Bildungsgipfel (fast) ohne Kultusminister? Stark-Watzinger: „Es sind 1000 Leute da“

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Vor dem sogenannten «Bildungsgipfel» an diesem Dienstag in Berlin hat Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ihre umstrittene Veranstaltung verteidigt – und Probleme an Schulen in Verantwortung der Bundesländer bemängelt. Von dort kommt die Kritik postwendend zurück. «Leider fehlt es dem Bildungsgipfel von Frau Stark-Watzinger an einer professionellen Struktur, damit er Sinn macht», erklärte zum Beispiel Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU).

Schauveranstaltung? Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) steht wegen ihres „Bildungsgipfels“ in der Kritik, Foto: Shutterstock / photocosmos1

«Wir sehen den Lehrerinnen- und Lehrermangel, wir sehen den Investitionsstau und wir sehen auch, dass moderner digitaler Unterricht nicht flächendeckend vorhanden ist», sagte Stark-Watzinger im Deutschlandfunk. Es gehe zwar nicht darum, zentrale Bildungspolitik in Berlin zu machen. Dennoch wolle man sich gemeinsame Ziele setzen und die Schnittstellen gut gestalten, sagte die Ministerin.

In Berlin kommen am Dienstag Vertreterinnen und Vertreter von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu einem Bildungsgipfel zusammen. Die Ampel-Parteien hatten ein solches Treffen in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Bei der Konferenz soll es um grundsätzliche Probleme in der Bildungspolitik gehen.

Stark-Watzinger (FDP) rief zum Auftakt die Akteure in der Bildungspolitik zur Zusammenarbeit auf. Viele Probleme seien strukturell. Bund und Länder zeigten mit dem Finger aufeinander. Davon sei noch nie ein Kind klug geworden. «Wir sind nicht da, wo wir sein müssen, wo wir sein wollen. Wir sind jetzt an einem entscheidenden Punkt. Es ist wichtig, dass wir jetzt gemeinsam starten. Wir brauchen eine bildungspolitische Trendwende.»

«Ich möchte nochmal sagen, es sind über 1000 Menschen da, die im Bildungswesen engagiert sind und sich einbringen und wir brauchen sie alle»

Die Veranstaltung stand allerdings bereits vorab in der Kritik. Nicht nur Oppositionspolitiker erwarten sich nicht viel davon – lediglich zwei Kultusminister, die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse und der Hamburger Bildungssenator Ties Rabe (beide SPD), haben sich laut Programm angesagt. Die unionsgeführten Länder schicken nur einen Staatssekretär, der auf dem Podium nicht mitdiskutieren wird. Auch dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht teilnimmt, wurde kritisiert.

Auf die Frage, was ein solcher Gipfel bringen könne, wenn keiner von den wirklichen Entscheiderinnen und Entscheidern dabei sein soll, sagte Stark-Watzinger: «Ich möchte nochmal sagen, es sind über 1000 Menschen da, die im Bildungswesen engagiert sind und sich einbringen und wir brauchen sie alle.» Die Deutsche Presseagentur berichtet von 600 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die nicht teilnimmt, bemängelte im Radiosender «NDR Info» das Fehlen einer Tagesordnung und einer gemeinsamen Vorbereitung. «Also alle Voraussetzungen, die man eigentlich braucht, um gut miteinander arbeiten zu können und das wäre so dringend nötig, (…) liegen leider nicht vor und deshalb liegt der Verdacht nah, dass hier eher lustlos der Koalitionsvertrag abgearbeitet werden soll (…)», sagte Prien.

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Dabei lägen konkrete Themen auf dem Tisch wie die Lehrerausbildung, die Fortsetzung des Digitalpakts und das Startchancenprogramm, bei dem bundesweit 4000 benachteiligte Schulen finanziell unterstützt werden sollen. «Deshalb finde ich dieses Gerede auf einem solchen Gipfel, was so im Grundsätzlichen verharrt, das hilft einfach keinem einzigen Schüler, keiner einzigen Schülerin und auch keiner Lehrkraft weiter.»

Ähnliche Töne waren aus Nordrhein-Westfalen zu hören: Die Bundesländer waren im Vorfeld nicht in die Planungen einbezogen worden. Daher gebe es für die Zusammenkunft «keine gemeinsame Arbeitsgrundlage», verlautete der „Rheinischen Post“ zufolge das dortige Schulministerium. Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) befand: Die Kultusminister verwehrten sich keinesfalls zielführenden Gesprächen mit der Bundesregierung – «wenn sie gut vorbereitet sind, Themen und Erwartungen feststehen und keine reine PR-Show daraus wird». Das sei hier aber leider nicht der Fall.

Selbst Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe, der teilnimmt, warnte vor langwierigen Diskussionen und wenig Fortschritt. «Es wäre schlimm, wenn Bund, Länder und Kommunen wieder nur um Kompetenzen rangeln würden», sagte der Sprecher der SPD-Bildungsministerinnen und Bildungsminister am Dienstag. Im Koalitionsvertrag der Berliner Ampel seien gute Programme vereinbart, um gerade Schülern aus bildungsfernen oder sozial benachteiligten Familien Rückenwind zu geben. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sollte sich jetzt mit Ländern und Kommunen an die Arbeit machen, um diese guten Programme möglichst schnell umzusetzen, sagte Rabe.

Hintergrund: Das «Startchancenprogramm» der Ampel-Koalition, in dessen Rahmen 4.000 Schulen an schwierigen Standorten unterstützt werden sollen, hatte Stark-Watzinger auf 2024 vertagt.

«Dabei kann nicht viel herauskommen. Ich sehe da nichts, was uns dabei voranbringt, den Lehrermangel zu bekämpfen»

Der Streit darüber, wer in Bildungsfragen mehr zu sagen haben sollte, sei verschwendete Zeit. «Mehrheiten für eine nötige Grundgesetzänderung gibt es seit 70 Jahren nicht», sagte Rabe. «Die ständigen Grundsatzdiskussionen über Sinn und Unsinn des Föderalismus mögen für akademische Seminare spannend sein, sie blockieren aber die tatsächlich jederzeit auch unter den bestehenden Rahmenbedingungen möglichen Verbesserungen für Schulen und ihre Schülerinnen und Schüler.»

Auch Christian Beckmann, Vorsitzender der Landeselternkonferenz Nordrhein-Westfalen blickt laut «Rheinischer Post» ernüchtert auf Teilnehmerliste und Programm. Er sagt voraus: «Dabei kann nicht viel herauskommen. Ich sehe da nichts, was uns dabei voranbringt, den Lehrermangel zu bekämpfen. Nichts, was die Kommunen in die Lage versetzte, mehr Schulplätze zu schaffen.“ Die zu beantwortenden Fragen lägen doch auf dem Tisch: «Wie bringen wir mehr Menschen ins Bildungssystem? Wie kriegen wir die Kinder da abgeholt, wo sie sind, damit nicht so viele die Schule abbrechen?» Es sei nicht sinnvoll, die allseits bekannten Probleme unverbindlich noch und noch einmal zu besprechen – ohne Lösungen anzugehen.

Beckmann: «Wenn reihenweise Kultusminister nicht mal dabei sind, um Ergebnisse mit nach Hause zu nehmen, dann kann man sich das doch sparen.» News4teachers / mit Material der dpa

Breitseite gegen Stark-Watzinger: Stiftungen und Verbände fordern von Scholz einen Bildungsgipfel – einen echten!

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12 Kommentare
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Lehrer123455
1 Jahr zuvor

Tja. Pension, Rente, Posten in Firma XY sicher, wie das bei der FDP so gerne der Fall ist. Also muss man auch nichts arbeiten und behauptet dasselbe genau von denen, an denen es wirklich mangelt. Starkes Stück, was sich speziell eine Partei da immer wieder leistet.

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lehrer123455

Nur – ganz ehrlich – wer will Betti S.W. nach einer – selbst für politische Verhältnisse – so schwachen Performance in `seinem Team´ haben??

Da muss man doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein, sich mit reinem Ballast zu beladen, der einem als Lahmen nicht mal die ungefähre Richtung angeben kann.

Oder ist das hier eine Inklusionsveranstaltung, an der insbesondere Menschen mit ausgewiesener Realitätsallergie teilnehmen dürfen?

Carsten60
1 Jahr zuvor

Es ist zu vermuten, dass alle solchen Gipfel mehr eine PR-Veranstaltung sind. Und 16 Bundesländer unter einen Hut zu bringen, ist schon mal von vornherein illusorisch.

Andre Hog
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carsten60

„Unter einen Hut bringen“ klingt ein wenig nach „Wir überdachen die BRD und erklären sie zum Irrenhaus“ … war mal ein Spontispruch aus den 80ern, glaube ich. Bekloppte gibt es hier auf jeden Fall genug … da liegt echtes Potential für Inklusion.

Klaus Lehmkuhl
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Das war vielleicht mal ein Spontispruch . Jetzt ist es Realität . Nur die Überdachung fehlt noch .

Pit2020
1 Jahr zuvor
Antwortet  Klaus Lehmkuhl

@Klaus Lehmkuhl

„Nur die Überdachung fehlt noch .“

… Facharbeitermangel … 😉

Andre Hog
1 Jahr zuvor

«Wir sehen den Lehrerinnen- und Lehrermangel, wir sehen den Investitionsstau und wir sehen auch, dass moderner digitaler Unterricht nicht flächendeckend vorhanden ist», sagte Stark-Watzinger im Deutschlandfunk.

Dazu habe ich unter dem passenden Artikel …

https://www.news4teachers.de/2023/03/bildungsgipfel-gew-chefin-finnern-bildungshuegel-das-format-ist-enttaeuschend/

… den passenden Post verfasst ….da wusste ich allerdings noch gar nicht, dass Frau S.W. auf das „sehen“ Bezug nimmt.

Manchmal mache ich mir selber Angst… 😉

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

S-W: Aber wir sehen ja, dass wir in der Vergangenheit nicht erfolgreich waren.“
Deutschlandfunk
Datum: 14.03.2023
Tobias Armbrüster im Gespräch mit Bettina Stark-Watzinger
Im Deutschlandfunk heute

Last edited 1 Jahr zuvor by gehtsnoch
vhh
1 Jahr zuvor

Tja, Frau S-W, es fehlt nicht flächendeckend moderner, digitaler Unterricht, das geht kürzer: es fehlt flächendeckend Unterricht.
Liegt vermutlich daran, dass außerdem noch fehlen: Lehrkräfte und Gebäudeunterhalt und pädagogisches Zusatzpersonal und Inklusionspersonal und DaZ-Kräfte und sinnvolle Digitalausstattung und Softwareangebote für alle Fächer und IT-Fachleute und Schulleitungen und Jugendhilfeeinrichtungen und pädagogische Ganztagsangebote und Mensaessen für alle und Lehrpläne die mehr als ein Jahr gelten und Kinder- und Jugendpsychologen und Entlastung für Betreuung von Quereinstieg und Vorbereitungsdienst und ….

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor
Antwortet  vhh

Was auch noch fehlt ist eine Arbeitsplatzbeschreibung und nicht die unzähligen Baustellen, auf denen man gezwungen ist, sich neben dem Unterricht zu verzetteln.

Ron
1 Jahr zuvor

Wenn der Bund etwas verändern will, sollte er schlicht Geld nur für bestimmte Strukturveränderungen herausrücken.

Trinkflasche
1 Jahr zuvor

Rabe in einem Zeit-Interview, hier zwei markante Stellen:

„Zudem sagt Finanzminister Lindner, die Länder sollten künftig die schulische Bildung komplett allein bezahlen, und verlangt ein Ende der bisherigen Bund-Länder-Pakte zur Verbesserung der Schulen. Meint er etwa den fest vereinbarten Digitalpakt? Die Länder sind darüber sehr irritiert.“

„In der Politik gilt: Wer zahlt, bestimmt, wofür das Geld ausgegeben wird. Wenn der Bund endlich die versprochenen Sozialarbeiter für die Schulen finanziert, dann darf der Bund auch klare Vorgaben machen. Dafür stehe ich als Koordinator der SPD-Länder auch ein. Aber der Bund zahlt nichts. Für die Schulen geben wir jährlich knapp 100 Milliarden Euro aus, das Bundesbildungsministerium zahlt davon nicht einmal fünf Prozent. Wer sich so wenig beteiligt, kann keine Führung beanspruchen.“

https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2023-03/ties-rabe-hamburg-schule-bettina-stark-watzinger-bildungsgipfel

Wie viel politischen Schaden kann eine Neoliberale Für-1%-der-Bevökerung-Partei eigentlich anrichten?
Für-1%-der-Bevökerung-Partei: Ja.

Ich bin derweil froh, dass der Bund keine Befugnisse hat sich in die Länderpolitik einzumischen. Wenn er das will, darf sich Betty gerne dafür einsetzen, dass Lindner mal viele Milliarden für die Gebäudesannierung locker macht. Aber:

Wem aber eine Kindergrundsicherung mit läppischen 12 Milliarden zu teuer Ist
Wer so unklug handelt und den Hunger in der Welt stärkt, imdem er einem Ministerium so viel Geld streicht, dass dieses sich nicht mehr am Welternährungsprogramm teilnehmen kann (und damit Migration auslöst)

Von dem erwarte ich auch keine gerechte Sozialpolitik. Oder überhaupt eine Politik mit Weitblick.

Es wird hier übrigens keine „Machtwörter“ des Kanzlers Scholz geben. Weder in Bildungsfragen, noch in Regierungsfragen. Sein Kalkül wird sein, dass die Bürger erkennen, wer die Dummköpfe im derzeitigen Kabinett sind und dann daraus ihre Schlüssel ziehen. Politik konnte Scholz schon immer, egal was die Leute über ihn denken.