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Nach dem IQB-Schock – Schulministerin kündigt an: Grundschullehrkräfte sollen „intensiver begleitet“ werden

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DÜSSELDORF. Nordrhein-Westfalens Schulministerin Dorothee Feller (CDU) will nach dem IQB-Schock die Rechen- und Lesekompetenzen von Grundschülern verbessern – indem sie unter anderem Grundschullehrkräfte «intensiver begleiten und bei Bedarf auch weiter qualifizieren» lassen will. Damit greift Feller offensichtlich eine Kritik des Philologenverbands auf, der mit Blick auf die Grundschulen gefordert hatte: «Schluss mit erwiesenermaßen unbrauchbaren Methoden!»

«Wichtig ist, dass unsere Konzepte noch mehr in den Schulen ankommen und gelebt werden»: Dorothee Feller (CDU), Schulministerin von Nordrhein-Westfalen. Foto: Bezirksregierung Münster

Mit Blick auf die Ergebnisse der jüngsten IQB-Studie, die Viertklässlern fast bundesweit ein schlechteres Leistungsniveau in den Fächern Deutsch und Mathematik attestiert – Nordrhein-Westfalen gehört zu den Schlusslichtern im Ländervergleich -, erklärt Feller nun im Interview mit der «Rheinischen Post»: «Das treibt mich wirklich sehr um. Zu viele Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen haben große Schwierigkeiten im Fach Mathematik sowie beim Lesen, Schreiben und Zuhören. Den Nachholbedarf tragen sie mit in die weiterführenden Schulen und manche haben vielleicht sogar ihr Leben lang damit zu kämpfen.»

Ihr Ressort erarbeite derzeit ein Konzept, um die Kernkompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik «deutlich und langfristig» zu stärken. «Und ich will, dass wir damit im nächsten halben Jahr noch konkreter als bisher in die Umsetzung gehen.»

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Kernpunkte dabei: «Wir stellen alle bisher getroffenen Maßnahmen auf den Prüfstand und denken über viele Dinge nach. Zum Beispiel können dazu intensive gemeinsame Lesezeiten gehören oder auch das regelmäßige Erheben der Lernstände der Schülerinnen und Schüler. Es gibt auch erste Überlegungen für eine Erhebung der Kernkompetenzen noch vor der Einschulung, um von Anfang an gezielte Förderungen zu planen. Wissenschaftler sagen: Unsere Fachoffensiven für die Fächer Deutsch und Mathematik von 2021 sind dafür eine gute Grundlage. Darauf werden wir mit weiteren Maßnahmen aufbauen.»

«Es muss uns gelingen, jetzt ganz konkrete Methoden so an die Schulen zu bringen, dass sie dort auch wirklich umgesetzt werden können»

Auch die Qualifikation von Grundschullehrkräften nimmt Feller in den Blick. «Wichtig ist, dass unsere Konzepte – ergänzt durch Ideen guter Vorbilder, beispielsweise aus Hamburg – noch mehr in den Schulen ankommen und gelebt werden. Ich glaube, dass wir die Lehrkräfte an den Grundschulen dazu auch intensiver begleiten und bei Bedarf auch weiter qualifizieren müssen», erklärt sie.

«Es muss uns gelingen, jetzt ganz konkrete Methoden so an die Schulen zu bringen, dass sie dort auch wirklich umgesetzt werden können. Unsere grundständig ausgebildeten Lehrkräfte bringen dafür auf jeden Fall das nötige Rüstzeug mit. Etwas mehr Unterstützungsbedarf gibt es möglicherweise bei den Seiteneinsteigern, die wir an den Grundschulen einstellen. Die müssen wir seitens des Landes während ihrer Ausbildung länger und intensiver begleiten, vielleicht mit fortlaufender Beratung.»

«Um neue Lehrer auszubilden, brauchen wir die Abiturientinnen und Abiturienten. Und um die werben jetzt viele»

Sind also die Grundschullehrkräfte schuld am Leistungsabsturz der Schülerinnen und Schüler? Mögliche weitere Ursachen für den IQB-Schock – insbesondere die Überlastung der Lehrkräfte durch Inklusion, Integration, die Corona-Krise und Personalmangel – nennt Feller nicht. Über den Lehrkräftemangel spricht sie zwar (darauf angesprochen, dass in Nordrhein-Westfalen 8.000 Lehrkräfte, die meisten davon an Grundschulen, fehlen). Einen Zusammenhang zu den IQB-Ergebnissen zieht sie aber nicht. Nur so viel: «Es wird schon allein deswegen nicht über Nacht möglich sein, ihn (den Lehrermangel, d. Red.) zu beheben, weil wir in allen Bereichen einen Fachkräftemangel haben. Um neue Lehrer auszubilden, brauchen wir die Abiturientinnen und Abiturienten. Und um die werben jetzt viele.»

Der Philologenverband Rheinland-Pfalz, der Gymnasiallehrkräfte vertritt, hatte nach Veröffentlichung der IQB-Ergebnisse die Bildungspolitiker der Länder aufgefordert, gegen Grundschullehrkräfte vorzugehen (News4teachers berichtete). «Beenden Sie diesen Wahnsinn! Sorgen Sie dafür, dass eine schädliche Didaktik schnellstmöglich revidiert und Kindern das Leid des endgültigen Scheiterns erspart wird», so verlautete er.

Der Verband betonte: «Man kann die derzeit von den Hochschulen propagierte Grundschuldidaktik fast schon als eine Didaktik der Verwahrlosung bezeichnen: Fehler werden nur noch ansatzweise korrigiert und setzen sich daher in den Köpfen der Kinder fest, von der Lehrkraft angeleitete gemeinsame Erarbeitungsphasen geißelt diese Didaktik als lehrerzentriert, und automatisiertes Üben beim Rechnen – davon will man gar nichts mehr wissen. Ein solcher Ansatz führt uns schon seit Jahren an den pädagogischen Abgrund, aber während der Pandemie und der Phasen des Fernunterrichts war dieser Ansatz erst recht zum Scheitern verurteilt.»

Verbände, die Grundschullehrkräfte vertreten – wie der VBE und die GEW – wiesen diese Kritik entschieden zurück und verwiesen auf die zunehmend schlechten Arbeitsbedingungen an Grundschulen. Der Grundschulverband sprach von «billigem Kollegen-Bashing». News4teachers / mit Material der dpa

Schulschwatz – der Bildungstalk: Sind die Grundschulen schuld am Leistungsabsturz? Vom Zerrbild der „Kuschelpädagogik“

 

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