Eisenmann will Hauptschulen erhalten – VBE zeigt sich skeptisch: „Das Sterben ist wohl nicht aufzuhalten“

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STUTTGAR. Hauptschulen sollen erhalten bleiben – das fordert Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) und bereitet nach Angaben ihres Ministeriums einen Gesetzentwurf vor, der bedrohten Standorten helfen soll. Der VBE zeigt sich skeptisch: „Das Hauptschulsterben ist wohl nicht aufzuhalten“, so heißt es.

Das Label „Hauptschule“ verschwindet nach und nach (hier in Wien – in Österreich wurden alle alle Hauptschulen in „Neue Mittelschulen“ umbenannt). Foto: Anton-kurt / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Derzeit erhalten in Baden-Württemberg Schulen, die zwei Jahre in Folge weniger als 16 Anmeldungen für die fünfte Klasse verzeichnen, in der Regel keine neuen Schüler im dritten Jahr. Der Schulbetrieb läuft dann aus. Das soll sich nach Eisenmanns Plänen ändern. Für Haupt- und Werkrealschulen soll künftig nicht mehr nur die Schülerzahl der Eingangsklasse, sondern der Durchschnitt von Klasse fünf bis neun zugrunde gelegt werden. Fast die Hälfte der Absolventen komme nicht gleich zu Beginn in diese Schulen, sondern erst später, etwa von Real- oder Gemeinschaftsschulen, hieß es aus dem Ministerium. Der Blick nur auf die Eingangsklasse werde dem Schultyp nicht gerecht.

Tatsächlich ist der Anstieg der Schülerzahlen dadurch, dass Schüler an höheren Schulformen scheitern, ein bundesweites Problem, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung bereits 2012 ergab. „Besonders problematisch sind die Folgen solcher Abschulungen am unteren Ende des Bildungssystems. Hier fangen Hauptschulen im Laufe der Sekundarstufe I immer mehr Schüler auf, deren Schullaufbahnen durch Misserfolge geprägt sind“, so erklärte die Studienautorin Prof. Gabriele Bellenberg seinerzeit laut einem Bericht von „Spiegel online“. „Damit entwickelt sich diese Schulform zu einer Restschule – sie wird von Eltern gemieden und Schüler gelangen zu großen Teilen unfreiwillig dorthin.“

Die Zahl der Hauptschulen hat sich mehr als halbiert

In den vergangen Jahren hatten auch in Baden-Württemberg immer mehr Haupt- und sogenannte „Werkrealschulen“ (so werden im Land Hauptschulen genannt, die auch den mittleren Abschluss anbieten) schließen müssen. Vor zehn Jahren gab es nach Angaben des Ministeriums mehr als 1200. Mittlerweile sind es noch knapp 460. Auch bundesweit ist der Trend erkennbar: In Deutschland hat sich die Zahl der Hauptschulen seit 2008 auf 2.600 halbiert. Man benötige diese Schulen aber flächendeckend, ihr Bildungsangebot sei unverzichtbar, teilte Eisenmann nun mit. Es sei geplant, dass die Änderungen zum Schuljahr 2020/21 wirksam werden.

Die bildungspolitische Sprecherin vom Koalitionspartner, den Grünen, Sandra Boser, kritisierte den Vorstoß. Man solle stattdessen die Realschulen stärken, die auch den Auftrag hätten, leistungsschwächere Schüler zum Hauptschulabschluss zu führen. Es sollten Schulen geschaffen und erhalten werden, die groß genug seien, um effizient zu arbeiten und gute pädagogische Bedingungen zu bieten, so Boser. Ähnlich äußerte sich die GEW.

VBE: Hauptschullehrern fehlt auch die finanzielle Anerkennung

Der VBE würdigte die „hervorragende pädagogische Arbeit“ der Hauptschule, stellt aber fest: „Die wenigsten Schüler bzw. deren Eltern wählen diese Schulart aus Überzeugung.“ Weil ihr die gesell­schaftliche Anerkennung versagt bleibe, sieht der Verband sie als im höchsten Grad gefährdet an – sie drohe aus der Schullandschaft zu verschwinden. Grundschüler mit einer Hauptschulempfehlung wollen ihren Ab­schluss meist an einer Realschule oder an einer Gemeinschaftsschule ablegen. Und wenn sie sich bewusst für eine Hauptschule / Werkrealschule entscheiden, fänden sie meist gar keine mehr in räumlicher Nähe. Viele beteuerten zwar, wie wertvoll diese Schulart im gegliederten Schulwesen sei, schickten aber die eigenen Kinder auf jede andere Schule – nur nicht auf die Hauptschule.

Das hat dem Verband zufolge auch mit der Anerkennung der Lehrerinnen und Lehrer dort zu tun: Von einer finan­ziellen Würdigung der Arbeit der Hauptschulkollegen habe das Land –  nach einem vorüber­gehenden Versuch, besonders engagierte Kollegen nach A 13 zu befördern – rasch wieder Abstand genommen, bemängelt der VBE. Lediglich neu eingestellte Lehrer an Hauptschulen erhalten jetzt die Besoldung, die auch Realschullehrer bekommen. „Alte Hasen“, die den neuen Lehrkräften in der beamtenrechtlichen Probezeit mit Rat und Tat zur Seite stehen, verdienen jedoch weiterhin deutlich weniger – A12 statt A13. News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Verlierer der modernen Arbeitswelt? – Hauptschüler blicken verunsichert in die Zukunft

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