Gemeinsam mit Mama oder Papa in fremde Welten eintauchen, Bilder anschauen und erste Geschichten lesen: In etwa 40 Prozent der Familien mit ein- bis achtjährigen Kindern wird das laut einer Studie nur selten oder nie gemacht. Hier lesen die Eltern ihren Kindern nicht regelmäßig vor, wie aus dem am Montag in Berlin veröffentlichten Vorlesemonitor hervorgeht. 61 Prozent der Eltern lesen ihren Kindern demnach regelmäßig – also mindestens mehrmals die Woche – vor.
Im Vergleich zu 2019 ist der Anteil der Familien, in denen selten oder nie vorgelesen wird, gestiegen – damals lag er bei 32 Prozent. 2019 wurden allerdings nur Daten für Kinder zwischen zwei und acht Jahren erfasst, nicht für Einjährige.
«Eltern in Deutschland müssen früher anfangen, ihren Kindern vorzulesen. Nicht erst im Alter von zwei Jahren»
«Wenn die Eltern ihren Kindern nicht vorlesen, dann starten die Kinder mit deutlich schlechteren Bildungsvoraussetzungen in die Kitas, in die Grundschulen und in die weiterführenden Schulen», sagte Jörg Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. Ein Land wie Deutschland könne sich das nicht leisten. «Eltern in Deutschland müssen früher anfangen, ihren Kindern vorzulesen. Nicht erst im Alter von zwei Jahren», sagte Maas. «Und sie müssen länger durchhalten.» Die Verantwortung dürfe nicht an das Kita-Personal oder die Lehrkräfte abgegeben werden.
Beim Übergang in die Schulzeit «bricht das Vorlesen in ganz vielen Familien ein und hört mehr oder weniger offenbar schlagartig auf», sagte Simone Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Das sei problematisch, weil Kinder sich dann bei komplexeren Texten schwer tun würden. Höre dann auch das Vorlesen auf, könne das zu Frustration führen.
Doch warum lesen einige Eltern ihren Kindern nur so selten vor? Vor allem eine geringe formale Bildung der Eltern sei ein «Risikofaktor», sagte Ehmig. In 31 Prozent der Familien, in denen die Eltern einen Volks- oder Hauptschulabschluss oder keinen Abschluss haben, wird den Kindern demnach nie vorgelesen. Bei Familien, in denen die Eltern einen höheren Abschluss wie etwa das Abitur haben, liegt dieser Anteil bei 18 Prozent. Die Zuwanderungsgeschichte der Eltern spiele hingegen keine große Rolle. Der entscheidende Faktor sei die Bildung der Eltern, «unabhängig davon, woher die Familie kommt».
«Die Bücher sind ein Faktor, aber man kann auch mit wenigen Büchern regelmäßig vorlesen»
Wie lässt sich gegensteuern? Ehmig sieht einen großen Einflussfaktor: Eltern, denen früher selbst vorgelesen wurde, machen das mit höherer Wahrscheinlichkeit auch bei ihren eigenen Kindern. «Und dieser Zusammenhang, den sieht man besonders deutlich bei formal gering gebildeten Eltern.» Außerdem sei die Verfügbarkeit von Büchern in den Haushalten der Kinder wichtig. Denn: Je mehr Bücher es in einem Haushalt gibt, desto mehr Eltern lesen ihren Kindern regelmäßig vor. 44 Prozent der Familien haben aber maximal zehn Kinderbücher zuhause – bei 56 Prozent sind es mehr. «Die Bücher sind ein Faktor, aber man kann auch mit wenigen Büchern regelmäßig vorlesen.»
Vor allem digitale Angebote böten weitere Möglichkeiten. 40 Prozent der befragten Familien benutzen demnach regelmäßig Apps für Kinder – die Hälfte davon nutzt auch Apps zum Lesen und Vorlesen. Durch digitale Angebote könnten «Eltern, die nicht viele Bücher haben» eine Hürde überspringen, sagte Ehmig.
Der Vorlesemonitor ist ein gemeinsames Projekt der Stiftung Lesen, der Wochenzeitung «Die Zeit» und der Deutsche Bahn Stiftung. Seit 2007 ist er jährlich mit einem Schwerpunkt als Vorlesestudie erschienen – ab diesem Jahr soll der Monitor durch ein neues Studiendesign bessere Vergleiche ermöglichen.
Unter den 839 befragten Eltern waren nur 42 Männer. Das Institut, mit dem man zusammenarbeite, befrage in der Regel die «Mutter als Schlüsselperson» erklärte Ehmig. Es sei aber immer nach dem eigenen Vorleseverhalten und dem des Partners oder der Partnerin gefragt worden. Die Ergebnisse seien bundesweit repräsentativ für Familien mit Kindern im Alter zwischen einem und acht Jahren, sagte Ehmig. Von Mona Wenisch, dpa
Studie: Vorlesen macht Kinder in der Schule erfolgreich – und mitfühlend
Demnächst wird dann also aus E-books vorgelesen, oder wie soll das ablaufen? Und die 100 Bücher, die in den Tests des Monitorings eine wichtige Rolle spielen, werden durch 100 E-books ersetzt?
Halt, es gibt ja schon die Vorlesefunktion in den digitalen Medien. Na dann wird das Vorlesen an einen Automaten delegiert, so wie die “automatisierten Leistungsbewertungen” im Artikel über “Modellversuch: Schulen sollen künstliche Intelligenz im Unterricht ausprobieren”. Als Vorteil davon ist anzumerken: so werden die Kinder nicht durch einen Dialekt “verdorben”, der Computer spricht Hochdeutsch. 🙂
Das positiv relevante, das das Kind mit dem Vorlesen verbindet und somit fördernd wirkt und später nachahmen lässt, ist die gemeinsame Zeit mit den Eltern. Das kann die Vorlesefunktion natürlich nicht bieten.
Ich würde nicht Eltern, sondern Kinder dazu befragen. Gerade gut situierte Eltern würden es sich wahrscheinlich schwerlich eingestehen, nicht oft vorzulesen und dann die Aussage relativieren und beschönigen. Bildungsfernere Eltern, die weniger über ihr Ansehen oder bei anonymen Umfragen auch über das Ansehen ihrer “Schicht” nachdenken, werden ehrlicher antworten.
Ich erinnre mich noch mit Grauen an 500 Gute-Nacht-Geschichten, Rosalinde das See-Schwein, Mulewapp und die gesammelten Geschichten von Wilhelm Busch.
Jeden Abend im Wechsel zwischen Mama und Papa eine Stunde.
Hat nach der Arbeit genervt zeigt heute aber Früchte.
Gutes Sprachvermögen, ein Jugendlicher der wirklich noch selbständig aus Eigenmotivation Bücher liest.
Ist auch bei Pflichtlektüren im Gymnasium hilfreich wenn der Nachwuchs flott und sinntragen lesen kann.
Top Kommentar! Da muss man als Eltern “einfach durch” und eigentlich macht es doch allen Beteiligten Spaß!
Ja.
Wir hatten Stapelweise Bilderbücher und Vorlesebücher. Damit waren wir als Eltern und auch die Tante und Großeltern gut beschäftigt :))
Unsere Kinder haben es geliebt. Ebenso die Hörgeschichten bei den Autofahrten.
Natürlich konnte man manches nach dem Xten mal nicht mehr hören. Aber was waren es für wunderschöne gemeinsame Momente mit den Kindern. Die schönsten und beliebtesten Bücher stehen im Regal und warten auf die Enkel :))
Heute höre ich von vielen SuS in der GS , dass es kein Buch und kein Gesellschaftsspiel mehr zu Hause gibt.
Kosten die Apps nichts?
Ich vermisse den Hinweis auf öffentliche Büchereien. Trotz eines nicht geringen heimischen Buchbestandes wäre ich damals verarmt oder hätte jährlich neue Regale anschaffen müssen ohne diese Einrichtungen. Und ja, das war auf dem Land und da wir auch für die Bücherei der Nachbargemeinde einen Ausweis hatten, ausreichend.
2 von 5 Kindern, also 40 % wird selten oder nie vorgelesen. Wieviel Prozent der Kinder erreichen die Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen nicht? Diese Zusammenhänge sollten mal untersucht werden. Vielleicht ist das der Faktor im Hintergrund und nicht das Einkommen.