Lehrer blicken mit Sorge auf das neue Schuljahr: Drohen wieder hoher Unterrichtsausfall und Abordnungschaos?

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HANNOVER. Niedersachsen ist vom Lehrermangel stark betroffen. Für großen Ärger im Land sorgt bereits seit einigen Jahren die hohe Zahl von Abordnungen, die in der Vergangenen immer wieder auch für Chaos in der Personalplanung der Schulen gesorgt hatte Vor allem Gymnasiallehrer müssen immer wieder Löcher stopfen, die in der zu dünnen Personaldecke in den anderen Schulformen aufreißen. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hat zwar Besserung versprochen. Zum bevorstehenden Schuljahresbeginn aber schlagen die Lehrerverbände schon wieder Alarm.

Der Lehrermangel bringt die Kollegien auch in Niedersachsen an ihre Belastungsgrenze. Symbolfoto: Shuttesrstock

Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL/VDR) blickt mit Sorge auf das am Donnerstag beginnende neue Schuljahr. Insbesondere an den nicht-gymnasialen Schulformen würden  zahlreiche Lehrkräfte fehlen, so dass die Unterrichtsversorgung an diesen Schulen wie schon in den letzten Jahren wieder „sehr angespannt und unbefriedigend“ sein werde. Für einen Teil der ausgeschriebenen Stellen im Sekundar-I-Bereich konnten wie schon in den Vorjahren keine geeigneten Bewerberinnen und Bewerber gefunden werden. „Wie sollen die Schulen bei einer so unzureichenden Unterrichtsversorgung neben einem qualitativ hochwertigen Kernunterricht noch ein qualifiziert besetztes Ganztagsangebot und Fördermaßnahmen, die ihren Namen auch verdienen, anbieten können?“, fragt VNL/VDR-Vorsitzender Torsten Neumann.

Abordnungen an andere Schulformen sorgen für Unruhe und Belastungen

Die schon bestehenden Probleme seien auch weiterhin im neuen Schuljahr präsent. Durch die immer noch zu hohe Anzahl von Abordnungen werde die wahre Unterrichtsversorgung kaschiert. Abordnungen, in der Regel nur stundenweise, sorgten für Unruhe und Belastungen. Das treffe sowohl die abgebenden als auch die aufnehmenden Schulen. Neu eingestellte Quereinsteiger, die anstelle von ausgebildeten Lehrkräften eingestellt werden, bedürften einer intensiven pädagogischen Unterstützung und können daher noch nicht voll eingesetzt werden. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Inklusion fehlten an sehr vielen Schulen weiterhin Sonderschullehrkräfte und multiprofessionelle Teams in ausreichender Zahl. „Auch im neuen Schuljahr sind die Lehrkräfte wieder viel zu hoch belastet“, meint Neumann.

Der VNL/VDR-Chef betont: „Diese Einstellungsrunde hat es wieder gezeigt: Es rächt sich jetzt, dass Niedersachsen es versäumt hat, Lehrkräfte an den Grund-, Ober-, Real- und Hauptschulen attraktiver zu besolden. Andere Bundesländer bieten vielfach eine höhere Besoldung und eine niedrigere Stundenverpflichtung als Niedersachsen an. Kein Wunder, wenn etliche Bewerberinnen und Bewerber um Niedersachsen einen Bogen machen. Es wird allerhöchste Zeit, dass Kultusminister Grant Hendrik Tonne für eine höhere Attraktivität des Lehrerberufes wirksame Mittel ergreift, um genügend Stellen im Ober-, Real-, Haupt- und Grundschulbereich besetzten zu können.“

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1.900 freie Lehrerstellen besetzt? GEW: Wir hätten 2.500 Lehrer benötigt

Die GEW schlägt in dieselbe Kerbe. Zwar werde das Kultusministerium offenbar in Kürze verkünden können, dass die Zahl von 1.900 ausgeschriebenen Stellen annähernd besetzt sei. Nach Auffassung der GEW hätten jedoch deutlich mehr Lehrkräfte eingestellt werden müssen, um Unterrichtsausfällen spürbar entgegenwirken zu können. „Im Grunde werden schon jetzt mindestens 2.500 neue Lehrerinnen und Lehrer benötigt“, sagte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth. Darum löse das Erreichen des selbst gesteckten Ziels von 1.900 Stellen bei der GEW keinen Jubel aus. Für das Grund-, Haupt- und Realschullehramt seien zu wenige Bewerbungen eingegangen. In der Folge habe man wieder vermehrt Gymnasiallehrkräfte eingestellt.

„Die Zahl der Abordnungen wird wohl die Höhe des Vorjahres erreichen. Somit kann dieser Wert keineswegs wie angekündigt schrittweise auf null reduziert werden“, kritisierte Pooth. Inzwischen komme es sogar zu Abordnungen nach sofort Neueinstellung oder gegen den Willen der Betroffenen. Im August 2020/21 könnte sich die Lage zuspitzen, schaute die Landesvorsitzende voraus. Neben den turnusgemäß erforderlichen Neueinstellungen zu Beginn des Schuljahres werden in zwölf Monaten durch den doppelten Abiturjahrgang wenigstens 1.250 zusätzliche Lehrkräfte benötigt. „Jetzt hätte erheblich über den Durst eingestellt werden müssen“, betonte Pooth.

Niedersachsen müsse darum dringend Regelungen schaffen, die umfangreiche Investitionen in die Bildung ermöglichen, forderte die GEW-Landesvorsitzende mit Blick auf die weiterhin positive Einnahmesituation. Besonders die SPD solle sich auf ihre Forderung nach Chancengleichheit aller Kinder besinnen. „Handeln statt ankündigen muss nun die Devise sein“, sagte Pooth. Eine Imagekampagne – wie sie das Kultusministerium plant – sei allerdings verfehlt. „Die Missstände müssen beseitigt werden, nicht beschönigt“, betonte sie.

„A13 für alle Lehrer an Grund-, Haupt, Real- und Oberschulen“

Im Einzelnen verlangte die GEW einen verbindlichen Stufenplan zu A 13 und E 13 für Lehrkräfte an Grund-, Haupt, Real- und Oberschulen sowie sofortige Entlastungsmaßnahmen für alle besonders belasteten Bereiche. Dazu regte sie freiwillige, verzinste Arbeitszeitkonten an, um die Mehrarbeit von heute später ausgleichen zu können. Besonders wichtig sei zudem das vollständige Ende der Zwangsteilzeit bei pädagogischen und therapeutischen Fachkräften, weil dies zur Entlastung der Schulen insgesamt führen könne. News4teachers

Lehrermangel: Deutscher Lehrerverband rechnet aktuell mit 15.000 unbesetzten Stellen

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