Studie: Mit Musik geht (fast) alles besser – auch die Krisenbewältigung

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WIEN. Musik kann Stress reduzieren und das galt auch in der Corona-Pandemie. Das zeigt eine groß angelegte Studie von Wissenschaftlern der Universität Wien. Zur Ablenkung taugt Musik allerdings nicht.

Das Hören von Musik während des Corona-Lockdowns ging mit niedrigeren Stresswerten und verbesserter Stimmung einher, insbesondere wenn die Musik als fröhlich empfunden wurde. Das zeigt eine großangelegte Studie von Wiener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Daten aus dem ersten Lockdown. Die Ergebnisse deuten nach Ansicht der Forscher auf gute Chancen von Musik als Mittel zur Bewältigung von Krisenzeiten hin.

Junger Mann liegt hinter einem Kofferradio.
Musikhören kann das Wohlbefinden in Krisenzeiten steigern. Foto: Eric Nopanen / Unsplash.com (U. L.)

Musik schafft Verbundenheit, reduziert Stress und beeinflusst unsere Stimmung. So ist wenig überraschend, dass sich viele Menschen weltweit während der Coronapandemie verstärkt der Musik zuwandten, wie beispielsweise dem Musizieren auf dem eigenen Balkon, virtuellen Livekonzerten oder dem Erstellen und Anhören der eigenen Corona-Musik-Playlist.

Ob Musikhören während des Lockdowns tatsächlich zur Linderung von Stress und Verbesserung der Stimmung beitragen konnte, haben nun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fakultät für Psychologie der Universität Wien untersucht. An der Alltagsstudie der Fakultät zum Thema Stress während der COVID-19-Pandemie nahmen insgesamt über 700 Personen aus Österreich und Italien teil. Die Studie fand von April bis Mai 2020 während des ersten „harten“ Lockdowns statt. In beiden Ländern wurden dabei strikte Ausgangsbeschränkungen und Schließungen von Schulen, Arbeitsstätten und Freizeiteinrichtungen durchgesetzt. Über einen Link erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Zugang zu einer App, anhand derer sie täglich mehrmals Angaben zu ihrem aktuellen Wohlbefinden und ihrem Musikhörverhalten machten. Diese Herangehensweise erlaubte dem Forschungsteam realitätsgetreue Einblicke in den unmittelbaren Alltag während des Lockdowns und ermöglichte es zusätzlich, dynamische Zusammenhänge von Musikhören, Stress und Stimmung über die Zeit hinweg zu untersuchen.

Musikhören im Alltag reguliert Stress und Stimmung im Lockdown
Musik wurde durchschnittlich einmal pro Tag gehört. Allerdings unterschieden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stark in ihrem Musikhörverhalten. Lediglich knapp 9 Prozent hörten während des gesamten Studienzeitraumes kein einziges Mal Musik. Musik wurde am häufigsten mit dem Ziel der Aktivierung und Entspannung im Alltag gehört und ein Drittel der Befragten gab an, selbst ein Musikinstrument zu spielen oder zu singen.

„Wurde Musik im Alltag gehört, so berichteten die Teilnehmenden anschließend geringere Stresswerte, eine verbesserte Stimmungslage und mehr Energie, selbst wenn das Musikhören bereits mehrere Stunden zurücklag“, so Anja Feneberg, Erstautorin der Studie. Bei sehr hohen Stresswerten zeigten sich die stärksten stressreduzierenden Effekte durch Musikhören und bei sehr niedrigen Energiewerten erzielte Musik den stärksten Zugewinn an Energie. Außerdem zeigten Personen, die während der bereits vergangenen Lockdown-Wochen vermehrt chronischem Stress ausgesetzt waren, die größte Stimmungsverbesserung nach dem Hören von Musik.

Merkmale der Musik und Gründe für das Musikhören wichtig
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten auch, ob die Art der Musik und die Gründe des Musikhörens eine Rolle spielte. Beurteilten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die gehörte Musik als fröhlich, so zeigten sich stärkere Verbesserungen des Stress- und Stimmungsniveaus. „Wir haben zwar nicht erfasst, welche Musikgenres konkret im Alltag gehört wurden, auf Basis bisheriger Forschung können wir jedoch annehmen, dass dieses Ergebnis unabhängig vom Genre ist, solange die Musik individuell als fröhlich empfunden wurde“, so Studienmitautor Urs Nater. Darüber hinaus zeigte sich, dass das Hören von Musik zur Ablenkung mit höheren Stresswerten einherging. „Das mag zunächst überraschend erscheinen, da Musikhören zur Ablenkung eine naheliegende Strategie zum Umgang mit Krisen wie dem Lockdown erscheint. Jedoch deutet auch weitere Forschung darauf hin, dass Ablenkung keine effektive Strategie zur Krisenbewältigung darstellt. Möglicherweise ist es hilfreicher, sich der aktuellen Situation und deren Folgen zu stellen und Musik als Mittel zur aktiven Entspannung und Aufmunterung zu hören“, so Urs Nater.

Ein chronischer Stressor wie die Corona-Pandemie könne eine starke psychische und soziale Belastung im Alltag darstellen. Erhöhte Stresswerte bedrohten langfristig zudem die psychische und körperliche Gesundheit. In diesem Zusammenhang sprechen aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Ergebnisse der Studie dafür, dass Musikhören im Alltag ein einfaches und kostengünstiges Mittel zur Steigerung des Wohlbefindens und der Gesundheit während des Lockdowns darstellen kann. (pm)

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6 Kommentare
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Schattenläufer
1 Jahr zuvor

Was sollte man denn singen als LuL?

Die Gedanken sind frei????

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Schattenläufer

Gesänge der Buckelwale, eine bedrohte Spezies

Indra Rupp
1 Jahr zuvor

Alle, die in der Kunst tätig sind, wissen um deren Bedeutung. Leider wird Kunst jeglicher Art in der Gesellschaft aber an Bedeutung unterschätzt. Musik zB hat die Aufgabe zu verarbeiten, ähnlich wie nächtliches Träumen. Man setzt sich mit seinen Emotionen auseinander und kann diese dann besser einordnen, reflektieren und verarbeiten. ZB bei Liebeskummer. Dies hilft dann natürlich auch, seinen Alltag wieder geregelt zu bekommen, seiner Arbeit nachzugehen. Im besten Fall widmet man sich bei Problemen der Kunst und nicht den Drogen. Es kann eine bestimmte Melodie in einem Lied sein, die einem das Gift aus den Adern zieht und das Lied sollte man sich dann ruhig 30mal hintereinander anhören.
In der Gesellschaft steht jede Form von Kunst dagegen als Spass und unnütze Freizeitbeschäftigung. Künstler werden als unwichtig für unsere Gesellschaft betrachtet und ihre „Produkte“ nur als Bespaßung missverstanden. Selbst, wenn man von seiner Kunst leben kann, wird dies nicht als Beruf und Arbeit ernst genommen und man gilt mitunter als Arbeitsloser.

Monika, BY
1 Jahr zuvor
Antwortet  Indra Rupp

„Leider wird Kunst jeglicher Art in der Gesellschaft aber an Bedeutung unterschätzt.“

 
Ja, leider. Und sie bietet so unglaublich viel. Gerade für die Kinder.

PaPo
1 Jahr zuvor

Ich höre eigtl. den ganzen Tag über Musik, wenn ich die Möglichkeit dazu habe… kann mir ein Leben ohne Musik nicht vorstellen. Und die letzten beiden Jahre waren für die Künstler, deren Werke ich so rezipiere, auch extrem produktiv; alleine 2022:

  • Blind Guardian – The God Machine​
  • Machine Head – Of Kingdom and Crown​
  • Electric Callboy – Tekkno​
  • Warkings – Morgana​
  • Wind Rose – Warfront​
  • Lorna Shore – Pain Remains
  • Behemoth – Opvs Contra Natvram​
  • Negator – Vintas Pvritas Existentia​
  • Blackbraid – Blackbraid I​
  • Lord of the Lost – Blood & Glitter​

Zumindest musikalisch ein tolles Jahr.

Wir haben zwar nicht erfasst, welche Musikgenres konkret im Alltag gehört wurden, auf Basis bisheriger Forschung können wir jedoch annehmen, dass dieses Ergebnis unabhängig vom Genre ist, solange die Musik individuell als fröhlich empfunden wurde“, so Studienmitautor Urs Nater.
Natürlich! Welche Erkenntnis. Musik, die in puncto Genre bereits Aversionen bei mir evoziert, hilft mir nicht. Wer hätte das gedacht?! ^^

Carsten60
1 Jahr zuvor

Also soll der MusikUNTERRICHT jetzt einfach nur zur Entspannung beitragen, indem Musik angehört wird? Und der Geschmack der Mehrheit entscheidet dann? Oder der der Lehrer? Im Sportunterricht gibt’s dann Yoga, auch zur Entspannung? Und in welchen Fächern gibt’s dann noch das Gegenteil, also Anspannung?
Ich könnte mir außerdem denken, dass in Wien eine andere musikalische Tradition in der Bevölkerung herrscht. Da wird die klassische Musik vielleicht mehr gepflegt als anderswo und die überlauten wummernden Bässe aus den Lautsprechern vielleicht weniger. Dass die entspannen, kann ich nicht finden, die schmerzen ja im Magen. Klar, es gibt auch aufpeitschende „Musik“.
Das „entspannende“ und „kauflustfördernde“ Gedudel in Kaufhäusern ist wohl hoffentlich auch nicht gemeint. Aber Dokumentarfilme z.B. über exotische Tiere oder Landschaften sind neuerdings ohne permanentes Gedudel auch nicht mehr denkbar, warum eigentlich nicht? Die Lautstärke wird immer dann kurz reduziert, wenn etwas wichtiges gesagt wird.
Kurz: Wir werden eigentlich immer mehr von allen Seiten beschallt.