Lorz erlaubt (ein paar) Schulen, Ziffernoten abzuschaffen – ein Tabubruch?

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WIESBADEN. Hessen will einer begrenzten Zahl von Schulen ermöglichen, mit fächerübergreifendem Unterricht und jahrgangsübergreifenden Lerngruppen eigene pädagogische Konzepte umzusetzen. Nach dem in kontroverser Debatte am Donnerstag im Landtag diskutieren Antrag von CDU und Grünen können die Schulen auch freiwillige schriftliche Bewertungen als Ergänzung oder anstelle von Ziffernoten vergeben. Bis zu 30 Schulen im Jahr sollen dieser erweiterten Handlungsspielräume ab dem nächsten Schuljahr gewährt werden. Kritik kam bereits vom Deutschen Lehrerverband.

Sieht keine Abkehr vom Leistungsprinzip: Hessens Kultusminister Alexander Lorz. Foto: HKM/ Patrick Liste

Kultusminister Alexander Lorz (CDU) verteidigte die Initiative im Plenum in Wiesbaden gegen die deutliche Kritik von AfD, FDP und Linken. Es sei unsäglich, die Diskussion über diese pädagogischen Möglichkeiten nur auf die Abschaffung der Ziffernoten zu reduzieren, mahnte Lorz. Auch der CDU-Bildungsexperte Armin Schwarz betonte, dass in Hessen weder Bewertungen noch Noten abgeschafft werden. Zu jeder Zeit seien die Lehrer an den betroffenen Schulen in der Lage, etwa bei einem Schulwechsel die schriftliche Beurteilung in eine Note umzuwandeln.

Der SPD und den Linken geht das Konzept nach einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ nicht weit genug. Der SPD-Politiker Christoph Degen berichtete von seinen eigenen Erfahrungen als Lehrer an einer Förderschule. Dort gebe es schon lange keine Ziffernnoten und einen fächerübergreifenden Unterricht. Die Übertragung dieser Prinzipien auf einige wenige allgemeinbildende Schulen nannte Degen der Zeitung zufolge einen „zaghaften Versuch“. Notwendig sei aber, dass sie eine stärkere Aufstockung der Lehrerstellen bekämen als geplant.

Meidinger: „Schüler haben ein Recht auf Noten!“

Voraussetzungen für die Genehmigung dieses neuen pädagogischen Weges ist Angaben des Kultusministeriums zufolge, dass die Schule ein entsprechendes Konzept vorlegt. Der Antrag auf Umwandlung in eine pädagogisch selbstständige Schule bedürfe zudem eines Beschlusses der Schulkonferenz, der Zustimmung des Schulelternbeirats und der Zustimmung des Schülerrates. Die Bewerbungsfrist für die erste Runde läuft bis Mitte April; im nächsten Schuljahr soll es dann losgehen, so berichtet die „Gießener Allgemeine“.

Bereits im vergangenen Jahr hatte Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, den hessischen Modellversuch scharf kritisiert. „Schüler haben ein Recht auf Noten“, sagte er gegenüber dem „Focus“, genauso wie ihre Eltern. „Denn Noten sind ein relativer Hinweis auf den Leistungsstand.“ Nur so könnten Schüler einschätzen, ob Handlungsbedarf bestehe. „Verbalbemerkungen sind schwer lesbar“, meinte Meidinger. Es bestehe die Gefahr, dass Bildungsstandards aufgeweicht würden. Der Verbandschef betonte: „Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass die CDU und der hessische Kultusminister etwas, das sie bisher vehement abgelehnt haben, durchgehen ließen.“

Lorz: „Leistungsanforderungen bleiben gleich hoch“

Kultusminister Lorz sieht hingegen durch die Vergabe von schriftlichen Bewertungen statt Noten an einigen Schulen keine Abkehr vom Leistungsprinzip. „Die Leistungsanforderungen bleiben gleich hoch“, sagte Lorz (News4teachers berichtete). „Wir reden ausschließlich darüber, ob die Bewertung immer in Form von Ziffern zum Ausdruck gebracht werden muss oder ob es möglicherweise auch andere Formen der Bewertung geben kann.“ News4teachers / mit Material der dpa

Eine Lehrerin bekennt: Ich gebe nur noch gute Noten, weil gerechte Zensuren eine Illusion sind – Debatte um Leistungsbewertung

 

 

 

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