BERLIN. In Berlin steigen die Infektionszahlen. Kann der Unterricht an den Schulen weitergehen wie bisher – oder muss er zum Teil wieder digital stattfinden? Die GEW schlägt Alarm.
Angesichts der aktuellen Enwicklungen in der Corona-Pandemie hat die Bildungsgewerkschaft GEW gefordert, den Regelunterricht an Berliner Schulen zu beenden. Der Berliner GEW-Vorsitzende Tom Erdmann sprach sich am Freitag dafür aus, die Lerngruppen zu halbieren und zur Kombination aus Unterricht in der Schule und zu Hause zurückzukehren, wie es ihn in Berlin vor den Sommerferien gegeben hatte.
Aus den Schulen gebe es vermehrt Hilferufe. Die Lehrkräfte fühlten sich an ihrem Arbeitsort nicht ausreichend vor möglichen Ansteckungen mit dem Coronavirus geschützt, sagte Erdmann.
Schulleiter-Verband: Schulen so lange wie möglich im Regelbetrieb laufen lassen
Andere Verbände wiegeln ab: Astrid-Sabine Busse vom Interessenverband Berliner Schulleitungen sagte, sie sei dafür, die Schulen so lange wie möglich im Regelbetrieb laufen zu lassen. Auch für den Vorsitzenden des Landeselternausschusses, Norman Heise, gibt es derzeit keinen Grund, die Schülerinnen und Schüler teilweise wieder zu Hause zu unterrichten. Solche Forderungen von Seiten der Bezirkselternausschüsse seien ihm auch nicht bekannt.
Frank Rudolph, Sprecher des Philologenverbandes Berlin/Brandenburg, sagte, es sei klar, dass die Probleme an den Schulen größer würden. Der Philologenverband sei aber dagegen, den Regelunterricht generell zu beenden, und dafür, dass die Schulleitungen entsprechend entscheiden können sollten.
Ein Sprecher der Bildungsverwaltung sagte, derzeit sei die Situation an den Schulen keineswegs so, dass der Präsenzunterricht ausgesetzt werden sollte. «Schulen sind keine Hotspots, sagen auch die Amtsärzte. Nach der gestern Nachmittag erfolgten Einstufung laut Stufenplan sind viele Schulen sogar eine Stufe runtergestuft worden.» So habe beispielsweise das Gesundheitsamt in Treptow-Köpenick fast 40 Schulen auf Grün gesetzt, was Regelbetrieb bedeute. «Wir wollen vermeiden, dass Kinder und Jugendliche den Anschluss verlieren.»
Werden Infektionen unter Lehrern und Schülern billigend in Kauf genommen?
Der GEW-Vorsitzende Erdmann hält dem entgegen: An keinem anderen Ort begegneten sich aktuell so viele Menschen in geschlossenen Räumen ohne Abstand und in den meisten Fällen ohne Masken wie in der Schule. «Die Beschäftigten in den Schulen haben den Eindruck, dass Infektionen an den Schulen billigend in Kauf genommen werden.» Das Recht auf Bildung sei ein hohes Gut. «Aber wir dürfen die Schulen nicht auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten und der Schülerinnen und Schüler im Regelbetrieb halten.» Das werde zunehmend zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Seit dem Ende der Herbstferien gilt für die Berliner Schulen ein Corona-Stufenplan. Er legt fest, welche Einschränkungen und Maßnahmen bei einer weiteren Zunahme der Infektionszahlen vorgesehen sind. Dabei wird zwischen vier farblich differenzierten Stufen unterschieden.
Derzeit bieten in Berlin nach diesem Stufenplan drei Schulen keinen Regelunterricht mehr an. Dabei handelt es sich um zwei berufliche Schulen und eine Grundschule. Sie wurden bei einer Überprüfung aller Schulen durch die Gesundheitsämter in die Stufe Rot eingeordnet. Entsprechend stellen sie auf kleinere Lerngruppen und eine Mischung aus Präsenzunterricht und Lernen zu Hause um.
Dagegen sind 47 Schulen als grün und damit als unproblematisch mit Blick auf die Corona-Lage eingestuft, wie die Bildungsverwaltung am Freitag weiter mitteilte. 586 Schulen wurden in die Stufe Gelb eingeordnet. Dort sollen verstärkte Hygieneschutzmaßnahmen ergriffen werden. 154 Schulen sind auf der orangenen Stufe, wo weitere Maßnahmen wie eine Maskenpflicht im Unterricht greifen sollen.
Wann gilt an Schulen was? GEW: “Viele offene Fragen” – und die Unsicherheit unter Lehrern wächst
GEW-Landeschef Erdmann dazu: „In Anbetracht des diffusen Infektionsgeschehens fragen wir uns, auf welcher Grundlage die Entscheidungen für die Einordnung der Schulen entsprechend des Corona-Stufenplans gefällt werden. Aus den Schulen hören wir, dass Testungen bei Verdachtsfällen oder Kontaktpersonen von Infizierten nicht durchgeführt werden. Im Zusammenhang mit der Nachverfolgung und Benennung von Kontaktpersonen gibt es viele offene Fragen.“ Wie mit den bezirklichen Allgemeinverfügungen und Quarantänereglungen in den Schulen konkret verfahren werden soll, sei weiterhin nicht klar. Der Gewerkschafter spricht von einer “fehlenden Nachvollziehbarkeit der schulspezifischen Schutzmaßnahmen” – und diese verstärke die Sorgen der Kolleginnen und Kollegen in den Schulen. News4teachers / mit Material der dpa
