Pflegefamilien gesucht: zu wenige Eltern bereit zur Aufnahme

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MÜNCHEN. Jedes Kind braucht ein Zuhause. Doch für immer mehr Kinder ohne Platz in der eigenen Familie werden in vielen Städten dringend Pflegeeltern gesucht. Es fehlt nicht nur am Willen.

In Bayern werden immer mehr Pflegeeltern gesucht. Die Zahl der Pflegekinder nimmt vielerorts zu, wie eine Umfrage bei Jugendämtern ergab. Besonders in vielen Städten sinke zugleich die Bereitschaft, diese Aufgabe zu übernehmen. «Unsere Gesellschaft neigt dazu, sich gerne selbst zu optimieren. Ein Kind hat bei dieser Lebenseinstellung oftmals keinen Platz», sagt Edith Petry vom Sozialreferat München. Allerdings hindere auch die Wohnungsnot viele Familien, ein Pflegekind bei sich aufzunehmen.

Besonders im städtischen Bereich haben Jugendämter Probleme, Pflegeltern zu finden. Foto: Catherine Scott / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)
Besonders im städtischen Bereich haben Jugendämter Probleme, Pflegeltern zu finden. Foto: Catherine Scott / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.0)

Die Landeshauptstadt zahlt Pflegeeltern deswegen zusätzlich zum Pflegegeld einen Mietzuschlag. Mehr als 9,6 Millionen Euro sind in München vergangenes Jahr insgesamt in die Vollzeitpflege geflossen. Trotzdem ist die Stadt ständig auf der Suche nach neuen Pflegeeltern. «Das Stadtjugendamt ist für jeden Interessenten dankbar», sagt Petry. Aktuell leben in München über 630 Kinder in Pflegefamilien, bis nächstes Jahr sollen aber 690 Kinder unterkommen.

Landesweite Zahlen zu Pflegekindern und den nötigen Plätzen liegen im bayerischen Familienministerium nicht vor, wie es auf Anfrage hieß. In Nürnberg werden ebenfalls dringend Pflegeeltern gesucht. «Ich würde schätzen etwa 30 bis 40 pro Jahr», sagt Gisela Duschl, Leiterin des Kinder- und Jugendhilfezentrums (KJHZ) in Nürnberg. «Derzeit ist der Bedarf eher ansteigend.» Aktuell wachsen hier fast 290 Kinder in Pflegefamilien auf.

In Würzburg leben aktuell insgesamt 120 Mädchen und Buben in Pflegefamilien. «In einem Jahr werden ca. 15 bis 20 Kinder in Pflegefamilien vermittelt», sagt Eva-Maria Schorno vom dortigen Landratsamt. Doch es werde immer schwieriger, eine Pflegefamilie zu finden. In Ingolstadt gibt es 26 Pflegefamilien. Auch dort sucht das Jugendamt händeringend nach Eltern.

«Im städtischen Bereich gibt es immer weniger Familien, die Kinder aufnehmen wollen», klagt Sandra Kilian vom Jugendamt Ansbach. Die Stadt versucht deshalb, Pflegekinder in den umliegenden Landkreisen unterzubringen. Fast die Hälfte der 34 Pflegefamilien wohnt nicht in Ansbach, wird aber vom dortigen Jugendamt betreut.

Der Trend in Bayern beunruhigt Monika Görres, stellvertretende Vorsitzende beim Pfad für Kinder, dem Landesverband der Pflege- und Adoptivfamilien in Bayern: «Die Zahl der Kinder, die eine Familie brauchen, nimmt zu, die Zahl der Pflegeeltern verändert sich und nimmt im städtischen Bereich wohl eher ab.»

Der Aufwand für Eltern und Ämter ist zum Wohl des Kindes groß: Schon vor einer Pflege finden mehrere Gespräche und Hausbesuche statt. Das Jugendamt prüft etwa, ob die Partnerschaft der Eltern stabil ist oder das Pflegekind eine brüchige Beziehung retten soll. Wichtig ist auch, dass die Eltern gesund sind, keine Schulden haben und dem Kind ein eigenes Zimmer einrichten können.

Den Unterhalt übernimmt das Jugendamt. Je nach Alter des Kindes zahlt es in Bayern knapp 800 bis rund 1000 Euro pro Monat. Wenn das Kind in der Pflegefamilie lebt, kommt regelmäßig eine Sozialpädagogin oder ein Sozialpädagoge vorbei. Wer will, kann sich beim Pfad für Kinder vernetzen. Der Landesverband der Pflege- und Adoptivfamilien betreibt im Freistaat 25 Ortsgruppen.

Außerdem gibt es regelmäßige Fortbildungen. In Würzburg etwa sind sie sogar verpflichtend: zum Umgang mit den leiblichen Eltern, über traumatisierte Pflegekinder oder zum FAS-Syndrom, wenn die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat. (Mirjam Uhrich, dpa)

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