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Größter Ausbruch an Schule in Deutschland – ausgerechnet in Hamburg (wo der Bildungssenator am Vortag die Schulen für sicher erklärt hat)

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HAMBURG. Offenbar von der Realität überholt: Einen Tag, nachdem Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) auf einer Pressekonferenz behauptet hat, dass sich neun von zehn infizierten Schülern und Lehrern außerhalb der Schule angesteckt haben, zeichnet sich in Hamburg Deutschlands größter Ausbruch in einer Bildungseinrichtung ab. An der Schule Auf der Veddel sowie an der Schulzweigstelle Billbrookdeich wurden Hunderte Schüler und Lehrer auf Corona getestet – laut Hamburger Bildungsbehörde wurden bislang fast 100 infizierte Schüler und Lehrer gezählt. Den bisherigen Negativ-Rekord hielt ebenfalls eine Hamburger Schule.

Drei große Corona-Ausbrüche an Schulen wurden in den vergangenen zehn Tagen bekannt. Illustration: Shutterstock

An einer Schule in Hamburg-Veddel sind fast 100 Corona-Infektionen festgestellt worden. Die Zahl habe sich bis Donnerstag um 65 Fälle erhöht, so dass es nun insgesamt 94 Infektionen seien, teilte die Schulbehörde am Freitag mit. Zuvor hatte das “Hamburger Abendblatt” berichtet. Insgesamt 550 Schüler und Beschäftigte der Grund- und Stadtteilschule seien getestet worden. Auch bei der sehr kleinen Schul-Zweigstelle Billbrookdeich deute eine Reihentestung darauf hin, dass viele der 100 Schüler mit Corona infiziert seien, hieß es. Beide Schulen würden bis zur Aufklärung der Lage vorsorglich auf Distanzunterricht umgestellt.

Über die näheren Ursachen der Infektionen sei noch nichts bekannt, berichtete ein Sprecher der Schulbehörde weiter. “Die Streuung der Infektionen über fast sämtliche Klassenstufen deutet aber darauf hin, dass vermutlich viele Kinder bereits mit einer Infektion in die Schule gekommen sind.”

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“Dann kann man sich eigentlich in der Schule gar nicht infiziert haben”

Am Vortag hatte Bildungssenator Ties Rabe (SPD) auf einer Pressekonferenz behauptet, „dass 85 bis 90 Prozent dieser Infektionen zu Hause oder in der Freizeit erfolgten – und eben nicht in der Schule“ passiert seien. Schulen seien nicht Treiber der Pandemie. Das hätten „Recherchen“ der Bildungsbehörde zwischen den Sommer- und den Herbstferien ergeben. «Sehr, sehr häufig haben wir einzelne Infektionen vorgefunden in Schulen, in denen es gar keine weitere Infektion gab. Dann muss man ganz nüchtern sagen: Dann kann man sich eigentlich in der Schule gar nicht infiziert haben.» Das sei bei fast drei Viertel der Schulen so gewesen.

Allerdings, das musste Rabe auf Nachfrage einräumen, wurde in diesen Fällen lediglich angenommen, dass tatsächlich keine weiteren Infektionen dort existierten. Getestet wurden die meisten der Lehrer und Schüler nämlich nicht. (News4teachers berichtet ausführlich über den denkwürdigen Auftritt von Rabe.)

Der Auftritt von Rabe wirft Fragen auf: Die Reihenuntersuchungen an der Schule Auf der Veddel waren bereits angelaufen – News4teachers berichtete bereits am Mittwoch darüber. Wollte Rabe mit Blick auf die anstehenden Gespräche von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten in der kommenden Woche über einen möglichen Wechselunterricht Meinungsmache betreiben, bevor die Ergebnisse der Reihenuntersuchung öffentlich bekannt werden? Oder ist der Bildungssenator so schlecht über das Geschehen in den Schulen seiner Stadt informiert, dass er bei der Pressekonferenz nichts von der Reihenuntersuchung wusste?

Die drei größten Ausbrüche an Schulen in Deutschland innerhalb von nur zehn Tagen

Fakt ist jedenfalls: Innerhalb von gerade mal zehn Tagen sind damit die drei größten Ausbrüche in deutschen Schulen bekanntgeworden – was die Dringlichkeit von Merkels Wunsch unterstreicht, die Schutzregelungen für den Schulbetrieb zu verschärfen. Anfang der Woche hieß es: An einer Gesamtschule im hessischen Lollar wurden nach einer freiwilligen Reihenuntersuchung 43 Fälle an positiv getesteten Schülerinnen und Schülern festgestellt. Lehrer sind dort von Infektionen offenbar nicht betroffen. Der Unterricht an der Schule ist ausgesetzt.

Das Corona-Geschehen an der immer noch geschlossenen Ida-Ehre-Schule in Hamburg-Eimsbüttel hatte sich in der Woche zuvor als der größte bislang bekannt gewordene Ausbruch an einer Schule in Deutschland erwiesen. Insgesamt 55 Personen wurden positiv getestet teilte ein Schulbehördensprecher mit. Zu den bereits bekannten 22 Fällen seien 33 hinzugekommen. Die betroffenen Schüler stammten aus 25 Klassen, die jetzt komplett vom Gesundheitsamt in Quarantäne geschickt worden seien. „Die vorliegenden Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass die Quellen der Infektionen sowohl außerhalb als auch innerhalb der Schule zu verorten sind“, sagte der Behördensprecher dazu.

In der vergangenen Woche hatte Prof. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, erklärt: „Wir sehen immer mehr Ausbrüche in Schulen.“ Das Infektionsgeschehen werde in die Schulen und auch aus ihnen heraus getragen. Wieler: „Wir wissen ja schon seit langer Zeit, dass natürlich auch Kinder infiziert werden können.“ Der Leiter der Bundesbehörde appellierte gestern noch einmal an die Bundesländer, den Empfehlungen des RKI für den Schulbetrieb zu folgen – die eine Maskenpflicht im Unterricht und kleinere Lerngruppen vorsehen. Kein Bundesland beachtet bislang die Empfehlungen.

Bildungssenator Rabe hatte sie Ende Oktober “seltsam” genannt (News4teachers berichtete auch darüber). News4teachers / mit Material der dpa

Schulen sind sicher? Wie wäre es mal mit der Wahrheit, Kultusminister?

 

 

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