Schock-Studie: Keine Berufsgruppe hat nach Ansicht der Bürger so viel an Respekt verloren – wie Lehrer

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BONN. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ließ das Ansehen von Berufsgruppen in der Gesellschaft untersuchen. Das Ergebnis ist aus Lehrersicht erschütternd: Lehrer finden sich in der Rangliste auf dem vierten Platz – von unten. Keine andere Berufsgruppe hat nach Ansicht der Bürger so viel an Respekt verloren.

Das auch noch: Das Ansehen von Lehrern in der Gesellschaft rangiert offenbar weit unten. Foto: Shutterstock

Immer wieder liest man von Behinderung von Rettungskräften, Gewalt gegen Polizisten oder Lehrer und der Herabwürdigung ganzer Berufsgruppen, wie es sich zum Beispiel in der Verunglimpfung von Journalisten als „Lügenpresse“ widerspiegelt. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung ließ deshalb untersuchen: Welche Gruppen genießen in der Wahrnehmung der wahlberechtigten Bevölkerung gesellschaftlichen Respekt? Fragt man Bürger direkt, ob sie einer bestimmten Berufsgruppe Respekt entgegenbringen, antworten sie „sozial erwünscht“, also das, von dem sie glauben, was der Interviewer von Ihnen hören möchte: Ja. Die Meinungsforscher des beauftragten Instituts Kantar wollten nun laut „Süddeutscher Zeitung“ diesen Effekt vermeiden. Und haben deshalb allgemeiner danach gefragt, was wohl nach Ansicht des Befragten in der Gesellschaft gelte.

Lehrer rangieren in der Rangliste auf dem vierten Platz – von unten

Das Ergebnis ist aus Lehrersicht erschütternd. In dieser Rangliste des Ansehens stehen – nicht überraschend – die Politiker hinten. Nur sieben Prozent der Befragten meinen, dass Politikern „sehr viel“ Respekt entgegengebracht wird, weitere 18 Prozent, dass sie „viel“ Anerkennung genießen. Journalisten schneiden mit sieben bzw. 25 Prozent nur wenig besser ab. Auch Gewerkschaftern schreiben nur wenige Bürger „sehr viel“ (10 Prozent) oder „viel“ (23 Prozent) Ansehen zu. Dann – auf dem vierten Platz von unten – kommen schon die Lehrer mit lediglich 14 bzw. 23 Prozent. Acht weitere Berufsgruppen, vom Pfarrer über den Unternehmer bis hin zum Hausarzt, rangieren zum Teil deutlich darüber.

Lehrer haben in dem Ranking am meisten eingebüßt. 42 Prozent der Befragten gaben an, Lehrer hätten früher mehr Anerkennung genossen, lediglich 14 Prozent sagten, der Respekt sei gestiegen. Im Saldo sind das minus 28 Prozent. Ähnlich schlecht steht es um die Hausärzte (minus 21 Prozent), die Polizisten (minus 18) und die Politiker (minus 17).

Woran liegt das? „Der Lehrerberuf verliert an Respekt. Lehrkräfte erzählen, dass sich das Klima in den Schulen verändert und die psychische Gewalt und mangelnde Wertschätzung durch Vorgesetzte zugenommen hätten. Zudem wird vermehrt von Angriffen im Internet gesprochen, auch weil die Verfügbarkeit höher ist: Kinder haben Smartphones und sind technisch fit“, berichtet Univ.-Prof. Dr. med. Claas Lahmann vom Universitätsklinikum Freiburg, der auf der Bildungsmesse didacta in einer Podiumsdiskussion zum Thema sprechen wird. „In Freiburg widmen wir uns in einem Lehrercoaching der Prävention der berufsbezogenen Belastungen bei Lehrkräften. In den Gruppen wird auch berichtet, dass sich die Situation bei Elternabenden verschärft hat. Die Vorwürfe der Eltern hätten zugenommen.“

Lahmann verweist auf eine Umfrage des VBE unter Lehrern, wonach bereits 23 Prozent psychische Gewalt, sechs Prozent physische Gewalt und zwei Prozent Cybergewalt erlebt haben (News4teachers berichtete).

Wie genau sieht Gewalt gegen Lehrkräfte aus? „Psychische Gewalt können Beleidigung und Beschimpfungen der Lehrer im Unterricht sein. Manche Schüler kommentieren beispielsweise das Aussehen der Lehrkräfte, sagen Dinge wie ‚Dass Sie keinen Mann finden, ist ja kein Wunder‘“, so berichtet der Mediziner. „Physische Gewalt kann direkt sein, dazu gehören aber auch Bedrohungen. Das geht teilweise so weit, dass Lehrkräfte wirklich geschlagen oder mit Messern bedroht werden. Wenn ein Kollege in ein Foto montiert wird oder Mails in seinem Namen versendet werden, ist das ein Beispiel für Cybergewalt. Schuldig sind aber nicht immer nur die Schüler. Bei Elternabenden kann es Situationen geben, in denen Lehrkräfte physisch von den Eltern angegangen werden. Es gibt zudem durchaus psychische Gewalterfahrungen durch Kollegen und Vorgesetzte.“

„Lehrer können sich auch selbst schützen“

Wie kann dieser Entwicklung entgegengewirkt werden? Lahmann: „Es muss ausreichend Sensibilität für dieses Problem geschaffen werden – im Kollegium, bei Vorgesetzten und in Schulämtern. Führungskräfte müssen in Seminaren lernen, inwiefern sie ihren Führungsstil optimieren können, sodass Mitarbeiter gesund bleiben.“ Das sei in der Wirtschaft verbreitet, nicht aber im Bereich Schule. „Lehrkräfte können sich zudem selbst schützen. Sie haben eine hohe soziale Verantwortung und sind sehr engagiert. Sie neigen dadurch häufig zur Verausgabung. Wenn dann Seitenwind kommt, geraten sie schnell in Schieflage. Sie müssen darauf achten, die übrigen Bereiche ihres Lebens, die nichts mit Schule zu tun haben, ausreichend zu pflegen. Sie müssen ihre Ressourcen durch die Dinge im Leben aktivieren, die ihnen Kraft und Energie geben“, erklärt der Mediziner. Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zur Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung.

didacta 2020

Die didacta findet vom 24. März 2020 bis 28. März 2020 in der Messe Stuttgart statt. Diese Veranstaltungen im Rahmen der Bildungsmesse passen zum Thema:

Forum Bildung – Gewalt gegen Lehrkräfte: Wehrlos und allein gelassen?

Gerhard Brand, Vorsitzender VBE Baden-Württemberg
Univ.-Prof. Dr. med. Claas Lahmann, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Universitätsklinikum Freiburg
Dr. Thomas Riecke-Baulecke, Leiter Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL)
24.03.2020, 14:45 bis 15:45 Uhr, Halle 3, Stand 3E72, Veranstalter: Verband Bildungsmedien e. V.

Forum didacta aktuell – Was brauchen Schulen, um sich weiter zu entwickeln?

Christine Georg, Leiterin Schule am Mainbogen, Frankfurt a.M.
Stefan Küpper, Arbeitgeberverbände Baden-Württemberg
Volker Schebesta MdL, Staatssekretär im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg
Prof. Dr. Anne Sliwka, Universität Heidelberg
Moderation: Dr. Jan Martin Wiarda, Journalist

26.03.2020, 11:00 – 11:45, Halle 8, Stand 8B32, Didacta Verband e. V.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Ein Leser kommentiert auf der Facebook-Seite von News4teachers:

Weltlehrertag! Immer mehr Arbeit, immer weniger Respekt: Verbände fordern endlich Wertschätzung für Lehrerinnen und Lehrer

 

 

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