MEERBUSCH. Die nordrhein-westfälische Schulministerin ermahnt Lehrer, auf Schüler keinen Druck auszuüben, im Unterricht Maske zu tragen – und sitzt dann selbst bei einer PR-Aktion zum Vorlesetag mit Maske im Klassenraum vor lauter maskierten Kindern. Zufall? Oder doch die Regie einer Spitzenpolitikerin, die für sich selbst eine Schutzmaßnahme in Anspruch nimmt, die sie anderen verweigert?
Die schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Franziska Müller-Rech, hat in der vergangenen Woche via Twitter dazu aufgerufen, ihr Fälle zu melden, in denen Schulen angeblich „moralischen Druck oder Gruppenzwang“ gegenüber Schülern in Sachen Maskentragen ausüben. Dazu veröffentlichte sie ihre E-Mail-Adresse gleich mit, wie News4teachers berichtete. Wir möchten ihr hiermit gerne einen Fall anzeigen – zumindest einen Verdachtsfall. Der betrifft allerdings keine Lehrkraft, sondern ausgerechnet die Parteifreundin, der Müller-Rech im Parlament zuarbeitet.
Worum es geht: Launig berichtet die Deutsche Presseagentur (dpa) aktuell, „die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) ist mit einigen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befreundet. «Joa, also das kann man so sagen, ja», sagte Gebauer am Freitag beim Vorlesetag auf die Frage eines Viertklässlers, ob ihre «Helfer» auch ihre Freunde seien. «Wahrscheinlich nicht ganz so enge Freundschaften, wie ihr jetzt dann habt, aber auch Freundschaften.»
Zuvor hatte Gebauer den Viertklässlern einen Auszug aus «Der kleine Prinz» vorgelesen. Im verdunkelten und mit elektrischen Teelichtern geschmückten Raum der Brüder Grimm-Schule in Meerbusch lauschten die Kinder gebannt der Geschichte. Die passte auch zum diesjährigen Motto «Freundschaft und Zusammenhalt».“ Soweit der dpa-Bericht.
Was offenbar kein Kind gefragt hat – jedenfalls vor den anwesenden Journalisten nicht: Warum tragen denn alle in der Klasse plötzlich wieder Maske? Das Begleitfoto, das die dpa zum Auftritt der Schulministerin veröffentlicht hat, zeigt Gebauer im Klassenraum vor den Kindern sitzend – mit Maske. Alle Schülerinnen und Schüler, soweit erkennbar, tragen ebenfalls Maske.
Gebauer hat unlängst erst Lehrerinnen und Lehrer vor unzulässiger Einflussnahme auf die Schüler gewarnt, die Masken aufzubehalten
Dazu muss man wissen, dass Gebauer die Maskenpflicht im Unterricht landesweit vor drei Wochen gestrichen hat. Mehr noch: Sie hat der Stadt Krefeld verbieten lassen, die Maskenpflicht im Unterricht beizubehalten. Und sie hat unlängst erst Lehrerinnen und Lehrer vor unzulässiger Einflussnahme auf die Schüler gewarnt, die Masken aufzubehalten. „Es darf weder über Lehrkräfte, noch über Schulleitungen Druck ausgeübt werden auf die Schülerinnen und Schüler – auch nicht über die Kommunen vor Ort, dass das umgangen wird“, erklärte Gebauer in der vorvergangenen Woche.
Denn: Die Schulen seien nach wie vor keine Pandemietreiber. Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Schüler sei in NRW „weiter sehr gering“.
Sollte hier eine Spitzenpolitikerin für sich selbst ein Sonderrecht beansprucht und Kinder sehr wohl angehalten haben, im Klassenraum Maske zu tragen? Und: Glaubt sie selbst womöglich gar nicht daran, dass die Schulen keine Pandemietreiber sind? Das alles würde nun gar nicht zum Motto der Veranstaltung „Freundschaft und Zusammenhalt“ passen.
Sicher täuscht der Eindruck. Denn freiwillig, so hat Gebauer stets versichert, dürfe die Maske im Klassenraum ja getragen werden – und wahrscheinlich sind die Kinder alle unabhängig voneinander selbst darauf gekommen, dass beim Besuch der Schulministerin im Unterrricht doch lieber freiwillig Maske getragen werden sollte. Allerdings wirken die Umstände schon ein wenig seltsam – Frau Abgeordnete Müller-Rech, Ihr Einsatz ist gefordert: Bitte prüfen! Wir sind sehr auf Ihren Bericht gespannt. News4teachers / mit Material der dpa (Titelfoto: Shutterstock)
Der Landtag NRW erlaubt wieder Besuchergruppen – außer: Schülerinnen und Schüler

