Website-Icon News4teachers

Ukrainische Kinder ins deutsche Schulsystem integrieren? Lehrerverbände skeptisch

Anzeige

BERLIN. Millionen Ukrainer sind vor den Bomben und Kämpfen geflohen, die meisten davon Frauen und Kinder. Viele Kinder und Jugendliche, die nach Deutschland gekommen sind, müssen irgendwann in die Schule. Einen ersten Überblick über die Zahlen soll es kommende Woche geben. Unterdessen ist eine Diskussion darüber ausgebrochen, ob es tatsächlich Ziel sein soll, die jungen Flüchtlinge in den Schulen zu integrieren.

Laut Bilderdienst Shutterstock zeigt das Foto ein Flüchtlingskind aus der Ukraine, das in Polen kurz hinter der Grenze in einem von Helfern aufgebauten Zelt schläft. Foto: Shutterstock / Irina Flamingo

Die Kultusministerkonferenz (KMK) wird voraussichtlich in der kommenden Woche erste Zahlen zu ukrainischen Kindern und Jugendlichen an Schulen in Deutschland vorlegen können. Das sagte KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU)  vor Journalisten. Die von der KMK eingerichtete Taskforce zu dem Thema kümmere sich um die Erhebung der Daten. Ziel sei es, wöchentlich darüber zu informieren.

“Wir reden von indestens 15.000 zusätzlichen Lehrkräften und Tausenden von mehr benötigten Kita-Erzieherinnen”

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, rechnet mit bis zu 250.000 schulpflichtigen Kindern. Man rede dann von «mindestens 15.000 zusätzlichen Lehrkräften, Tausenden von mehr benötigten Kita-Erzieherinnen und damit letztendlich von einem zweistelligen Milliardenbetrag», sagte er der «Passauer Neuen Presse». Prien, die auch schleswig-holsteinische Bildungsministerin ist, berichtete aus ihrem Bundesland von bisher 1173 ukrainischen Schülerinnen und Schülern, die schon Unterricht bekämen.

Anzeige

Nach einem relativ starken Aufwuchs bei den Ankunftszahlen gebe es momentan wieder einen Rückgang. «Da ist eine gewisse Beruhigung eingetreten. Das ist auch das, was ich aus anderen Bundesländern höre. Aber das ist eine Momentaufnahme. Das heißt überhaupt nicht, dass das nächste Woche auch wieder anders sein kann», sagte Prien. Man rechne im Moment mit einer Million Flüchtlinge, davon 40 bis 50 Prozent Kinder und Jugendliche. Pro 1000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern brauche man etwa 60 zusätzliche Lehrkräfte.

In der KMK bestehe große Einigkeit, dass den Kindern und Jugendlichen grundsätzlich das Angebot gemacht werden solle, über verschiedene Integrationsklassen Deutsch zu lernen. «Wir halten das auch für erforderlich, weil die Frage, wann die Schülerinnen und Schüler wieder zurückkehren können, völlig offen ist», sagte Prien. Anders als 2015 und 2016 wolle man aber zusätzlich Angebote nach ukrainischem Lehrplan oder in ukrainischer Sprache ermöglichen, soweit das möglich sei. So gebe es nur vereinzelt ukrainische Lehrkräfte. «Wir können und wollen kein paralleles Schulsystem aufbauen.»

Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka hatte an die Kultusminister appelliert, auf eine Kontinuität der Bildungsprozesse und ein Aufrechterhalten der nationalen Identität ukrainischer Kinder zu achten. Die Konsulin schlug vor, die Kinder über die digitale Plattform e-school.net.ua, die zu Pandemiezeiten aufgebaut wurde, zu beschulen und sehr stark auf den Einsatz von ukrainischen Lehrkräften zu setzen, die zusammen mit den Kindern geflüchtet seien. Es gehe um einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland. Der Unterricht in der Ukraine sei «intensiver, vollzieht sich in kürzerer Zeit als in Deutschland und hat ebenso höhere Anforderungen», betonte Tybinka laut einem Bericht des „Tagesspiegel“.

Meidinger forderte ebenfalls, deutsche Schulen müssten mit der Ukraine zusammenarbeiten. Dabei seien ein gemischter Stundenplan aus ukrainischen und deutschen Unterrichtsinhalten sowie digitale Unterrichtsformen denkbar, sagte er der «Augsburger Allgemeinen». Über digitalen Unterricht könnten etwa ukrainische Lehrkräfte – egal ob nach Deutschland geflüchtet oder noch in der Heimat – viele Schülerinnen und Schüler erreichen. Diese dürften nicht den Kontakt zum ukrainischen Schulsystem verlieren.

“Wir müssen unser eigenes Verständnis von Integration überdenken und offen für neue Antworten sein”

Auch der Verband Bildung und Erziehung forderte zu prüfen, inwieweit Unterricht nach ukrainischem Lehrplan sinnvoll ist. «Wir müssen auch unser eigenes Verständnis von Integration überdenken und offen für neue Antworten sein», sagte der Verbandsvorsitzende Udo Beckmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Das Ziel kann diesmal nicht allgemeingültig in einer schnellen und effektiven Integration in das deutsche Schulsystem liegen.»

Demgegenüber erklärte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger; «Die Integration in das deutsche Schulsystem ist sehr wichtig.» Die Geflüchteten hätten zwar den ganz starken Wunsch, schnell in die Heimat zurückzukehren. Man müsse sich jedoch auch auf den Fall vorbereiten, dass sie länger in Deutschland blieben. Die FDP-Politikerin hatte am Freitag eine Willkommensklasse in Berlin besucht. Dort werden die Kinder größtenteils auf Englisch unterrichtet. News4teachers / mit Material der dpa

Flüchtlingskinder: „Wir werden in Schulen und Kitas zusammenrücken müssen“ – VBE fordert Politik zur Ehrlichkeit auf

Anzeige
Die mobile Version verlassen