GIESSEN. Der Kultursoziologe Jörn Ahrens hat sich Comics genauer angeschaut und sich dabei auch mit alten Vorwürfen auseinandergesetzt. Sein Befund: Was einst auf Kritik stieß, ist gerade die Stärke des Genres.
Kreisch, Bumm, Bang: Comics sind oftmals schrill und überzeichnet – was aus Sicht des Gießener Kultursoziologen Jörn Ahrens ihre besondere Kompetenz ausmacht. «Man kann Comics begreifen als ein Stück der Massenkultur und des Spektakels», sagt der Wissenschaftler, der eine neue Studie zu dem Genre vorgelegt hat. Das sei aber nicht trivial oder primitiv – wie es dem Genre früher häufig vorgeworfen wurde. «Der Comic ist ein Medium, das unterhalten will. Aber er findet Drehs, das so zu wenden, dass eine sehr anspruchsvolle Ebene sowohl ästhetisch als auch in der Erzählung entsteht.»
Der Professor für Kultursoziologie an der Uni Gießen hat sich in seiner Untersuchung insbesondere der Darstellung von Gewalt im Comic gewidmet. Der zumindest früher häufig vorgebrachte Vorwurf sei: «Comics verrohen, machen gewalttätig, lösen Aggressionen aus, weil sie Bilder präsentieren, die ungefiltert Gewalt zeigen. Ich argumentiere dagegen.» Und das hat nach Ahrens’ Einschätzung gerade mit dem Spektakel und der Übertreibung in den Bildgeschichten zu tun.
«Der Befund ist der, dass der Comic als Medium eine Bildsprache findet, die – ganz anders als beispielsweise im Film – viel weniger nah an der Realität dran ist», erläutert der Forscher ein Ergebnis seiner Untersuchung, die den Titel «Überzeichnete Spektakel. Inszenierungen zu Gewalt in Comics» trägt. «Comic ist immer nachgezeichnete Realität. Wir haben durch das Gezeichnete immer eine Distanz. Und ich halte die Leser für klug genug, das auch zu sehen und zu verstehen.» Der Comic lädt zur «Überzeichnung, zur grotesken Darstellung ein, und die Überzeichnung macht dann nochmal deutlich: Hier handelt es sich um etwas Nicht-Reales».
Comics erfreuen sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sind die Umsatzanteile der Warengruppe «Comic, Cartoon, Humor, Satire» zuletzt leicht gestiegen, von 7,7 Prozent im Jahr 2015 auf 8,5 Prozent 2017. Eine große Rolle spielen sie demnach im Bereich der Übersetzungen mit einem Anteil von zuletzt 15,2 Prozent. Im Jahr 2017 wurden 1500 Comics ins Deutsche übertragen, knapp 100 mehr als ein Jahr zuvor. (dpa)
Die AfD empört sich über ein Aufklärungsbuch von Janosch – „offensive Frühsexualisierung“