat an sich gar keine Auswirkungen auf die Wertebildung. In der Ethik wird zum Beispiel das Bild des Messers gebraucht: Sie können mit einem Messer Gemüse schneiden oder einen Menschen umbringen. Das Messer an sich ist dabei ein ethisch nicht qualifizierbares Instrument. Die Frage ist, wie ich es benutze.

Aber es gibt doch immer ein Design, das ich ethisch hinterfragen kann.

Sternberg: Natürlich ist die Frage, wie ich Medien gestalte. Sie ist bei digitalen Medien viel komplexer und das Design ist viel besser zu verheimlichen. Wer weiß denn, was da im Hintergrund stattfindet?

Welche Bedeutung hat auch ein sich auflösender Wahrheitsbegriff auf die Moral im Netz?

Sternberg: Das ist ein großes und wichtiges Thema, das aber gar nicht so viel mit dem Internet zu tun hat. Wir sprechen hier über den Wahrheitsbegriff der Naturwissenschaften: nach dem nur das wahr ist, was so lange funktioniert, bis es falsifiziert wird. Dieser Wahrheitsbegriff wird mittlerweile auch auf das alltägliche Leben angewendet, obwohl die Menschen nach persönlichen Wahrheiten leben. Daher hat für mich die Schule nicht die Aufgabe, immer mehr Informationen zu vermitteln, sondern bei der Unterscheidung zu helfen: Was ist eigentlich wichtig für mein Leben und was ist nicht so wichtig? Da sind wir bei den ganz alten philosophischen Fragen. Durch die Digitalisierung werden wir auf jeden Fall noch stärker darauf achten müssen, woher wir unsere Informationen bekommen.

Wie kann die Sensibilität für sein Gegenüber im Internet bei Kindern und Jugendlichen geschult werden?

Sternberg: Ich würde wie im Presserecht fordern, dass auch im Internet grundsätzlich mit Klarnamen und Klaradressen operiert wird. Die Anonymisierung, Verwendung von Falschnamen oder falschen Persönlichkeiten halte ich für eine der bedenklichsten Entwicklungen des Netzes.

Welchen Stellenwert nehmen Kita und Schule bei der Wertevermittlung ein?

Sternberg: Einen ganz zentralen, weil digitale Medien zunehmend Lebensräume der Kinder sind. Wertevermittlung findet aber primär durch Menschen statt. Es wird umso mehr auf Erzieher und Lehrer ankommen.

didacta
didacta

KÖLN. Vom 19. bis 23. Februar 2019 führt die didacta als weltweit größte Bildungsmesse wieder Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Köln zusammen. Das Thema Medienbildung ist auf der Messe ein Schwerpunktthema – hier sind Veranstaltungen dazu:

Forum Unterrichtspraxis
Medienbildung und digitale Bildung – Blinder Aktionismus oder sinnvolle Veränderungen

  • Florian Nuxoll, Englischlehrer an der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen und Lehrbeauftragter an der Eberhard Karls Universität Tübingen

19.02.2019
12:00 bis 13:00 Uhr
Halle 8, Stand D 20/E 21
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

Forum Unterrichtspraxis
Medienkompetenz in der Grundschule vermitteln: mit Smartphone, Tablet oder Notebook sinnvoll und sicher arbeiten

  • Sandra Bülow, Lehrerin für die Primarstufe

19.02.2019
14:00 bis 15:00 Uhr
Halle 8, Stand D 20/E 21
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

Forum Unterrichtspraxis
Generation Online – Eine medienpsychologische Perspektive auf die Herausforderungen der Digitalisierung

  • Dr. Astrid Carolus, Akademische Rätin, Medienpsychologin, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

21.02.2019
14:00 bis 15:00 Uhr
Halle 8, Stand D 20/E 21
Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

Forum Berufliche Bildung
Ethik in der Digitalisierung

  • Prof. Dr. Markus Kiefer, FOM – Hochschule für Oekonomie und Management.
  • Moderation: Kate Maleike, Deutschlandfunk

20.02.2019
11:15 – 12:00 Uhr
Halle 6, E71
Veranstalter: Didacta Verband e. V.

Forum didacta aktuell
Orientierung in der digitalen Welt – warum Kinder Werte brauchen

  • Prof. Dr. Michael Piazolo, Bayerns Staatsminister für Unterricht und Kultus im
  • Didacta-Präsident Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis

20.02.2019
12:00 – 12:45 Uhr,
Halle 8, B51
Veranstalter: Didacta Verband e. V.

Forum didacta aktuell
Schule hat eine Seele

  • Pfarrer Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland,
  • Sozialpfarrer Franz Meurer, Pfarrer in Köln-Höhenberg
  • Köln-Vingst und Gabriele Vogt, Leiterin der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamtschule in Krefeld.
  • Moderation: Daniel Schneider

21.02.2019
14:00 – 14:45 Uhr
Halle 8, B51
Veranstalter: Didacta Verband e. V.

Forum didacta aktuell
Bildung braucht digitale Kompetenz – was zeichnet einen kindgerechten Umgang mit digitalen Medien aus?
Diskussion mit

  • Dr. Dagmar Berwanger, Staatsinstitut für Frühpädagogik
  • Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis, Didacta Verband der Bildungswirtschaft
  • Prof. Dr. Julia Knopf, Universität des Saarlandes.
  • Moderation: Sonja Ritter, Didacta

21.02.2019
15:00 – 15:45 Uhr
Halle 8, B51
Veranstalter: Didacta Verband e. V.

VBE-Studie: Lehrer und Eltern sehen Werteerziehung als wichtigen Auftrag für die Schule – Ansprüche scheitern aber oft an fehlender Zeit

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