Überraschende Studie: Bessere Schulleistungen nach intensivem Ramadan-Fasten

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KÖLN/BERN/KONSTANZ. Bald beginnt der Ramadan und auch immer mehr Schülerinnen und Schüler fasten mit und viele Lehrerinnen und Lehrer sorgen sich um ihre Schützlinge. Mittelfristig können Jugendliche vom Ramadanfasten in ihren Leistungen sogar profitieren, zeigt nun eine aktuelle Untersuchung. Entscheidend dabei sind die sozialen Aspekte religiöser Aktivitäten, vermuten die Forscher.

Das Fasten im neunten Monat des islamischen Kalenders, dem Ramadan, wird jedes Jahr von mehr als einer Milliarde Musliminnen und Muslime praktiziert. Neben dem täglichen Verzicht auf Speisen und Getränke zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nehmen viele Gläubige während des Ramadans verstärkt an sozialen Aktivitäten teil. Hierzu zählt beispielsweise das tägliche Fastenbrechen im Kreis von Freundinnen und Freunden und der Familie oder nach dem Gottesdienst mit der Gemeinde. An vielen Schulen allerdings machen sich Lehrerinnen und Lehrer Sorgen, ob möglicher gesundheitlicher Einschränkungen, aber auch wegen der Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler, die sich am Fasten beteiligen.

Ein junge mit weißer Kopfbedeckung liest in einem Buch.
Sich am Ramadan zu beteiligen bringt auch eine Reihe sozialer Erfahrungen mit sich, von der Schülerinnen und Schüler offenbar messbar profitieren. Foto: Ding Digital Photography / flickr (CC BY 2.0)

In einer aktuellen Studie kommen Ökonomen aus Konstanz, Köln und Bern nun allerdings zu dem Schluss, dass sich längere tägliche Fastenzeiten im Ramadan im Schnitt mittelfristig positiv auf die Schulleistung muslimischer Jugendlicher auswirken. Insbesondere die verschiedenen sozialen Aktivitäten während des Ramadan tragen dazu bei, dass Jugendliche neue Kontakte knüpfen und eine gemeinsame Identität innerhalb ihrer Schulklasse entwickeln, ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Erik Hornung, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität zu Köln.

In der Studie untersuchen die Forscherinnen und Forscher die Frage, ob das Ramadanfasten einen über die Fastenzeit hinaus andauernden Effekt auf die Bildungsleistung von Achtklässlern hat und ob die tägliche Fastendauer dabei eine Rolle spielt. Dazu werteten sie Daten von Achtklässlerinnen und Achtklässlern aus der internationalen Schulleistungsuntersuchung TIMSS sowie dem europäischen PISA-Test über mehrere Jahre aus. Für ihre Studie machte sich das Team die Tatsache zunutze, dass sich das Datum des Ramadans gemessen am Sonnenkalender jedes Jahr einige Tage nach vorne verschiebt. Da die Tageslänge von der Jahreszeit abhängt, verändert sich durch die jährliche Verschiebung des Ramadans auch die tägliche Fastendauer von Jahr zu Jahr.

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Ergebnis: Obwohl das körperlich anstrengende Fasten bekanntermaßen negative Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit während der Fastenzeit haben kann, schnitten Schülerinnen und Schüler in muslimischen Ländern bei der internationalen Schulleistungsuntersuchung TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) nach intensivem Ramadanfasten besser ab als nach einem weniger intensiven Ramadan. „Schülerinnen und Schüler, die einen intensiven Ramadan erlebt haben, erzielten im folgenden Jahr durchschnittlich bessere Schulleistungen“, präzisiert Erik Hornung.

In Ländern mit mehrheitlich nicht-muslimischer Bevölkerung zeigte sich dieser Leistungseffekt jedoch nicht. Wie sich der Ramadan mittelfristig auf die Schulleistung auswirkt, hänge mithin unter anderem davon ab, ob die Mehrheit der Jugendlichen im direkten Umfeld ebenfalls fastet. Das bestätigten auch die PISA-Daten aus acht europäischen Ländern: In Jahren mit längerer täglicher Fastendauer holten Jugendliche aus muslimischem Elternhaus auf und reduzierten die existierende Lücke zu anderen Schülerinnen und Schülern im PISA-Test stärker als in Jahren mit einer geringeren Fastendauer. Dieser Effekt ist an Schulen mit einem hohen Anteil muslimischer Schülerinnen und Schüler größer als an Schulen mit einem geringen Anteil. „Wir interpretieren das als einen weiteren Hinweis auf eine identitätsstiftende Wirkung des Ramadan, die sich positiv auf die Leistungen auswirkt“, so Hornung.

„Unsere Forschungsergebnisse legen nahe, dass das Ausüben der religiösen Praktik die Bildung einer gemeinsamen Identität unter den Schülerinnen und Schülern fördert und das für den Bildungserfolg nützliche soziale Kapital erhöht“, bestätigt auch Hornungs Konstanzer Kollege Guido Schwerdt. „Dazu zählen beispielsweise Kontakt zu anderen Jugendlichen mit höherem sozioökonomischem Status, Unterstützung und Hilfeleistung oder Anerkennung und Wissen“.

In bisherigen Studien seien insbesondere die unmittelbaren negativen Auswirkungen des Fastens auf die Leistungsfähigkeit untersucht worden, schließen die Wissenschaftler. „Wir zeigen aber, dass Schülerinnen und Schüler, die einen intensiven Ramadan erleben, mittelfristig davon profitieren können, weil sie ihre sozialen Verhaltensweisen ändern. (pm)

Ramadan: Kinderärzte und Kinderschutzbund warnen vor Gesundheitsrisiken für Schüler

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23 Kommentare
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Georg
1 Jahr zuvor

Ich interpretiere das Ergebnis wie folgt:

Homogene Klassen führen zu besseren Ergebnissen.

Stefania Kunze
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ich interpretiere das genauso, Georg, und schließe daraus, dass auch Jugendliche anderer Religionen „in ihren Leistungen profitieren können“, wenn sie ihre religiösen Gebräuche gemeinsam pflegen. Denn „entscheidend dabei sind die sozialen Aspekte religiöser Aktivitäten, vermuten die Forscher.“

Dass gemeinsame Rituale eine „identitätsstiftende Wirkung“ haben, ist nicht neu. Wenn sie religiösen Ursprungs sind, wirken sie vielleicht sogar besonders intensiv.
Deshalb ist zu fragen, warum die christliche Kirche ihre Tradutionen so wenig pflegt und oft sogar aufgibt, um andersgläubige Mitbürger und ihre Kinder nicht zu befremden und auszuschließen.
Damit tut sie jedoch das Gegenteil dessen, was Forscher nun anhand des Ramadan-Fastens an positiven Auswirkungen auf die Schulleistungen der Kinder herausgefunden haben. Sie sollte sich ein Beispiel nehmen und auch ihren Jugendlichen religiöse Gebräuche nicht mehr abgewöhnen, sondern wieder angewöhnen.

DerDip
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Für mich ist das Ergebnis der Studie, dass es Kindern und Jugendlichen hilft, wenn diesen strikte Regeln auferlegt werden.
Das Fasten an sich ist ja offenbar nicht förderlich, sondern die sozialen Aktivitäten drumherum.
Als negativ sehe ich die von den Wissenschaftlern als positiv dargestellte Identitätstiftende Wirkung, da diese gleichzeitig eine Abgrenzung zu der restlichen Gesellschaft bedeutet.
Zudem würde mich interessieren, wie die Leistung der Ramadan Teilnehmer im Vergleich zu jüdischen oder christlichen Schülern ist, die ihren Glauben ebenfalls relativ konsequent praktizieren.

Monika, BY
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Ich interpretiere es so. Wir essen zu viel, wir trinken zu viel (Säfte, Alkohol etc..), wir konsumieren Müll zu viel.
 
Der Körper geht kaputt, damit auch, natürlich, die Gehirnleistung.
 
Ich faste mehrmals monatlich, keine religiöse Grunde, einfach deshalb, weil ich bemerkt habe, dass ich nach zwei Tage ohne schweres Essen leicht wie ein Schmetterling aus dem Bett um 5 Uhr morgens herausfliege und den ganzen Tag über fit bin.

Monika, BY
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Und ich bin übrigen 49. Und es klappt hervorragend.
 
Bei den Kindern geht es schwieriger. Wenn ich nicht ständig bei den Obst- und Gemüseschneiden bin, sind sie sofort bei Chips, Keksen und Co. Sie lernen viel, sie leisten viel und natürlich, das Gehirn braucht Unterstützung dafür. Also, ich kaufe kein junk Food und bin beim Schneiden non-stop:D

Monika, BY
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

Und im Übrigen, im Homeschooling waren sie beide dünn wie Strohhalme mit top Leistung. Es reichte schon 6 Monate in der Schule und sie habe es körperlich zugelegt und die Leistung liegt nicht mehr bei 1.0. Fragt ruhig warum.

Kritischer Dad*NRW
1 Jahr zuvor

Altersstruktur oder Langfristigkeit positiver Ergebnisse leider unbekannt

Da möchte ich aber auch die Studie des Fasten-light beim Christentum nach Karneval – von Aschermittwoch bis Ostern – gegenübergestellt sehen und die Meinung der Kinderärzte abwarten …

Last edited 1 Jahr zuvor by Kritischer Dad*NRW
DerDip
1 Jahr zuvor

…und auch den Einfluss von Alkoholkonsum und der Karnevalsfeiern. Beides fördert ebenfalls soziale Kontakte unter gleichaltrigen und fördert im Rheinland die Bildung einer Identität….

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerDip

Genau! Deswegen haben sogar die Corona-Regeln Rücksicht darauf genommen: Erst wurden sie NACH dem Karneval eingeführt und jetzt knapp VOR dem Karneval wieder aufgehoben.

Georg
1 Jahr zuvor

Mehr als Korrelation zeigt der Artikel nicht auf. Außerdem wirkt er wie eine Rechtfertigung, Begründung oder Werbung, Achtklässler bereits fasten zu lassen. Ein weiterer Schritt in Richtung Islamisierung.

Lera
1 Jahr zuvor
Antwortet  Georg

„In Ländern mit mehrheitlich nicht-muslimischer Bevölkerung zeigte sich dieser Leistungseffekt jedoch nicht.“

Georg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lera

Was wollen Sie damit sagen? Und wie sind die muslimischen Länder z.B. bei PISA im Vergleich zu nichtmuslimischen Ländern aufgestellt?

Carsten60
1 Jahr zuvor

Hier werden wohl Schulleistungsstudien auf geheimnisvolle Weise vermischt mit Behauptungen zum sozialen Verhalten und zur „Identitätsstiftung“. „TIMSS und PISA haben gezeigt, dass …“ Und warum machen das Ökonomen, während sonst immer Psychologen für die Schule zuständig sind? Andere Ökonomen hatten herausgefunden, dass im Ramadan der Lebensmittelkonsum in den entsprechenden Ländern zunimmt und nicht abnimmt, weil eben nachts üppig getafelt wird. Siehe auch:
https://www.tagesspiegel.de/berlin/immer-mehr-muslimische-kinder-fasten-an-ramadan-5327512.html
Darin steht u.a.: „Und wer nicht mitfaste, werde nicht selten von fastenden Mitschülern gemobbt.“

Rüdiger Vehrenkamp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Ich finde den Fastenbrauch ohnehin etwas inkonsequent. Was ist das für ein Fasten, wenn ich tagsüber nichts zu mir nehme, mir aber dafür in der Nacht den Bauch bis obenhin vollschlage?

Teacher Andi
1 Jahr zuvor

Also ich habe da andere Erfahrungen gemacht. Der Ramadan fällt in die Vorbereitungszeit fürs Abitur, die Schüler fehlen, sind müde und/oder nicht belastbar. Ich habe schon etliche erlebt, die die Zulassung zum Abitur wegen des Fastens vergeigt haben. Ich finde es schon etwas unverantwortlich, nicht mal bei solch richtungsweisenden lebenswichtigen Anlässen eine Ausnahme zu machen. Kontaktaufnahme mit den Eltern zielt da oft auch ins Leere. Es geht immerhin um den beruflichen Werdegang des Kindes! Die Abschottung und das Unter-sich-Bleiben beim Ramadan sehe ich nun auch nicht gerade als förderlich für die Integration an.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Und dann gibt’s auch noch von den Funktionären unterschiedliche Kommandos: Der Zentralrat sagt, unter 14 Jahren sei das Fasten keine Pflicht. Woanders habe ich gelesen, dass es ab 7 Jahren empfohlen (!) wird und ab der Pubertät Pflicht ist. Dabei ist vermutlich „Beginn der Pubertät“ gemeint, bei Mädchen kann das mit 9 oder 10 Jahren sein. Also gibt es nicht einmal klare Regeln dafür, jeder soll das mit sich selbst ausmachen. Ich finde ein bewusstes Fasten von Kindern und Jugendlichen einfach physisch unpassend, das ist eher was für ältere Jahrgänge mit Übergewicht.

Rüdiger Vehrenkamp
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

Da fragt man sich: Ist die Religion für den Menschen da oder der Mensch für die Religion?

Adamo
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Ach Teacher Andi,

wie kannst du bloß die Studie hier in Frage stellen? Was nicht sein darf, darf nicht sein und Kritik an solchen Studien ist nicht gewünscht!

Monika, BY
1 Jahr zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Schade ist nur, dass Fasten oder intensives Fasten immer in Korrelation mit Religion gebracht wird. Fasten entschlackt den Körper, erneuet die Körperzellen, entlastet die Leber. Bei den Kindern und Heranwachsende generell reicht es gesundes Essen und drei Mahlzeiten ohne das Zwischendurch, aber das ist heute fast unmöglich. Außerdem Fasten muss nicht intensiv sein um den Körper zu entlasten. Schon die leichte Kost und wenig Konsum bewirkt für den Körper und Gehirn ein Wunder. Man muss nicht immer extrem denken und das tun wir heute viel zu oft. Auf Fleisch muss man nicht beispielsweiße verzichten, aber statt 300 g wöchentlich isst man heute entweder 2 kg wöchentlich oder verzichten auf das Fleisch komplett und konsumiert z.B. stattdessen viel zu viel Brot und Nudeln. Bei heutigem Lebensstil ist auf jeden Fall schwierig in Gleichgewicht zu bleiben und zwar Jahrelang so.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Monika, BY

… aber auch im Ramadan wird täglich viel und schwere Kost gegessen, aber halt nur nach Sonnenuntergang. Für das große Entschlacken dürfte ein Tag kaum ausreichen. Ich habe gelesen, dass viele Leute dadurch im Ramadan sogar zunehmen.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  Monika, BY

Das ist wohl hier nicht das Thema. Fastenbrechen heißt, den ganzen Tag nichts zu essen, um dann bei Einbruch der Dunkelheit eine große Menge in sich hineinzuschlingen. Der religiöse Hintergrund ist ein ganz anderer als die gesunde Ernährung. Was Sie ansprechen, ist ein fehlendes Ernährungsbewusstsein und ein Konsumverhalten, das oft seinesgleichen sucht.

E.T.
1 Jahr zuvor

Worauf zielt der Artikel eigentlich ab? Sollen die Schüler jetzt alle Ramadan feiern und für Ramadan fasten?
Ich weiß nicht, ob es eine islamische Tradition braucht, um ein weltliches Heilsversprechen in den Raum zu stellen, nämlich die Verbesserung von Schülerleistungen.
Dass Fasten Körper und Geist gut tut, ist allgemein bekannt und immer mehr Leute tun es. Dazu braucht es keine Extra-Werbung für islamisches Brauchtum.

Teacher Andi
1 Jahr zuvor
Antwortet  E.T.

Das islamisch basierte Fastenbrechen ist nun nicht unbedingt mit gesundem Fasten gleichzusetzen.