Körperverletzung im Amt: Professor, der Frauen „bestrafte“, schuldig gesprochen

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GÖTTINGEN. Es geht um Gewalt gegen Frauen, im Fokus steht ein Professor der Uni Göttingen. Mehrfach beteutert der Mann im Prozess, dass die Taten im Einvernehmen geschahen. Das Gericht sieht das jedoch anders.

Das Gericht hat geurteilt. Foto: Shutterstock

Er soll Frauen geschlagen und sie genötigt haben: Das Landgericht Göttingen hat einen Professor der Universität Göttingen zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Gericht befand den Mann am Mittwoch unter anderem wegen Körperverletzung im Amt, Freiheitsberaubung und Nötigung an drei Frauen für schuldig. Es handele sich «um ein Urteil, mit dem vermutlich niemand richtig zufrieden sein kann», sagte der vorsitzende Richter. Das zeige die Komplexität des Verfahrens. Gegen das Urteil kann Revision eingelegt werden.

Die erste große Strafkammer des Landgerichts sah es als erwiesen an, dass der Verurteilte ab Juli 2014 über mehrere Jahre vor allem eine ehemalige Doktorandin wiederholt geschlagen hat, «um sie zu bestrafen». Er habe der Frau unter anderem mit einem Bambusstock auf das Gesäß geschlagen. Auch zu Schlägen auf die Brust der Frau sei es gekommen. Bei den Taten in seinem Büro soll der 58-Jährige die Türen abgeschlossen und gedroht haben, die Zusammenarbeit mit der Frau zu beenden, wenn sie den Bestrafungen nicht zustimmt. Auch bei einer weiteren Doktorandin und einer Institutstechnikerin wurden demnach Körperverletzungen festgestellt. Bei den Taten sei es um die Ausübung von Macht gegangen, sagte der Richter. Das Machtgefälle sei auch ein Grund dafür, dass die Frauen den Mann erst Jahre nach den Taten anzeigten. In einigen Anklagepunkten, unter anderem sexueller Nötigung, wurde der Mann freigesprochen.

Der Professor, der in leitender Funktion an der Universität gearbeitet hat, ist seit Dezember 2017 nicht mehr im Dienst. Während der Urteilsverkündung schüttelte er mehrfach den Kopf. In mehreren Einlassungen hatte der Mann angegeben, die Taten seien immer einvernehmlich erfolgt und hätten unter anderem das Ziel gehabt, die Leistungen der Opfer zu verbessern. Das Gericht hielt diese Einlassungen für komplett widerlegt. Als strafmildernd sah es das Gericht unter anderem an, dass sich die mediale Berichterstattung bereits nachteilig auf den Mann ausgewirkt habe. Zudem wertete das Gericht das Einräumen der Taten zu Gunsten des Professors. Die Anzahl der Taten sowie die heftigen Auswirkungen hätten hingegen gegen ihn gesprochen. Zwei Frauen waren in therapeutischer Behandlung.

Als Bewährungsauflagen erließ das Gericht Zahlungen von jeweils 2500, 500 und 300 Euro an die Opfer. Zudem muss der Verurteilte 2000 Euro an den Förderverein des Frauenhauses in Göttingen zahlen. Das Gericht beschränkte die Freiheitsstraße trotz Einzelstrafen von bis zu acht Monaten auf elf Monate, unter anderem da ein höheres Strafmaß zu einem automatischen Verlust des Beamtenstatus geführt hätte. Die Staatsanwaltschaft hatte eine höhere Freiheitsstrafe gefordert.

Die Universität wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Urteil äußern. «Gerichtsurteile kommentieren wir genauso wenig wie laufende Verfahren», sagte ein Sprecher. News4teachers / mit Material der dpa

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8 Kommentare
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TaMu
2 Jahre zuvor

Mit dem Bambusstock auf das Gesäß von dafür eingesperrten Frauen schlagen, um damit „einvernehmlich“ die Leistung zu verbessern, kostet in Deutschland zwischen 300 Euro und 2500 Euro. Interessant.

Janine
2 Jahre zuvor

„Das Gericht beschränkte die Freiheitsstraße trotz Einzelstrafen von bis zu acht Monaten auf elf Monate, unter anderem da ein höheres Strafmaß zu einem automatischen Verlust des Beamtenstatus geführt hätte.“

Unfassbar. Das bedeutet, der Mensch bleibt in Amt und Würden, inkl. Pension.

Angelika
2 Jahre zuvor

Und „man“ kann sogar den Beamtenstatus behalten! Ist so viel Rücksichtnahme von Seiten der Justiz angemessen? Welche Urteile erwarten demnächst Lehrkräfte, die vor Gericht landen, weil ihnen übergriffiges Verhalten gegenüber Minderjährigen angelastet wird? Darf ein vor der Pensionierung stehender Senior seine Pension verlieren, weil er einverständlichen Sex mit einer Minderjährigen hatte? – Hoffentlich bekommt das Frauenhaus nach diesem milden Urteil viele Spenden!

Öhm okay?
2 Jahre zuvor
Antwortet  Angelika

Von Professoren und Studenten auf Lehrer und Pensionäre mit Minderjährigen zu springen ist aber auch ein Stück.

Wie sieht das bei häuslicher Gewalt von Eltern aus? (Po versohlen/Schelle/Anschreien – psychische Gewalt?)
Wie ist das mit den Priestern/Bischöfen/Pfarrern usw.?
(Das Selbe natürlich auch bei Organisationen, Firmenchefs, Politikern, Erziehern, Ärzten usw. usw.)
Wäre dort nicht auch ein Vergleich dann sinnig(er)?

Oder geht es Ihnen nur um den Beamtenstatus?

Angelika
2 Jahre zuvor

Der NDR berichtete: „Die Universität Göttingen äußert sich zu dem Fall nicht, scheint aber entschlossen, den Professor loswerden zu wollen: Sie will ihn aus dem Beamtenverhältnis entfernen. Darüber muss nach dem Strafverfahren das Verwaltungsgericht Göttingen entscheiden. Ob es zu dem Prozess kommt, ist unklar. Sollte der Mann zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden, würde das Beamtenverhältnis automatisch enden.“ https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/Sexuelle-Noetigung-Uni-Professor-aus-Goettingen-vor-Gericht,professor148.html

Hellus
2 Jahre zuvor

Es gibt eine nicht unbeträchtliche Zahl Menschen, die diese Art „Machtgefälle“ mögen, auf beiden Seiten, einvernehmlich, zT. nur im sexuellen Kontext, zT. auch weitere Lebensbereiche betreffend.
Es allerdings – wie hier anscheinend geschehen – mit Abhängigen auszuleben ist verantwortungslos.

Lakon
2 Jahre zuvor
Antwortet  Hellus

„Sexuelle Vielfalt“

Eine Mutter
2 Jahre zuvor

Vor dem Gesetz sind also doch nicht alle gleich.
Hätte eine Frau das Selbe Strafmaß erhalten um nicht den Beamtenstatus zu verlieren?
Ist das Verhalten, welches zur Gerichtsverhandlung überhaupt führte, mit der Pflicht zum Wohlverhalten überhaupt vereinbar?
Fragen über Fragen.
Justizia ist wohl nicht nur Blind.