DÜSSELDORF. Nordrhein-Westfalens Familienminister Joachim Stamp (FDP) tritt nicht zurück – obwohl er garantiert hatte, dass es mit ihm im Amt keine landesweiten Schul- und Kitaschließungen mehr geben werde. Schulen werden für den Präsenzunterricht jetzt doch den gesamten Januar über geschlossen und für die Kitas gilt: Die Kinder sollen möglichst zu Hause bleiben. Lehrerverbände betonten die Notwendigkeit, der (so VBE-Landeschef Stefan Behlau) „harten Entscheidung, die uns allen viel abverlangt“.
«Mit der FDP in der Regierung und in meiner Verantwortung als Familienminister wird es keine landesweite Schließung von Kitas und Schulen mehr geben», so hatte FDP-Landeschef und NRW-Familienminister Joachim Stamp im September erklärt – und eine „Bildungs- und Betreuungsgarantie“ abgegeben. Sollten die Fallzahlen im Winter wieder steigen, werde man mit lokalen Eingriffen reagieren. Zudem würden „vielversprechende technische Möglichkeiten“ geprüft, um die Verbreitung des Virus in den Einrichtungen zu erschweren.
Das sieht jetzt deutlich anders aus. Über „vielversprechende technische Möglichkeiten“ (gemeint waren offenbar mobile Luftfilter) verfügen nur einige wenige Klassenräume, und zwar dort, wo sich einzelne Schulträger – wie etwa die Stadt Münster – darum besonders gekümmert haben. Und landesweite Schließungen von Kitas und Schulen gibt es jetzt doch, aus Sicht der Eltern jedenfalls.
«Dieser Kampf um Präsenzuntericht war richtig, ich führe ihn auch weiter»
Die 2,5 Millionen Schüler im Land sollen ab Montag komplett zu Hause unterrichtet werden. Zugleich bieten die mehr als 10.000 Kitas ab Montag nur noch eine eingeschränkte Betreuung mit weniger Stunden an – wenn möglich, sollen Eltern ihre Kinder ganz zu Hause lassen. Die Maßnahmen gelten zunächst bis Ende Januar, kündigten Stamp und Schulministerin Yvonne Gebauer (auch FDP) am Mittwoch nach einer Sitzung des Landeskabinetts an. Für den Bildungsteil müsse er seine Garantie «ein Stück weit» relativieren. Aber niemand habe sich in dieser Pandemie bisher nicht korrigieren müssen, ob Politik oder Wissenschaft, so meinte der FDP-Landesvorsitzende. Rücktritt ist offenbar für ihn kein Thema.
Stamp verwies lieber auf das in England aufgetauchte mutierte Virus, von dem auch die Wissenschaft noch nicht wisse, welch ein «Brandbeschleuniger» es sein könne. «Wir haben kein Drehbuch, was die Pandemie angeht. Es gibt immer wieder Einschläge, mit denen wir nicht gerechnet haben.» Auch Gebauer relativierte ihr bisheriges Festhalten am Präsenzunterricht. «Dieser Kampf war richtig, ich führe ihn auch weiter», sagte sie. «Kinder und Jugendliche leiden am meisten unter dieser Pandemie.» Bei Lockerungen sei klar, dass die Schulen «von Anfang an dabei sind». Derzeit aber müssten auch die Schulen ihren Beitrag zu Kontaktreduzierungen leisten.
GEW: “Es ist noch zu klären, was die weitere Perspektive des Schuljahres betrifft”
„Das ist vernünftig und der derzeitigen nicht kalkulierbaren Infektionslage geschuldet. Alles andere wäre auch mit der Verlängerung des allgemeinen Lockdowns nicht in Einklang zu bringen. Sicherlich sind eine Reihe von Fragen noch zu klären, welche konkreten Ausnahmeregelungen gelten sollen und was die weitere Perspektive des Schuljahres, sowie die Halbjahres- und Abschlusszeugnisse betrifft“, erklärte heute GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern.
Die SPD-Opposition forderte den Verzicht auf Halbjahreszeugnisse für die Sekundarstufe 1 und auf Nicht-Versetzungen wie im vergangenen Halbjahr. Gebauer sagte zu, dass das Ministerium die Lage prüfe. Keinem Schüler solle durch die Pandemie ein Nachteil entstehen.
Die Maßnahmen in NRW im Einzelnen:
SCHULEN: Alle Schüler in NRW gehen nach den Weihnachtsferien ab kommenden Montag in den Distanzunterricht. Der Präsenzunterricht in den Klassenräumen wird bis zum 31. Januar ausgesetzt – auch für Abschlussklassen. Wenn eine Schule mehr Vorbereitungszeit braucht, kann das Homeschooling dort auch erst am 13. Januar beginnen. Alle Schulen bieten eine Betreuung für Schüler der Klassen 1 bis 6 an, wenn dies etwa aus Gründen der Kindeswohlgefährdung erforderlich ist. Es finde dort aber kein regulärer Unterricht statt, sagte Gebauer. Mit dem kompletten Verzicht auf Präsenzunterricht verschärft die Landesregierung ihre Maßnahmen von Dezember, als Eltern unterer Klassen noch die Wahl hatten, ob ihre Kinder in der Schule oder von zu Hause aus am Unterricht teilnehmen sollten.
PRÜFUNGEN: Bis Ende Januar, wenn auch das Halbjahr endet, sollen an den Schulen laut Gebauer grundsätzlich keine Klassenarbeiten geschrieben werden. Ausnahmen gebe es lediglich für Abschlussjahrgänge an Gymnasien und Berufskollegs. In Einzelfällen könnten auch noch für das Halbjahr zwingend notwendige Klassenarbeiten geschrieben werden. Die Abiturprüfungen und Abschlussprüfungen der Klasse 10 seien für 2021 bereits um neun Unterrichtstage nach hinten verschoben worden. Der Aufgabenpool werde erweitert.
FERIEN: Gebauer empfahl den Schulen, auf die Karnevalsferien zu verzichten. Viele Schulen nutzten die vier beweglichen Ferientage in der Regel dafür, den Kindern in den Tagen um Rosenmontag frei zu geben. Da Karneval wegen der Pandemie dieses Jahr ausfalle, könnten die Tage dafür genutzt werden, Unterrichtsinhalte nachzuarbeiten.
KITAS: In den Kindertagesstätten wird der maximale Betreuungsumfang für jedes Kind um 10 Stunden pro Woche reduziert. Gruppen sollen strikt voneinander getrennt werden. Zugleich appellierte Stamp, die Kinder möglichst zuhause zu betreuen. Mit den von Bund und Ländern vereinbarten zusätzlichen Kinderkrankentagen soll eine Betreuung laut Stamp bis Ende Januar ermöglicht werden, ohne dass die Eltern «parallel am Laptop mit dem Kind auf dem Schoß» arbeiten müssten.
TESTS: Lehrkräfte und Kita-Beschäftigte können sich weiter anlasslos und kostenfrei auf Corona testen lassen. Bis zu den Osterferien sei dies bis zu sechs Mal möglich, sagte Stamp.
GEBÜHREN: Stamp will sich für eine Aussetzung der Kita-Gebühren während des Lockdowns stark machen. Dazu würden Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Finanzminister geführt. Die SPD forderte, die Gebühren für Kitas und den Offenen Ganztag (OGS) für Dezember und Januar auszusetzen. News4teachers / mit Material der dpa
