BERLIN. In Berlin sollen die Schulen nach dem Ende der Ferien am Montag zum Normalbetrieb zurückkehren. Viele Lehrer sind skeptisch, ob das gutgeht. Der Philologenverband geht sogar davon aus, dass der Schulbetrieb bald wieder eingestellt werden muss.
Das neue Schuljahr soll in Berlin am Montag im Regelbetrieb beginnen – der Philologenverband geht aber davon aus, dass dieser schnell wieder zurückgefahren wird. «Weil mit Sicherheit Corona-Fälle in den Schulen auftreten werden. Ich glaube, dass so viele Schulen betroffen sein werden, dass es am Ende auf eine fast komplette Schließung wieder hinauslaufen wird», sagte der Sprecher des Philologenverbandes Berlin/Brandenburg, Frank Rudolph.
Viele Lehrer sind mit Blick auf das neue Schuljahr pessimistisch
Auch Familienfeiern oder Gottesdienste seien bereits zu Ansteckungsherden geworden. «Was ist denn anders, wenn ich 30 Leute in einen Unterrichtsraum setze? Die Ansteckungsgefahr ist riesig», sagte Rudolph. «Und wir haben jetzt die warme Jahreszeit. Wenn die kalte Jahreszeit kommt, in der ich nicht Durchzug lüften kann, dann passiert das einfach.» Er sei sehr pessimistisch, was das neue Schuljahr angehe – und seine Kollegen auch.
Dass die Maskenpflicht in Berlin zwar generell im Schulgebäude, aber nicht im Unterricht und nicht auf dem Schulhof gelten soll, hält Rudolph für riskant: «Nach unserer Ansicht experimentiert jedes Bundesland», sagte er. «Maskenpflicht im Unterricht wäre natürlich sinnvoll, torpediert aber den Unterricht selber, weil man keine Mimik erkennen kann, man nicht genau hört, was die Schüler sagen. Ich kann verstehen, dass man darauf verzichtet, aber das ist ein großes Risiko.» Die Nationalakademie Leopoldina hatte gestern in einer Stellungnahme eine Maskenpflicht im Unterricht, zumindest an den weiterführenden Schulen, empfohlen (News4teachers berichtet darüber – hier geht es zu dem Beitrag). Nordrhein-Westfalen hat eine entsprechende Regelung bereits am Montag erlassen.
Abstandsregel soll nicht mehr gelten – außer im Lehrerzimmer
Kritik gibt es vom Philologenverband, der die Lehrkräfte an den Gymnasien und Gesamtschulen vertritt, an denen Abitur gemacht werden kann, auch zu den Abstandsregeln. Sie sollen im neuen Schuljahr in Berlin (wie in den anderen Bundesländern) nicht mehr gelten – außer im Lehrerzimmer. Nach Rudolphs Einschätzung ist das unrealistisch. «Gerade im Lehrerzimmer ist es unheimlich eng, wenn 70 Kollegen in den Pausen ins Lehrerzimmer fluten, um an ihre Fächer zu kommen. Da ist es überhaupt nicht machbar, Abstände einzuhalten», erklärte er.
Dass es in den Klassenzimmern anders sein soll, überzeugt Rudolph genauso wenig: «Wenn Abstandsregeln erwiesenermaßen vor Ansteckung schützen, und ich mache Regelbetrieb mit Schülern dicht an dicht in den Klassen, dann ist doch klar, dass das nicht funktioniert.» Aber er sehe die Bredouille, in der der Senat hier stecke. Statt Abstandsregel soll in den Schulen das „Kohortenprinzip“ gelten. Im Berliner Hygieneplan heißt es: „Der Unterricht und die ergänzende Förderung und Betreuung sind in festen Gruppen bzw. Lerngruppen durchzuführen, um Kontakte soweit wie möglich zu reduzieren.“ Die Einschränkung: „soweit organisatorisch möglich…“. Die Leopoldina hatte sich gestern für eine strikte Trennung von kleinen festen Lerngruppen ausgesprochen und dafür organisatorische Anpassungen in den Bildungseinrichtungen verlangt (auch darüber berichtet News4teachers ausführlich – hier geht’s hin).
FDP: Es reicht – Schulsenatorin Scheeres soll zurücktreten
Paul Fresdorf, bildungspolitischer Sprecher der oppositionellen Berliner FDP-Fraktion, kritisierte am Mittwoch, Bildungssenatorin Sandra Scheeres habe kein nachvollziehbares Hygienekonzept für den Regelbetrieb an den Schule. Er forderte daher ihren Rücktritt. Fresdorf warf der SPD-Politikerin jahrelange Misswirtschaft vor: «Lehrermangel, unzumutbare Sanitäranlagen, verschleppte Schulsanierungen, Kreidezeit statt Digitalisierung.» Das alles verschärfe die Probleme, die ein Regelbetrieb zu Pandemiezeiten mit sich bringe. Es sei deshalb an der Zeit, dass Scheeres ihr Amt zur Verfügung stelle. dpa
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