Lehrermangel spitzt sich weiter zu: 800 Stellen (allein in Thüringen) unbesetzt

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ERFURT. Personalmangel, Unterrichtsausfall, zusätzliche Schüler aus der Ukraine und der nächste Corona-Winter: Die Thüringer Schulen stehen im neuen Schuljahr vor vielen Herausforderungen und fühlen sich damit nicht selten allein gelassen.

Es ist nichts mehr zu holen – der Lehrer-Arbeitsmarkt ist leer. Foto: Shutterstock

Der Thüringer Lehrerverband (tlv) hat dem Bildungsministerium angesichts des sich weiter zuspitzenden Lehrermangels ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Vor Beginn des neuen Schuljahres am kommenden Montag seien derzeit fast 800 Stellen ausgeschrieben und noch unbesetzt, sagte Tim Reukauf vom Verband am Dienstag in Erfurt. Während von 2014 bis 2022 die Zahl der Schüler um 8.642 zugenommen habe, sei die Zahl der Lehrer im Land um 408 gesunken.

Reukauf verwies zugleich auf eine nicht repräsentative Umfrage, die der Verband jedes Jahr unter den Schulleitungen macht, um ein Stimmungsbild zu erhalten. In diesem Jahr beteiligten sich daran den Angaben zufolge 69 von 783 angeschriebenen Schulen. Der Befragung zufolge fehlen im Schnitt an jeder Schule zwei Lehrer.

Die Folge sei, dass nur jede zehnte Schule sich in der Lage sehe, den Unterricht voll abzudecken. Etwa jede fünfte Schule geht der Umfrage nach von einem Unterrichtsausfall von 50 und mehr Stunden die Woche aus. Hinzu komme, dass viele Lehrkräfte in Fächern unterrichteten, in denen sie nicht ausgebildet seien. Der Personalmangel und die steigende Zahl der Schülerinnen und Schüler führe außerdem dazu, dass Schulen die Klassen von 25 auf bis zu 30 Schüler aufstocken müssten.

«Noch immer bildet Thüringen viel zu wenige Lehrer aus, lässt die Schulen unvorbereitet in den nächsten Corona-Winter laufen und findet keine Lösungen für die Beschulung der ukrainischen Kinder»

Die Schulen fühlten sich angesichts der Vielzahl an Problemen oft alleingelassen, kritisierte der stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes, Frank Fritze. Neben Lehrermangel, Digitalisierung und zusätzlichen Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine werde auch mit Sorge auf eine mögliche neue Pandemiewelle geblickt. Es seien außer allgemeinen Hygieneempfehlungen bislang keine Vorsichtsmaßnahmen vorgesehen, sagte Fritze.

Zwar gebe es an vielen Schulen noch Corona-Tests, doch würden diese in wenigen Monaten ablaufen und dürften auch nur verwendet werden, wenn es einen Anlass dafür gebe – also wenn Schüler Symptome haben. Der Umfrage des Verbandes zufolge wünscht sich ein Großteil der Lehrer verpflichtende Tests für Schüler und Personal. Laut Fritze wird es nach Auskunft des Bildungsministeriums zu Schuljahresbeginn auch keine Maskenpflicht im Unterricht geben. Es fehle generell ein Fahrplan, wie man durch den Herbst und Winter steuere.

Die CDU-Landtagsfraktion warf der Landesregierung vor, die Schulen auf Verschleiß zu fahren. Der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Christian Tischner, sagte: «Noch immer bildet Thüringen unter Rot-Rot-Grün viel zu wenige Lehrer aus, lässt die Schulen unvorbereitet in den nächsten Corona-Winter laufen und findet keine Lösungen für die Beschulung der ukrainischen Kinder.»

Bildungsminister Helmut Holter (Linke) will an diesem Donnerstag einen Ausblick auf das neue Schuljahr geben. News4teachers / mit Material der dpa

Lehrermangel: Unterrichtsversorgung nur noch 92 Prozent – Negativrekord

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3 Kommentare
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Hornveilchen
1 Jahr zuvor

Aber Thüringen verbeamtet doch?!?

GriasDi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hornveilchen

Ja, und was wollen Sie damit Aussagen? Dass es ohne Verbeamtung besser wäre? Sicher nicht. Die Arbeitsbedingungen sagen vielen halt trotz Verbeamtungsaussicht nicht zu.

Gelbe Tulpe
1 Jahr zuvor

Angesichts der inhumanen Arbeitsbedingungen im Referendariat mit bis zu 80 Stunden Arbeit pro Woche und den intransparenten Leistungserwartungen zu vieler Ausbilder kann man jungen Menschen vom Lehrerberuf eh nur abraten.