Islamischer Religionsunterricht: Junge Lehrkräfte bekommen Skepsis zu spüren

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FRANKFURT/MAIN. Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Frankfurter Goethe-Universität hat erstmals den Verbleib von Absolventinnen und Absolventen islamisch-theologischer Studiengänge untersucht.

Jungen Lehrkräften für islamischen Religionsunterricht sind häufig mit der Erwartungshaltung konfrontiert, „den Islam“ zu repräsentieren  Foto: Shutterstock

Bis zu 2.500 junge Menschen studieren an deutschen Universitäten islamische Theologie oder Religionspädagogik. Doch wo arbeiten die Absolventinnen und Absolventen im Anschluss an ihr Studium? In der Schule, als Imam, in der Sozialen Arbeit oder in den Medien? Dieser Frage ist ein interdisziplinäres Team der Universitäten Gießen, Mainz und Frankfurt nachgegangen. Sind die Berufsfelder durchaus vielfältig, stünden Lehramtsstudierende vor besonderen Herausforderungen, fanden sie heraus.

Für die Studie wurden rund 200 Absolventinnen und Absolventen befragt, die zwischen 2016 und 2019 an den Universitäten Erlangen-Nürnberg, Frankfurt am Main, Gießen, Münster, Osnabrück und Tübingen einen B.A.-Abschluss oder ein Staatsexamen in Islamischer Theologie oder Religionspädagogik erworben hatten.

Fast die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen ist in der Sozialen Arbeit oder verwandten Berufsfeldern beschäftigt. Weitere 40 % arbeiten in pädagogischen Handlungsfeldern. Kaum eine der befragten Personen ist hingegen hauptberuflicher Imam geworden. Auf das Studium der islamischen Theologie oder Religionspädagogik blickten weite Teile der Befragten als eine Phase der intellektuellen und persönlichen Entfaltung zurück. Gleichzeitig hätten sich viele Absolventinnen und Absolventen eine fachlich passendere Vorbereitung auf ihre späteren Tätigkeiten gewünscht.

Lehramtsabsolventinnen und -absolventen unterliegen laut der Studie deutlich anderen Rahmenbedingungen als ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen mit Bachelor- oder Masterabschluss. Ihnen biete sich nach dem Studium ein relativ klares Berufsbild und ein geregelter Übergang in den Schuldienst. Andererseits berichteten sie häufig von erhöhten strukturellen Hürden und Belastungen, da sich der islamische Religionsunterricht noch im Aufbau befindet.

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So habe der der Mangel an Fachbetreuerinnen und Fachbetreuern vielfach dazu geführt, dass die angehenden Lehrerinnen und Lehrer in manchen Regionen zu weit entfernten Studienseminaren geschickt worden seien. In einzelnen Fällen hätten sie zumindest phasenweise an mehreren Standorten arbeiten müssen, um ihre Pflichtstunden und Prüfungsleistungen absolvieren zu können.

Auch die vielerorts noch bestehende Skepsis gegenüber dem Islamischen Religionsunterricht bekämen die jungen Lehrkräfte zu spüren, etwa wenn sie das neue Fach an einer Schule einführen und etablieren sollten. Darüber hinaus fühlten sie oft die Erwartungshaltung, das Fach oder gar „den Islam“ zu repräsentieren. Dies würde besonders dann als belastend empfunden, wenn im Kollegium wenig Rückhalt spürbar sei und auch seitens der Elternschaft deutliche Vorbehalte vorhanden seien.

In zwei von fünf Fällen hätten die hohe organisatorische, fachliche und psychosoziale Belastung zum Abbruch des Referendariats geführt. Habe sich die Erwartung nach dem ersten Staatsexamen, beruflich auf der sicheren Seite“ zu sein, bei vielen Absolventinnen und Absolventen nicht oder nur bedingt erfüllt, würden insgesamt zwei Drittel ihren Studiengang wieder wählen.

Grundsätzlich brächten sich im Übrigen die Absolventinnen und Absolventen überdurchschnittlich in die Gesellschaft ein. Mehr als die Hälfte von ihnen engagierte sich ehrenamtlich. Insbesondere Absolventinnen und Absolventen mit theologischem Schwerpunkt übernähmen häufig Verantwortung in religiösen und sozialen Einrichtungen. (zab, pm)

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Georg
1 Jahr zuvor

Das mit den weit entfernten Studienseminaren ist durchaus möglich, könnte bei anderen seltenen Fächern wie Chinesisch oder Recht aber auch der Fall sein. Die Abbruchquote aufgrund der psychosozialen u.ä. Belastung dürfte nicht so viel höher sein als bei allen anderen Fächern auch. Wer das Fach auf Lehramt studiert, weiß aber im Vorfeld, worauf er oder sie sich einlässt. Die Jobaussichten hängen deutlich vom zweiten Fach ab, wenngleich ich islamischen Religionsunterricht eher nur als drittes Fach nach zwei Fächern, wovon mindestens ein Mangelfach ist, studieren würde. Die sicherlich vorhandene Kombination türkisch-islamischer Religionsunterricht halte ich für taktisch unklug, weil aktuell viel zu selten.