Verbände warnen: Beschränkung der Teilzeit für Lehrkräfte „verschlimmert die Lage“

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BERLIN. Viele Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit. Von der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK kommt der Rat, die Möglichkeiten hierfür zu begrenzen. Keine so gute Idee – finden die Lehrerverbände.

Werden junge Frauen vom Lehrerberuf abgeschreckt? Foto: Shutterstock

Trotz des grassierenden Lehrkräftemangels in Deutschland raten Verbände und Bildungsgewerkschaften davon ab, Teilzeit-Möglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer einzuschränken. Sie befürchten, dass Nachteile besonders für Frauen entstehen und das Gegenteil von dem erreicht wird, was gewollt ist: Mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen.

«Eine Politik, die diesen Weg zu gehen versucht, verschlimmert die Lage», sagte die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Mit weniger Teilzeitmöglichkeiten würden zwar kurzfristig Mehrkapazitäten geschaffen, aber der Beruf würde ausgerechnet für diejenigen unattraktiver, die ihn derzeit noch am meisten wählten: junge Frauen, ergänzte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Arbeitsbedingungen müssen deutlich verbessert werden, um wieder mehr Menschen für den eigentlich wunderbaren Beruf als Lehrkraft zu gewinnen und diejenigen, die jetzt in den Schulen arbeiten, zu zufriedenen Beschäftigten zu machen.» Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK), ein Beratergremium der Kultusministerkonferenz, hatte im Januar angesichts des Lehrkräftemangels vorgeschlagen, die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit zu begrenzen. «Hier liegt die größte Beschäftigungsreserve», hatte das Gremium in einer Stellungnahme festgestellt und konkret angeregt, eine Reduzierung der Arbeitszeit auf unter 50 Prozent nur «bei Vorliegen eng gefasster Gründe» zu gewähren, zum Beispiel wegen der Betreuung kleiner Kinder.

«Vollzeit arbeiten bedeuten nicht selten 50 Wochenarbeitsstunden, die auf Dauer nicht leistbar sind – zumal ohne Perspektive, dass es wieder anders wird»

Der Expertenkommission zufolge liegt die Teilzeitquote im Lehramt mit rund 47 Prozent deutlich über der bei Erwerbstätigen insgesamt (29 Prozent). «Familiäre, gesundheitliche und organisatorische» Gründe spielen demnach eine Rolle, etwa wenn Beschäftigte in der Familiengründungsphase sind, aber auch «die Beanspruchung im Unterricht».

VBE-Chef Brand bestätigte das: «Immer mehr Lehrkräfte arbeiten in Teilzeit oder können sich das vorstellen, weil die Belastung bei einer Vollzeitstelle zu hoch ist. Vollzeit arbeiten bedeuten nicht selten 50 Wochenarbeitsstunden, die auf Dauer nicht leistbar sind – zumal ohne Perspektive, dass es wieder anders wird.»

An den allgemeinbildenden Schulen – also ohne die Berufsschulen – war die Teilzeitquote im Schuljahr 2021/2022 auf den höchsten Wert der vergangenen zehn Jahre geklettert: Knapp 41 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer arbeiteten nicht Vollzeit, wie das Statistische Bundesamt Mitte Februar mitgeteilt hatte. Bei Lehrerinnen lag die Quote mit 48,2 Prozent mehr als doppelt so hoch wie bei Lehrern (20,1 Prozent).

Insgesamt unterrichten an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in Deutschland mehr als 800 000 Lehrkräfte. Auf absehbare Zeit kommen nach Prognosen von Wissenschaftlern und der Kultusministerkonferenz aber deutlich weniger ausgebildete Lehrkräfte nach, als angesichts der Entwicklung der Schülerzahlen und der Abgänge von Lehrern in den Ruhestand gebraucht werden. Mehr als 12 000 Stellen sind nach Angaben aus den Ländern bereits jetzt unbesetzt.

Die SWK hatte in ihrem Gutachten die düstere Vorhersage gemacht, dass das Personalproblem «aller Voraussicht nach in den kommenden 20 Jahren bestehen bleiben» werde und gemahnt: Allen Akteuren im Schulsystem müsse klar sein, dass die Gesellschaft vor einer historischen Herausforderung stehe, die größte Anstrengungen erfordere. Vorgeschlagen hatten die Experten deshalb auch die Prüfung eines höheren Unterrichtspensums für Lehrkräfte und gegebenenfalls größere Klassen und Hybrid-Unterricht in oberen Gymnasialklassen. Die Gewerkschaften hatten die Vorschläge umgehend kritisiert.

Ganz einer Diskussion über weniger Teilzeit verschließen will sich Lehrerverbandspräsident Meidinger allerdings nicht. Man könne grundsätzlich eine Debatte darüber führen, ob über familienbedingte Teilzeit hinausgehende Möglichkeiten moderat eingeschränkt werden sollten, sagte er. Es sollten aber nicht von heute auf morgen Änderungen in Kraft gesetzt werden, weil dies tief in die Lebensplanung vieler Menschen eingreife. News4teachers / mit Material der dpa

VBE: Das Einschränken von Teilzeit im Lehrerberuf trifft vor allem Frauen!

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Ron
1 Jahr zuvor

Es wäre schon viel geholfen, wenn wir Teilzeit bei 50 Prozent der Volltagesstelle beginnen lassen. Schule ist kein Midijobs – das wird der Herausforderung nicht gerecht.

Marie
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

ich weiß nicht, warum Sie da immer so drauf „rumreiten“. In NRW gilt die 50%-Regelung, seit ich im Schuldienst bin ( und das sind schon ein paar Jährchen). Ausnahme: Eine Kollegin vertritt sich in der Elternzeit selbst (ja, auch dieses komische Konstrukt gibt es), dann dürfen es weniger Stunden sein.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marie

Die unterhälftige Teilzeitbeschäftigung wäre auch innerhalb einer Beurlaubung möglich

ginny92
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Zum einen kenne ich keine Lehrkraft die unter 14 Stunden als 50% arbeitet. Zum anderen, wenn man keine Midijober mehr einstellen könnte würde man sämtliche bereits arbeitende Lehramtsstudenten verprellen.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  ginny92

Mini- oder Midijobber haben wie Angestellte ihren Arbeitsvertrag mit vorab geregelten Arbeitszeitkontingenten in TZ od. VZ.

Das Thema „Teilzeit“ betrifft Berufsbeamte, die ihre Vollzeit durch auf Antrag gewährte Teilzeitbeschränkung eine eigentliche Vollzeitbeschäftigungsplanstelle nur in Teilzeit ausüben und die Gründe oder Zeit der TZ-Gewährung kritisch betrachtet und bewertet werden sollen.
Anders ausgedrückt: Eine arbeitsmarktpolitische Zielsetzung, die Möglichkeiten der Teilzeitbeschäftigung zu gestatten oder gar zu fördern wird zurückgenommen.

ginny92
1 Jahr zuvor
Antwortet  gehtsnoch

Ich bezog mich auf „Schule ist kein Midijob“ Studenten verlieren ab 14 Stunden ihren Studenten Status, was sehr nachteilig ist. Aber genau die brauchen wir aktuell, weil es nicht genug ausgebildet Personal gibt.

Zu dem liegt es halt schlicht an den Arbeitsbedingungen, warum so viele den Beruf in Teilzeit ausüben um sich zu schützen. Ich zitiere „50 Wochenstunden die auf Dauer nicht leistbar sind“. Man kann sich also entscheiden möchte ich Personal lasse ich es wie es ist, möchte ich noch mehr Ausfall mach das.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  ginny92

„Studenten verlieren ab 14 Stunden ihren Studenten Status“?

Ich kenne Ihre Quellen nicht, da diese nie belegt werden. Ich habe den Eindruck, dass es ein wenig an Basics, der Grundlage bei der Beurteilung der Beschäftigung von Studenten als „ordentliche Studierende“ des Arbeitsrechts mangelt.
Eingeschriebene Studenten dürfen bis zu 20 Stunden wöchentlich arbeiten. Selbst ein Überschreiten der 20-Stunden-Grenze ist nur unter bestimmten Voraussetzungen unschädlich.
Nachzulesen hier

Vielleicht meinen Sie sogar die 14 Stunden wöchentlich als Deputatstunden statt Arbeitszeit wegen der 50 % und dann sind Ihre Kenntnisse und Mischverfahrensweisen schlicht mangelhaft.

„50 Wochenarbeitsstunden“ bei Deputatvereinbarung und die „Arbeitszeiterfassung“ ein eher schwieriges Gebiet …

Chris
1 Jahr zuvor

Es wäre schon viel geholfen, wenn wir sämtlichen „Fortschritt“ im Bildungssystem mal aus Sicht der (Arbeitsbelastung der) Lehrkräfte sehen würden und nicht immer nur aus Schüler- oder Elternsicht.
Ich denke da z.B. an folgende Dinge, um Unterrichtsstunden zu generieren:
– Aufgabe der Inklusion und Rückkehr zu den Förderschulen, weil in der Inklusion eigentlich eine 1:1 Betreuung notwendig wäre, diese aber eh nicht realisiert werden kann.
– Rückkehr zu leistungsbasierten Curricula inkl. Stoffverteilungsplänen und weg von dem Kompetenzgeschwafel und der didaktischen Jahresplanung, die jede Schule selber ausarbeiten soll.
– Vereinfachtes Mahnwesen gegen Schülerabsentismus
– Ein auf möglichst geringe Lehrerbelastung ausgelegtes System des Nachschreibens bei krankheitsbedingt ausgefallenen Klausuren. Ich stelle für jede Klausur aktuell 2-3 Nachschreibtermine, weil immer wieder ein anderer Schüler fehlt und verbrenne da massig Zeit bei der Erstellung von Klassenarbeiten. Ggf. Entfall einzelner Nachschreibarbeiten oder notfalls Rückstellung der Schüler ins vorherige Schuljahr, vergleichbar der Wartezeit an der Uni für den zentralen Nachprüfungstermin in sechs Monaten.
– Entfall sämtlicher Klassenfahrten und ggf. auch Tagesausflüge
– Entfall sämtlicher außerschulischer ehrenamtlicher Tätigkeiten, z.B. Teilnahme am Prüfungsausschuss der IHK und Handwerkskammer

Diese Liste ließe sich bestimmt noch fortsetzen.

Kaddrin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Chris

Amen! ✌️

Ureinwohner Nordost
1 Jahr zuvor

Sehr geehrter Herr Ron,
leider muss ich Ihnen grundsätzlich widersprechen.
JEDE fachdidaktisch aufbereitet, durchgeführte und nachbereitete U-Stunde ist besser als jegliche „Vertretungsstunde“.
Zumal durchgeführt von nicht qualifizierten Personal.
Seien Sie uns dankbar sein für jede fachgerechte U-Stunde.

Zusatz: Bin Diplomlehrer aus der DDR für zwei Naturwissenschaften. In Einer promoviert. Ich unterrichte im Maxi-Mangelfach. Mein Nebenfach.
Meine Promotion war im Hauptfach. Das unterrichte ich gar nicht mehr.
Ein Opfer meinerseits.
PS: In 11 Monaten gehe ich in Rente. ВСЁ БУДЕТ в ФРГ. Oder?

potschemutschka
1 Jahr zuvor

@Ureinwohner Nordost
Meine antwort in russischer Sprache wurde leider nicht veröffentlicht. Dann eben auf deutsch: „Ganz zum Schluss wird es schon irgendwie (gut) gehen.“ Vielleicht aber auch nicht 🙁

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Positiver wäre da das Zitat von Oscar Wilde: Am Ende wird alles gut! Und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.

Ben
1 Jahr zuvor

Ohne Teilzeitkräfte würde das „System Grundschule“ zusammenbrechen. An unserer Schule machen die Teilzeitkräfte die auf 2/3 tel oder die Hälfte reduziert haben durchschnittlich 30 Prozent „ehrenamtliche“ Arbeit. Komplette Klassenführung mit allem was dazu gehört: Unterricht aller arbeitsintensiven Kernfächer (M, D, SU), Elternsprechtage für alle Eltern, Elterabende nicht nur zu Hälfte, Elterngespräche, Kontakte mit dem Jugendamt, Therapeuten usw. Hinzu kommen Klassenteamsitzungen, Stufensitzungen, Konferenzen, Fortbildungen, die alle nicht anteilig reduziert werden können. Es lohnt sich also möglichst viele Teilzeitkräfte an einer Schule zu haben.
Der zweite Punkt, der zu bedenken ist, bezieht sich auf die Unterrichtsqualität. Will man einen „guten“ Unterricht abhalten, bei dem alle Kinder etwas lernen, ist die Vor- und Nachbereitung bei 7 Kindern mit Förderbedarf und 3 Kindern, die kein Deutsch sprechen, in einem angemessenen Rahmen nicht mehr leistbar. Um den Anspruch an den eigenen Unterricht nicht aufgeben zu müssen, bleibt dann nur noch die Stundenredizierung.

Ich_bin_neu_hier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ben

Volle Zustimmung. Trotzdem befürchte ich, basierend auf früheren Erfahrungen, dass die Kultusminister/-innen diesen Zusammenbruch des Systems Grundschule ausprobieren werden – einfach aus Verzweiflung, weil sie keine Alternative sehen – und die Schuld hinterher wieder den Lehrkräften zuschieben.

Metalman
1 Jahr zuvor

Den gleichen Artikel gab es doch kürzlich erst

VBE: Das Einschränken von Teilzeit im Lehrerberuf trifft vor allem Frauen!

Nicht nur das, es ist ja immer noch falsch, aus „familiären Gründen“ kann man wie bisher Teilzeit anmelden, also schreckt es Frauen mit Kindern und Kinderwunsch eher nicht ab. Dafür alle anderen, die sich diese Möglichkeit wünschen, zumindest bei Bedarf.

Last edited 1 Jahr zuvor by Metalman
Metalman
1 Jahr zuvor

Und ja Meidinger hat in diesem Punkt Recht: Moderat eingeschränkt kann ja bei den „anlasslosen“ Anträgen werden. Da wird sich auch kaum einer verschließen, flexible Arbeitsmodelle sind schließlich keine Einbahnstraße. Aber pauschal alles abzulehnen was nicht familiär begründet wird (wie in NRW z.b. geplant) ist hirnrissig. Wenn man sagte, weniger als 75oder80% wird u.U. nicht genehmigt, dann wäre das was anderes, dann würde man viele KuK mitnehmen und nicht verprellen. Ein gewisser Spielraum muss bleiben.

gehtsnoch
1 Jahr zuvor
Antwortet  Metalman

„Teilzeitbeschäftigung für Beamte ist durch Gesetz zu regeln.“

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT- 2 BvF 3/02

Bei 16 Landesgesetzen sicher interessant, wenn die gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtenden Grundsätze der Hauptberuflichkeit und der amtsangemessenen Alimentation zu achten sind.

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor
Antwortet  gehtsnoch

Genau, für BEAMTE und nicht für LEHRER. Würde mich interessieren, ob eine „Lex Lehrer“ (Spezialgesetz, das nur Beamte im Lehrberuf und keine anderen Landesbeamten betrifft) überhaupt zulässig wäre.

KaGe
1 Jahr zuvor

Ich bin gespannt, ob meine Stundenreduzierung aus gesundheitlichen Gründen statt gegeben wird oder…

O. Birkenstock
1 Jahr zuvor
Antwortet  KaGe

Diagnostizierte, also belegbare Gründe und dann Zweifel?