Das Gesicht der deutschen Protestwelle: Wie die Studentin Luisa Neubauer für mehr Klimaschutz kämpft

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BERLIN. Seit Monaten demonstrieren auch in Deutschland Jugendliche immer freitags für mehr Klimaschutz. Luisa Neubauer ist eine der Organisatorinnen der Bewegung «Fridays for Future». Gelingt es ihnen, Politik und Wirtschaft wachzurütteln?

Gemeinsam auf einer Demo in Hamburg: Luisa Neubauer (l.) und die schwedische Schülerin Greta Thunberg, die mit ihrem zunächst einsamen Protest in Stockholm die weltweite Bewegung ausgelöst hat. Foto: C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org

Auf einer kleinen Bühne in einem Berliner Park, eher einer Grünfläche, steht Umweltaktivistin Luisa Neubauer vor Tausenden Demonstranten. «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut», ruft die 22-jährige Studentin ins Mikrofon. Die anderen Demonstranten stimmen ein, sie wird mit viel Applaus gefeiert. Überwiegend Schüler und Studenten haben sich hier zusammengefunden, um von Politikern und Wirtschaftsbossen mehr Klimaschutz einzufordern.

Weltweit waren am Freitag mehr als 2000 solcher Kundgebungen in rund 125 Ländern geplant. Die Bewegung «Fridays for Future» hat damit vorerst ihren Höhepunkt erreicht und mit ihrem «Global Strike For Future» ein Ausrufezeichen gesetzt.

Neubauer hat den Protest für Berlin angemeldet. «Das Klima ist hoffnungsloser als unsere Abi-Klausur in Mathe», steht auf einem Plakat. Es sind mehr als zehntausend Unterstützer gekommen, wie auch in Köln und München. Bundesweit sind es nach Schätzungen der Bewegung rund 300.000. Demonstriert wird am Freitag auch in anderen europäischen Metropolen wie Rom, Wien, Warschau, London und Madrid.

Ausgelöst wurde die weltweite Bewegung von der 16-jährigen schwedischen Schülerin Greta Thunberg. Thunberg selbst demonstriert an diesem Freitag in Stockholm. Auch in Düsseldorf ist sie dabei – allerdings nur als mahnende Pappmaché-Figur. «Tut endlich was gegen die Klimakatastrophe!» steht darauf.

Mittlerweile demonstrieren aber nicht nur Schüler und Studenten. Mehr als 23 000 Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben eine Stellungnahme unterzeichnet, in der sie die «Fridays for Future»-Bewegung unterstützen. «Jede Woche schließen sich mehr Menschen an», berichtet Neubauer im Gespräch. «Jede Woche verändert sich auch so ein ganz bisschen die Zusammensetzung der Menschen. Das ist ganz wichtig. Wir jungen Menschen können nicht die Hausaufgaben einer ganzen Republik machen.»

Auch Eltern stellen sich mit «Parents for Future» an die Seite der Jugendlichen. Sie bitten unter anderem darum, auf Schulverweise oder andere disziplinarischen Maßnahmen zu verzichten, wenn Schüler für Proteste den Unterricht schwänzen.

Neubauer kennt die Probleme. «Auch ich bin schon durch einen Test gefallen und habe den nicht bestanden. Immer wieder bekommen junge Menschen Schuleinträge oder manchmal auch einen Tadel oder eine Sechs. Wir haben aber ein Team bei uns in der Bewegung, das sich um so was kümmert», erzählt die Studentin.

Veränderungen einfordern

Das sind Konsequenzen, die sie und andere in Kauf nehmen. Denn Neubauer vermisst die Bereitschaft in der Politik, wirklich etwas für den Klimaschutz zu verändern. Mit einem Lob, wie jüngst von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), kann sie nur wenig anfangen: «Dass Frau Merkel uns als Bewegung begrüßt, ist ja klimapolitisch irrelevant. Wir fordern, dass sie klimapolitische Maßnahmen einleitet. Das ist ihr Job.» Die Rolle der Bewegung sei, dass sie Veränderungen einfordern müssten von der Politik. Die Bereitschaft von selbst aktiv zu werden, sei nicht da.

Dabei sind die Aufgaben in Sachen Klimaschutz groß. Schon jetzt hat sich die Erde nach Befunden des Weltklimarats IPCC um etwa ein Grad erwärmt, in Deutschland sogar noch etwas stärker. Geht es weiter wie bisher, ist Ende dieses Jahrhunderts die Welt wohl gut drei Grad wärmer. Die fatalen Folgen je nach Region: mehr Hitzewellen, längere Dürren sowie mehr Stürme, Starkregen und Hochwasser. Um den Trend zu stoppen, muss der Ausstoß von Treibhausgasen etwa aus der Verbrennung von Kohle und Öl oder auch der Tierhaltung stark reduziert werden.

Auch Thunberg formuliert radikale Forderungen. «Wir stehen vor der größten existenziellen Krise, vor der die Menschheit jemals gestanden hat. Und trotzdem ist das ignoriert worden. Ihr, die das ignoriert habt, wisst, wer gemeint ist», sagt die 16-Jährige vor Tausenden jubelnden Demonstranten in Stockholm.

Auch wegen solch pointierter Äußerungen kommt aus der Politik teilweise Kritik. FDP-Chef Christian Lindner sagte zuletzt, dass man von Kindern und Jugendlichen nicht erwarten könne, die Zusammenhänge der Klimakrise zu verstehen. Das sei eine Sache für Profis.

Neubauer gesteht zwar ein, dass die Aufgabe unheimlich komplex sei. Es gebe aber Expertinnen und Experten, wie die unterstützenden Wissenschaftler, die Lösungsansätze haben.

Doch wie soll es weitergehen mit den Protesten? Seit mehreren Monaten gibt es die Kundgebungen am Freitag nun. Ein Ende ist nicht absehbar. «Das ist erst der Anfang. Und es wird noch richtig krass werden», sagte Neubauer. «Wir streiken so lange, bis die Regierung einen Plan hat für unsere Zukunft und unseren Planeten.»

Auch die Schwedin Thunberg ist da gleicher Meinung. «Warum in aller Welt sollten wir jetzt damit aufhören? Wir haben noch nicht mal angefangen», sagt die 16-Jährige. Während die Emissionen immer noch anstiegen, gebe es nirgends Anzeichen für ein Umdenken hin zu mehr Klimabewusstsein.

Neubauer pflichtet ihr bei. «Wir sehen, dass sehr viele fähige Menschen im Parlament sitzen, die aber ihren Aufgaben nicht nachkommen.» Mit den bislang wachsenden Demos will Neubauer die «fähigen Menschen» aufmerksamer machen für den Klimaschutz. Auch an den kommenden Freitagen. Von Marc Niedzolka, dpa

Schülerdemos fürs Klima: Immer mehr Erwachsene schließen sich an – auch 23.000 Ärzte und Wissenschaftler

 

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2 Kommentare
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Biene
5 Jahre zuvor

Nett, dass sich die Herrschaften (Eltern wie Schüler) dafür einsetzen! Dann sollten aber auch schon mal von deren Seite Taten folgen:
Kinder mit dem Bus, Fahrrad, der Bahn oder zu Fuß zur Schule schicken statt den SUV bis ins Klassenzimmer zu steuern.
Nicht ständig den Müll auf dem Weg zur Schule in der Umwelt und auf dem Schulhof verteilen.
Auch Umweltpapier aktzeptieren und nicht doof fragen.
Produkte aus der Region kaufen statt jetzt schon die Erdbeeren aus Spanien zu genießen (Wasserverschwendung mit dem Effekt von wildgegrabenen Brunnenschächten, deren Folgen bekannt sind).
Nicht mehr mit dem Flugzeug in den Urlaub sondern mit dem Zug. Gilt auch für den Kurztripp innerhalb Deutschlands und der EU.
ETC.

Ich könnte die Liste jetzt beliebig fortsetzen, unterlasse es aber lieber. Wer möchte darf gerne ergänzen.

LG

Prof. Dr. Horst Falkner 71032 Böblingen Am Stadtgarten 5
5 Jahre zuvor

Ihr Mitwirkung in hart aber fair

Gute Kommentare, aber bitte weniger Arroganz!