Erzwingt ChatGPT eine neue Leistungsbewertung in Schulen? Debatte kocht hoch

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MÜNCHEN. Bayerns Kultusminister hat skeptisch auf die Forderung des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) reagiert, angesichts der Ausbreitung von KI ein neues Leistungssystem einzuführen – ohne Noten. Michael Piazolo (Freie Wähler) will auch künftig nicht auf Zensuren verzichten. «Ich bin der Auffassung, dass wir Noten brauchen und viele Schülerinnen und Schüler Noten auch wollen. Man braucht Leistungsnachweise, um selbst zu wissen, wie man in den einzelnen Fächern steht», sagte er. Auch der Deutsche Realschullehrerverband lehnt den Vorstoß ab.

Hat die Künstliche Intelligenz beim Schummeln geholfen? Foto: Shutterstock

«Es werden Dinge miteinander vermengt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang stehen», sagte Piazolo. «In Hamburg schummeln ein paar wenige Schüler beim Abitur und sofort wird das jahrzehntelange bewährte System der Noten infrage gestellt. Schummeleien bei Prüfungen hat es immer gegeben, nicht erst seit Einführung von KI.»

Hintergrund: Am Freitag war bekannt geworden, dass einige Hamburger Schüler unter Verdacht stehen, in Klausuren für das Abitur mit Hilfe von Programmen mit Künstlicher Intelligenz geschummelt und ChatGPT genutzt zu haben (News4teachers berichtete). «Ich glaube, dass die schnelle Entwicklung der KI uns kein langsames Weiterentwickeln der Leistungsbewertung erlaubt. Wir müssen einsehen, dass unser Leistungssystem oldschool ist», meinte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann dazu (News4teachers berichtete auch darüber). «Wir müssen endlich mal aufhören, nur die Note als allein glückselig machend zu sehen. In der freien Wirtschaft machen alle Assessments. Was bringt mir dann ein Fünfer?»

Auch der Verband Deutscher Realschullehrer (VDR) hält nicht viel von Fleischmanns Forderung: «Noten und KI schließen sich aus? Welche Logik hinter dieser vermeintlichen Feststellung steckt, erschließt sich einem nicht», sagte der VDR-Bundesvorsitzende Jürgen Böhm. «Nur, weil bei Prüfungen in Hamburg digitale Endgeräte nicht überprüft wurden, sollen Noten abgeschafft werden? Spätestens seit dem grafikfähigen Taschenrechner liegt es in der Verantwortung der Ministerien und letztlich Lehrkräfte, bei Prüfungen besondere Vorkehrungen zu treffen.»

Zur Beherrschung der neuen digitalen Möglichkeiten, «zur Durchdringung der KI mit allen Gefahren und tollen Optionen» seien «Wissen und Können und damit Kompetenzen gefragt», sagte Böhm. Grundkompetenzen wie Sprachverständnis und Sprachbeherrschung, mathematische Kompetenzen und logisches Denken seien nicht abhängig von KI oder digitalen Medien. «Es geht um grundlegende Kulturtechniken, die man beherrschen muss.»

Böhm betonte: «Differenzierung und klare Leistungsanforderungen sind der Schlüssel des Bildungserfolges – dann ist es egal, ob dieser Bildungserfolg analog, digital oder mit KI erreicht wurde.» News4teachers / mit Material der dpa

ChatGPT und die Folgen: Streicht alle Leistungsnachweise, deren Erbringung nicht lückenlos kontrolliert werden kann! Ein Gastbeitrag

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7 Kommentare
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447
10 Monate zuvor

Schade. 🙁

Immer wenn (aus meiner Sicht) spinnerte Ideen endlich mal mit allen Konsequenzen eingeführt werden sollen (was gut wäre, um sie für Jahrzehnte zu entzaubern) kommt wieder kurz vor knapp wer daher und ist dagegen. Wodurch die entsprechenden Akteure weiterhin knapp unter der Oberfläche wühlen.

Georg
10 Monate zuvor

„Es geht um grundlegende Kulturtechniken, die man beherrschen muss.“

Und warum wird darauf in den tatsächlichen Lehrplänen immer weniger Wert gelegt?

Susi
10 Monate zuvor

Ich habe stark den Eindruck, dass die KI lediglich ein Vorwand ist, um die seitens des BLLV offenbar lang ersehnte Systemtransformation herbeizuführen. Frau Fleischmann scheint eine Art neues Summerhill vorzuschweben.

Walter Hasenbrot
10 Monate zuvor

Was soll die Diskussion?

Hausaufgaben dürfen ohnehin nicht benotet werden (zumindest in NRW) und bei Klassenarbeiten sammelt man halt vorher Handys und Smartwatches ein.

Durch KI ändert sich so gut wie gar nichts an der Notengebung.

Georg
10 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Es gibt aber auch längere Hausarbeiten, die zuhause über mehrere Wochen anzufertigen sind, und eine Klausur ersetzen.

Walter Hasenbrot
10 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Solcher Arbeitsformen sind für eine Benotung allerdings in Zukunft wertlos.

Georg
10 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Ich halte solche Arbeiten für durchaus sinnvoll, weil sie an der Uni zuhauf geschrieben werden müssen. Es wird jedoch eine Verteidigung selbiger als mündliche Prüfung unvermeidlich.