Zweijähriger in Kita-Bett erstickt: Anklage gegen Erzieherinnen wegen fahrlässiger Tötung

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Eineinhalb Jahre nach dem Tod eines zweijährigen Jungen in einer Gelsenkirchener Kita müssen sich zwei Erzieherinnen der Einrichtung vor Gericht verantworten. Das Amtsgericht Gelsenkirchen habe die Anklage wegen fahrlässiger Tötung zur Hauptverhandlung angenommen, sagte ein Gerichtssprecher am Montag.

Das Gericht hat zu entscheiden. Foto: Shutterstock

Den zur Tatzeit 24 und 36 Jahre alten Frauen werde vorgeworfen, ihre Aufsichtspflicht missachtet zu haben. Der Junge war beim Mittagsschlaf in seinem Bett erstickt, weil er sich in einem Etagenbett unglücklich eingeklemmt hatte.

Der Junge habe in dem Etagenbett während seines Mittagsschlafes unten gelegen und offensichtlich die nicht fest verankerte Bodenplatte des darüberliegenden Bettes hochgedrückt, schilderte der Gerichtssprecher auf der Grundlage der Anklageschrift. Als die Spanplatte wieder herunterrutschte, sei er mit dem Kopf eingeklemmt worden und erstickt. Die Erzieherinnen hätten gewusst, dass der Zweijährige das erste Mal über Mittag in der Kita schlafen sollte und das nicht gewohnt gewesen sei. Sie hätten trotzdem keine Sitzwache gehalten oder wenigstens ein Babyphone aufgestellt. Die Tür zum Schlafraum sei geschlossen gewesen.

Zu dem Prozess sind zwei Sachverständige und mehrere Zeugen, darunter die Mutter des Jungen, geladen. News4teachers / mit Material der dpa

Tod eines Zweijährigen in Kita: Wohl in Bett eingeklemmt und erstickt

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TaMu
1 Jahr zuvor

Wer war eigentlich für die nicht verankerte Bodenplatte zuständig? Schließlich sollte diese vermutlich festgeschraubt sein. Und weil sie es nicht war, müssen zwei Erzieherinnen nach eineinhalb Jahren vor Gericht, um sich wegen fahrlässiger Tötung zu verantworten. Ich denke mit Entsetzen, was diese beiden Frauen durchmachen. Es gibt Gruppen, in denen es schneller leise wird, wenn Erwachsene den Raum verlassen. Die beiden saßen vor der Tür und hätten sofort auf Weinen oder Lärm reagiert. Sie hätten aber offensichtlich auch auf leises Ersticken durch einen Materialmangel gefasst sein müssen.
Fahrlässige Tötung. Ich habe Achtung vor beiden Frauen, dass sie diese Zeit überlebt haben und dass sie sich dieser Verhandlung stellen.
Was auch immer dabei heraus kommt, auch sie haben ihr Leben verloren. Es wird nie mehr so sein, wie es war. Neben den Eltern und Angehörigen des gestorbenen Kindes gilt mein tiefes
Mitgefühl auch diesen beiden Frauen und ich wünsche ihnen Kraft.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor
Antwortet  TaMu

Allen unter diesem tragischen Unglück leidenden Menschen wünsche ich Mitmenschen, die ihnen immer wieder hilfreich zur Seite stehen. Es ist etwas eingetreten, was niemand gewollt hat.

Ansonsten möchte ich gestehen, dass ich eine sorgsame juristische Aufarbeitung wichtig finde. – Ein Kind, dass zum ersten Mal in der Kita Mittagsschlaf halten sollte, ist dabei aufgestanden und das wurde nicht bemerkt. Da es nicht abwegig ist, dass Kinder beim ersten „Mittagsschlaf“ in einer fremden Umgebung aufwachen oder gar nicht erst einschlafen, wäre es angebracht gewesen, dass eine Kraft im Raum oder zumindest vor einer nur angelehnten Tür gewacht hätte. Es sollen nur vier Kinder und zwei Erzieherinnen zum Zeitpunkt des Unglücks im Kindergarten gewesen sein. – Also gab es keinen Grund, die Tür zu schließen um die Schlafkinder vor Lärm zu schützen. https://www.spiegel.de/panorama/justiz/gelsenkirchen-zweijaehriges-kind-gestorben-junge-offenbar-in-bett-eingeklemmt-und-erstickt-a-04e3d7ed-1ec2-4c45-b1bf-b62f26e1573d
Viele Türen in Kitas sind wesentlich besser gedämmt als einfache Wohnungstüren in Privathaushalten. Durch eine gut schließende Tür hört man nicht allzu viel. Das Kind wird über mehrere Minuten um Luft gerungen haben und sich dabei auch bewegt haben. Es bleibt abzuwarten, was über die rechtsmedizinische Untersuchung und andere Gutachten herauskommt.

Angelika Mauel
1 Jahr zuvor

„Auch wurde der eigentlich meldepflichtige Vorfall nach Auskunft des Sozialministeriums nicht dem Landesjugendamt angezeigt.“ hieß es vor etwas über zehn Jahren, bei einem anderen Unfall im Schlafraum. Damals wurde in Sankt Ingbert ein Kleinkind von einem anderen 15 Mal ins Gesicht gebissen und schwer verletzt.
https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/kleinkind-in-kita-schwer-verletzt_aid-428978
Die Ermittlungen wurden 2013 vorläufig eingestellt und gegen eine Erzieherin wurde wegen geringer Schuld eine Geldbuße von 500 Euro festgesetzt. https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/saar-pfalz-kreis/sanktingbert/schlussstrich-unter-beissattacke_aid-557035

Es ist nur ein Eindruck, aber mir kommt es so vor, als ob das nicht endenden wollende Gerede über „helikopternde Eltern“, die als Witzfiguren dargestellt werden, vor allem Berufsanfängerinnen davon abhält, mit ihren eigenen Sinnen auf Kinder sorgsam zu achten. Niemand will „überbesorgt“ sein, weil man dann ja „unprofessionell“ wäre. Aber Kleinkinder können während des Mittagschlafs erbrechen, Essensreste im Mund hamstern und im Schlaf Probleme bekommen. Und wenn es „nur! Alpträume sind. Kinder stehen schon mal auf und auch wenn eine Beißattacke wie in St. Ingbert nahezu undenkbar ist, sollte uns bewusst sein, dass wir die Aufsichtspflicht gründlich und unauffällig zugleich ausüben können. Kinder sollen sich nicht dauerüberwacht fühlen, aber es gibt triftige Gründe, die für die Anwesenheit einer Erzieherin im Gruppenraum sprechen. Kinder bekommen Magen-Darm-Infekte oder müssen mal zur Toilette und damit sie andere nicht wecken oder stören, ist die Anwesenheit so oft sinnvoll, dass wir uns nicht durch Babyphone ersetzen lassen sollten.

Dass die Erzieherinnen nicht daran gedacht haben, die Tür offen stehen zu lassen, halte ich für einen Fehler. In Presseartikeln fand ich keine Angaben darüber, ob oder wann die Schrauben der Kinderbetten zuletzt geprüft wurden. Dass sich Schrauben lockern können, ist bekannt und es reicht nicht, wenn die oder der Sicherheitsbeuaftragte unter dem Kitafachkräften nur auf die Geräte im Außengelände schaut.

In NRW lassen sich einige Kitaleitungen die Informationen von den Unfallkassen anderer Bundesländer schicken, weil sie diese besser finden.