Corona-Krise: Müssen Eltern trotz Schließung von Krippen, Kitas und Schulen weiterarbeiten?

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GÜTERSLOH. Millionen berufstätige Eltern müssen aufgrund der Corona-Einschränkungen ihre Kinder betreuen. Kann der Arbeitgeber sie zwingen, weiter zu arbeiten? Die wichtigsten rechtlichen Regeln.

Wenn Krippen, Kitas und Schulen über Wochen schließen, stehen Eltern vor einem Problem. Foto: Shutterstock

Kinderbetreuung und Arbeit – wie lässt sich das vereinbaren? Vor dieser Frage stehen zahllose berufstätige Eltern, nachdem aufgrund der Coronakrise in vielen Bundesländern Kitas und Schulen geschlossen bleiben.

Grundsätzlich sind Beschäftigte auch in einer solchen Situation für die Kinderbetreuung selbst verantwortlich. Berufstätige können zwar zu Hause bleiben, wenn sich die Kinderbetreuung nicht anders organisieren lässt.

Arbeitspflicht besteht weiter

Die Arbeitspflicht besteht aber weiter. Daher kann es sein, dass Eltern, die nicht arbeiten können, weil sie ihre Kinder betreuen müssen, ihren Anspruch auf Gehaltsfortzahlung verlieren. In Deutschland greift für derartige Situationen zwar Paragraf 616 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), wie der Arbeitsrechtler Johannes Schipp erklärt.

Darin ist geregelt, dass Arbeitnehmer Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, wenn sie aus einem nicht selbst verschuldeten und nicht in ihrer Person liegenden Grund vorübergehend nicht arbeiten können. Das gilt auch für den Fall von Schul- oder Kitaschließungen.

Dies umfasst allerdings nur für einen Zeitraum von wenigen Tagen. Rechtsexperten sprechen in der Regel von maximal vier bis fünf Tagen. Schipp macht in diesem Zusammenhang aber auf eine Entscheidung auf Grundlage des früher gültigen Bundesseuchengesetzes aufmerksam.

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Früheres Urteil des Bundesgerichtshofs

In einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 1978 (Az.: III ZR 43/77) ging es unter anderem darum, ob der Arbeitgeber die Vergütung weiterzahlen müsse, wenn er selbst einem seuchenbedingten Arbeitsverbot unterliegt.

Der BGH entschied darin, dass der Arbeitgeber vorrangig zur Lohnfortzahlung nach Paragraph 616 BGB verpflichtet sei, so der Fachanwalt. Die Ausführungen lassen laut Schipp vermuten, dass der Entgeltfortzahlungsanspruch dann im Umfang von sechs Wochen besteht. Es spreche einiges dafür, dass dies auch auf die aktuelle Gesetzeslage übertragen werden kann.

Um zu verhindern, dass man seinen Lohnsanspruch nach wenigen Tagen verliert, sei es für Arbeitnehmer «sehr sinnvoll und sicherer, zunächst Urlaubsansprüche geltend zu machen», erklärt Schipp. Beschäftigte können dem Fachanwalt zufolge auch in beschränktem Umfang vom Arbeitgeber verpflichtet werden, Urlaub zu nehmen.

Absprache mit Arbeitgeber treffen

Diese Regeln gelten gleichermaßen für diejenigen, die nach Absprache mit ihrem Arbeitgeber im Homeoffice oder Mobile Office sind. Auch dann sind berufstätige Eltern grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet, und müssen auf ihr Gehalt verzichten, wenn sie aufgrund der Kinderbetreuung längerfristig ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können.

Grundsätzlich empfiehlt es sich für die gegenwärtige Situation daher, in enger Absprache mit dem Arbeitgeber zu bleiben und nach Möglichkeit eine einvernehmliche Lösung zu finden, empfiehlt der DGB Rechtsschutz. In einigen Schulen und Kindertagesstätten soll es etwa eine Notversorgung geben. Eltern wird empfohlen, bei den Trägern von Schulen und Kindertagesstätten nachzufragen. dpa

Große Sorgen bei Alleinerziehenden

DÜSSELDORF. Alleinerziehende Mütter und Väter sind angesichts wegbrechender Betreuungsmöglichkeiten in der Corona-Krise besonders von Ängsten und Belastungen betroffen. «Bei vielen Alleinerziehenden, deren Kinder nicht betreut werden dürfen, entsteht sofort eine große Existenzangst, wenn sie nicht arbeiten können», sagte Antje Beierling, Vorstand im Landesverband alleinerziehender Mütter und Väter in Nordrhein-Westfalen. Urlaubstage seien sowieso sehr knapp bemessen, um Schulferien oder Ferien-Schließzeiten von Kitas zu überbrücken.

«Unbezahlter Urlaub bedeutet sofort das Wegbrechen des gesamten Einkommens», sagte Beierling. «Es ist für viele sowieso schon schwer, die kleine Familie über Wasser zu halten. Wenn jetzt ein großer Teil des sozialen Netzes oder Großeltern als Hilfestellung ausfallen sollen, ist das für Alleinerziehende eine riesige Belastung, die sie alleine stemmen müssen», sagte Beierling.

Allein in NRW gibt es rund 327.000 Alleinerziehende mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern. In der überwiegenden Mehrheit sind es Frauen, wie aus einer im Herbst 2019 veröffentlichten Studie hervorgeht. Demnach sind 65 Prozent der Alleinerziehenden erwerbstätig. dpa

Zig-Millionen Schüler und Kita-Kinder werden die nächsten Wochen zu Hause verbringen

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AvL
4 Jahre zuvor

Wir doppelt belasteten Eltern arbeiten trotzdem weiter, während diejenigen Kollegen, die schon immer öfters mal fehlten, wieder einmal durch eine erhöhte Abwesenheit glänzen.
Warum sollten ausgerechnet jetzt Menschen ihr Verhalten ändern.