Wie sich eine Grundschule von ihren Kindern in die „Corona-Ferien“ verabschiedet

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STUTTGART. In Deutschlands Klassenzimmern gehen die Lichter aus. In Baden-Württemberg hatten die Lehrer heute noch Gelegenheit, sich von ihren Schülern zu verabschieden. Wie das lief? Ein Ortsbesuch in einer Stuttgarter Grundschule.

Ob der Unterricht nach den Osterferien wieder beginnen kann? Das ist ungewiss. Foto: Shutterstock

Ob er schon weiß, was er in den schulfreien Wochen macht? «Fußballspielen», sagt der siebenjährige Vid. Doch ab und zu wird er sich auch an seinen Schreibtisch setzen müssen. Seine Lehrerin Sophia Gebhardt gibt Vid eine Mappe mit nach Hause voller Aufgaben, die er in der Zeit bearbeiten soll. «Das Heft ist ganz schön dick. Wenn man nicht alles schafft, ist das nicht so schlimm», sagt die 29-Jährige zu dem Zweitklässler. Darin sind unter anderem Matheaufgaben zum Addieren und ein Gedicht mit dem Titel «Im März».

Schulleiter Sterra verfasst einen Elternbrief

Behutsam bereiten die Lehrer und Lehrerinnen die Schüler an der Kirchhaldenschule in Stuttgart-Botnang darauf vor, dass die nächsten Wochen alles andere als gewöhnlich sein werden. Baden-Württemberg schließt an diesem Dienstag alle Schulen bis zum Ende der Osterferien, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Die Kirchhaldenschule hat nach Aussagen ihres Leiters Reinhold Sterra schon in der vergangenen Woche mit den Vorbereitungen dafür begonnen.

Sterra sitzt in seinem Büro und wirkt nicht, als ob er gerade Stress hätte. «Die Stimmung ist konstruktiv. Wir stehen jeden Tag im Austausch mit der Elternschaft.» Er hat einen umfangreichen Elternbrief verfasst und verschickt. Die Lehrer an seiner Grundschule seien auch in der unterrichtsfreien Zeit über Mailadressen erreichbar. Die Eltern können Hefte mit Hausarbeiten an der Schule vorbeibringen – die Lehrer sollen sie dann abholen und korrigieren.

Lehrer und pädagogische Fachkräfte bieten eine Notfallbetreuung für Kinder in den nächsten Wochen an – für Eltern, die beide in sogenannten systemrelevanten Berufen wie Polizei, Medizin oder Feuerwehr arbeiten. «Wir werden gucken, wie viele Kinder wir zusammenbekommen.» Sterra sagt zur Situation: «Ich bin seit 24 Jahren Schulleiter. Mich haut nichts so schnell um.» Alle wüssten, was sie zu tun hätten. «Warum sollen wir dann höher drehen?»

Wochenpläne für die Grundschüler erstellt

Lehrerin Gebhardt sagt zum Unterricht am Montag: «Ich habe in Deutsch noch etwas eingeführt, was die Kinder brauchen, um da die nächsten drei Wochen weiterzuarbeiten.» Für die Kinder hat sie Wochenpläne erstellt, die die Kinder auch aus dem normalen Schulalltag kennen. Ein paar Kinder in ihrer Klasse hätten Angst vor dem Coronavirus. «Wir haben einfach ganz viel darüber gesprochen.» Die Kinder hätten viele Fragen, weil sie aus den Nachrichten viel mitbekämen.

Fodson Kamara macht sich ernsthaft Sorgen. Der Familienvater hat drei Kinder, davon zwei an der Kirchhaldenschule. Dass die Schulen geschlossen werden, hält er für absolut richtig. Der 52-Jährige sagt: «Jetzt es geht um alles. Wir haben alle Angst.» Er selbst arbeitet beim Autohersteller Daimler – seine Frau ist zahnmedizinische Fachangestellte. «Das ist richtig scheiße», meint er mit Blick auf mögliche Ansteckungen mit dem Coronavirus.

Vekije Smajli sitzt gerade selbst krankgeschrieben zu Hause – wegen einer Operation an der Hand. Trotzdem sagt die 27-Jährige: «Es ist auf jeden Fall schwierig, auch für die Kinder.» Man müsse selbst mit den Kindern den Unterrichtsstoff nachholen. Für Eltern sei das gar nicht so einfach. Die Kinder hätten das Gefühl, sie müssten sich zu Hause nicht richtig konzentrieren. Und wie kommt ihre Tochter mit der ganzen Situation klar? «Für sie ist es nicht so schlimm. Sie findet das cool, die nimmt das alles nicht so ernst.»

Mit Mann und Kind ini einer Ein-Zimmer-Wohnung

Eine 39-jährige Mutter, die an der Schule wartet, gibt sich ebenfalls noch gelassen. Sie stamme gebürtig aus der Ukraine und habe schon einiges erlebt – als Kind auch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Sie arbeitet gerade nicht und lebt mit ihrem Mann und dem Kind in einer Ein-Zimmer-Wohnung. Homeoffice sei da für ihren Mann – ein Wissenschaftler – nicht drin. «Wenn er zu Hause bleiben muss, dann ist das sehr schwierig. Dann kann er eigentlich gar nicht arbeiten.»

Am Mittag verabschiedet sich Schulleiter Sterra persönlich von den Kindern. Er geht von Klasse zu Klasse, sagt ihnen, dass sie viel lesen sollen. Er mahnt, sie sollten nicht auf Spielplätze gehen. Lehrerin Gebhardt sagt ihren Kindern von der 2 A: «Ihr wisst, ihr habt was zu tun. Das sind keine Ferien.» Dann stellen sich die Kinder im Kreis auf und halten sich an den Händen. Sie zählen runter von zehn bis null und stellen die Stühle hoch. Von Bettina Grachtrup, dpa

Zig-Millionen Schüler und Kita-Kinder werden die nächsten Wochen zu Hause verbringen

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