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Gebauer stellt Schulschließungen nach Corona-Ausbrüchen infrage – Lehrerverbände ziehen wenig schmeichelhafte Schuljahresbilanz

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KÖLN. Bei regionalen Corona-Ausbrüchen sollten nach Ansicht von Nordrhein-Westfalens Schulministerin Yvonne Gebauer nicht immer «reflexhaft» die Schulen geschlossen werden. Wenn es regionale Infektionen gebe, müsse man darauf «gezielt» reagieren, sagte die FDP-Politikerin dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Nach einem chaotischen Halbjahr sind die rund 2,5 Millionen nordrhein-westfälischen Schüler am Freitag in die Sommerferien gegangen. Die Lehrerverbände ziehen eine für Gebauer wenig schmeichelhafte Schuljahresbilanz.

NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer hat sich in einer Videobotschaft an die Schüler, Eltern und Lehrer gewandt – hier geht es hin. Foto: Screenshot

Mit Blick auf Schulschließungen aufgrund von Corona-Infektionen erklärte Gebauer: «Es kann nicht sein, dass die Entscheidungsträger vor Ort reflexhaft als erste und einzige Maßnahme immer sofort Kitas und Schulen schließen», wenn es im Umfeld von Schulen Corona-Fälle gebe. «Da wünsche ich mir eine differenzierte Betrachtungsweise – und keinen Aktionismus zu Lasten unserer Kinder.» Wegen des Corona-Ausbruchs beim Fleischproduzenten Tönnies sind seit Donnerstag die Schulen im Kreis Warendorf geschlossen. Im benachbarten Kreis Gütersloh sind sie schon seit einigen Tagen zu.

Gebauer bekräftigt in einer Videobotschaft zum Schuljahresende, “dass es nach den Sommerferien für die Schülerinnen und Schüler aller Schulformen wieder Präsenzunterricht nach ihrem Stundenplan geben wird. Auf dieses Ziel haben sich alle 16 Schul- und Bildungsminister der Länder verständigt”. Trotz der Ausbrüche in einzelnen Regionen habe sich die Pandemie-Lage insgesamt stabil entwickelt, meint sie.

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Gegenüber Lehrern hat das Land Verantwortung als Arbeitgeber

Die GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern bilanziert in einem Kommentar für das Gewerkschaftsorgan „lautstark“ das zu Ende gehende Schuljahr – und zeigt sich unzufrieden mit dem Stand der Vorbereitung auf das kommende. „Betroffene glauben mittlerweile, dass dem Ministerium die passende Einschätzung der Realität abhandengekommen sei. Ein Hygienekonzept schreibt sich nicht in zwei Tagen – von der Umsetzung ganz zu schweigen – individuelle Stundenpläne für Teilgruppen lassen sich nicht in wenigen Tagen errechnen und anpassen, Prüfungen unter diesen Bedingungen zu organisieren und durchzuführen ist eine Herkulesaufgabe für die Schulen, bei der sie Unterstützung brauchen und nicht maximalen Druck. Seiner Verantwortung als Arbeitgeber für Tausende Beschäftigte wird das Land so nicht gerecht“, meint sie.

Mit Blick darauf, dass das Ministerium Schulöffnungen nach den Ferien ohne die außerhalb der Schulen nach wie vor geltende Abstandsregel plant – und sich in einer Mail an alle Schulen lediglich auf eine umstrittene Stellungnahme von Ärzteverbänden sowie eine einzige, in ihrer Aussagekraft als unzureichend geltende Studie aus Baden-Württemberg bezieht (ohne auf die Kritik daran mit nur einem Wort einzugehen) –, erklärt Finnern: „Selbstverständlich ist die Entwicklung der Corona-Pandemie dynamisch, die Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus und seine Bekämpfung entwickeln sich noch. Den Forderungen von unter anderem vier Krankenhausgesellschaften nach sofortiger Öffnung der Kitas und (Grund-)Schulen im Regelbetrieb stehen Einschätzungen von anerkannten Virologen und dem Robert-Koch-Institut entgegen. Die Erkenntnislage ist nicht eindeutig. Umso mehr ist die daraus entstehende Verunsicherung von Beschäftigten anzuerkennen und nicht abzutun.“ (So hat der Virologie-Professor Christian Drosten in dieser Woche die Behauptung, Kinder seien weniger betroffen von Corona-Infektionen, als „Fehlinformation“ zurückgewiesen – News4teachers berichtet ausführlich über die Debatte.)

Damit nach der Sommerpause Einrichtungen geöffnet und Präsenzunterricht in den Schulen und Hochschulen wieder stattfinden könne, müssten nun alle Beschäftigten und alle Kinder, Jugendlichen und Studierenden wirksam geschützt werden. „Dafür brauchen wir jetzt Planungssicherheit und keine zusätzlichen neuen Anforderungen“, so die GEW-Landeschefin. „Das gilt auch für das Lernen auf Distanz, das in Schulen und Hochschulen von einem Tag auf den anderen eingefordert wurde. Lehrende und Unterrichtende haben sich auf den Weg gemacht, um mit der neuen Situation umzugehen, obwohl sie in puncto Ausstattung und Schulung kaum Unterstützung bekommen haben. Hier muss das Land dringend nacharbeiten, Konzepte, Fortbildung und Technik bereitstellen, damit datenschutzrechtlich unbedenklich gearbeitet werden kann. Auch das gehört unbedingt zu einem guten Krisenmanagement.“

VBE: “Lehrerinnen und Lehrer verdienen höchsten Respekt”

Auch Stefan Behlau, Landesvorsitzender des VBE, zieht eine kritische Bilanz des bisherigen Krisenmanagements. „Plötzliches Lernen auf Distanz, die wachsende Notbetreuung, Durchführung von Prüfungen, Konzepte für ein rollierendes System, die Organisation sowie Einhaltung der Hygienemaßnahmen und dann doch überraschend die Rückkehr zum Regelbetrieb ohne Abstand: Die Kommunikation der Landesregierung in der Krise war mangelhaft, während Pädagoginnen und Pädagogen Unglaubliches leisteten und leisten. Sie verdienen größten Respekt, genau wie Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern. Schule mit Corona war und bleibt für alle eine Mammutaufgabe.“

Behlau betont: „Für das kommende Schuljahr fordern wir eine unterstützende und damit gelingende Kommunikation. Ein realistischer Blick ist notwendig. Der sogenannte verantwortungsvolle Regelbetrieb wird an seine Grenzen stoßen. Wir alle haben das schulische Leben sehr vermisst, darüber darf aber die Sicherheit der Schulgemeinde nicht vergessen werden. Bereits vor Corona kämpften Schulen zudem mit Personalmangel und schwierigen Arbeitsbedingungen. Wenn es zu Unterrichtsausfall, zur Kürzung der Stundentafel oder zum Lernen auf Distanz kommt, liegt es an Corona und an den Versäumnissen in der Bildungspolitik, nicht an den Kollegien. Das muss ehrlich und deutlich kommuniziert werden.“ News4teachers / mit Material der dpa

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

 

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