Süßigkeitenkonsum von Grundschülern: Der Markt wird es nur bedingt richten

4

BONN. Schon Sechs- bis Zwölfjährige geben große Anteile ihres beachtlichen Taschengeldes für Süßigkeiten aus. Zugleich ist jedes siebte Kind in Deutschland übergewichtig. Die Preise zu beeinflussen hilft dagegen nur bedingt, zeigt eine aktuelle Studie von Agrarmarktexperten der Uni Bonn.

Der Markt bietet an – im Überfluss. Foto: Shutterstock

Auf mehr als zwei Milliarden Euro wird die Kaufkraft der Sechs- bis Zwölfjährigen in Deutschland geschätzt. Viele von ihnen investieren einen Großteil ihres Taschengelds in Eiscreme und andere Süßigkeiten. Doch der häufige Griff zu ungesunden Snacks hat langfristige Folgen: Jedes siebte Kind in Deutschland gilt als übergewichtig. Gleichzeitig steigt die Zahl derjenigen, die schon in jungen Jahren an Diabetes erkranken oder unter Herz-Kreislauf-Problemen leiden. Hilfe tut Not und in einigen Ländern versuchen Regierungen bereits über den Preis gegenzusteuern.

In Großbritannien wird etwa auf süße Getränke inzwischen eine Zuckersteuer fällig, erklärt Stefanie Landwehr vom Lehrstuhl für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Universität Bonn. Bei Teenagern scheint diese Maßnahme auch Erfolg zu haben, wie Studien nahelegen. Doch ist das auch bei jüngeren Kindern der Fall? Und welchen Einfluss haben im Vergleich bestimmte Marken, die in der Altersgruppe populär sind, auf die Kaufentscheidung? Würden Kinder der dritten und vierten Klasse weniger ungesunde Snacks kaufen, wenn diese teurer wären?

Diesen Fragen ist Landwehr in einer aktuellen Studie zusammen mit ihren Kollegen Monika Hartmann, Ching-Hua Yeh und Sean B. Cash von der Tufts University Boston nachgegangen. Ergebnis: Einige Grundschülerinnen und -schüler achten tatsächlich auf den Preis. Andere dagegen haben so starke Vorlieben, dass sie bereit sind, dafür auch etwas mehr zu zahlen. Eine dritte Gruppe scheint hingegen noch nicht über ausreichende Kompetenzen zu verfügen, um sich durch Preise wesentlich beeinflussen zu lassen. Die Studie verdeutliche vor allem, wie unterschiedlich Kinder bei ihren Konsumentscheidungen ticken.

Keks, Obstpüree oder Apfelscheiben?
Für die Studie unterzogen die Forscherinnen und Forscher rund 120 Grundschülerinnen und -schüler im Alter von sieben bis zehn Jahren einem Experiment. Die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten zunächst einige Fragen beantworten, etwa zu ihren Lieblingssnacks und ihrem Wissen über Ernährung. Zudem absolvierten sie einen einfachen Test zu ihrem Verständnis von Mengen. Beispielfrage: Wenn 50 Kinder auf einem Kindergeburtstag sind, ist das viel oder wenig? „Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse darauf zu, wie gut Kinder Zahlen einschätzen können“, erläutert Landwehr. „Wer diesbezüglich über wenig Kompetenzen verfügt, kann vermutlich auch Preise schlechter beurteilen.“

Nach Abschluss dieses Teils bekamen die Mädchen und Jungen zur Belohnung drei Euro. Anschließend konnten sie im Rahmen eines einfachen Experiments einen Snack kaufen. Das Sortiment umfasste einen Schokokeks (die ungesündeste Alternative), eine Quetschpackung mit Obstpüree (etwas gesünder) und Apfelscheiben (die gesündeste Wahl). Die Produkte wurden in drei unterschiedlichen Preisstufen angeboten – 60 Cent, ein Euro oder 1,40 Euro. Zudem gab es jeden Snack in zwei Varianten: eine von McDonald’s, einer bei Kindern sehr bekannten Marke, und eine zweite von einem unbekannten Hersteller.

Nun wurden den Kindern Fotos von zwei verschiedenen Produkten zu unterschiedlichen Preisen gezeigt, etwa einem No-Name-Schokocookie für einen Euro und Apfelscheiben von McDonald‘s für 1,40 Euro. Die Mädchen und Jungen konnten angeben, welches Produkt sie kaufen würden, hatten aber auch die Option, keines der beiden zu nehmen. Die Wahl wurde auf einer Antwortkarte vermerkt. Insgesamt wurde dieses Experiment zehnmal mit unterschiedlichen Snack- und Preiskombinationen wiederholt. „Wir hatten also am Ende für jedes Kind zehn Antwortkarten“, erklärt Monika Hartmann. Diese wurden nun umgedreht und gemischt, und das jeweilige Kind durfte eine Karte ziehen. Die darauf angekreuzte Wahl wurde dann umgesetzt: Wurde beispielsweise die Karte gezogen, bei der sich das Kind für einen No-Name-Schokocookie zum Preis von einem Euro entschieden hatte, so bezahlte es und erhielt den Keks.

Cookie-Fans schauen nicht auf den Preis
Die Auswertung der Daten zeigte, dass die Grundschülerinnen und -schüler bei ihren Konsumentscheidungen sehr unterschiedlich vorgingen. „Generell ließen sie sich in drei Gruppen einteilen“, so Landwehr. Die Cookie-Fans, die sich vom Kauf ihres Lieblingssnacks auch dann nicht abbringen ließen, wenn dieser teurer war. Die Preisbewussten, die ihre Entscheidung vor allem vom Kaufpreis abhängig machten. Und diejenigen, die noch kein klares Verständnis von günstig oder teuer hatten – meist die Jüngeren. Sie tendierten oft dazu, das Fruchtpüree zu wählen; der Preis spielte für sie dabei keine größere Rolle.

Etwas überraschend war für die Forscherinnen und Forscher ein weiteres Ergebnis: Die Snacks von McDonald‘s waren bei den Kindern keineswegs beliebter. Im Gegenteil: Im Schnitt waren sie sogar weniger bereit, für diese zu zahlen, als für Snacks unbekannter Hersteller. „Möglicherweise liegt das daran, dass McDonald‘s eher für seine Burger und Pommes bekannt ist und weniger für Apfelschnitten oder Schokocookies“, spekuliert Landwehr. Es sei durchaus möglich, dass andere Marken sehr wohl einen Effekt auf die Konsumentscheidungen von Kindern hätten.

Insgesamt zeige die Studie, dass jüngere Kinder eine sehr heterogene Zielgruppe sind: Maßnahmen, die darauf abzielen, ihr Konsumverhalten in eine bestimmte Richtung zu lenken, wirktdden demnach nicht für alle gleichermaßen. „So spielt das Alter und das Verständnis für ‚günstig‘ oder ‚teuer‘ eine wesentliche Rolle für die Auswirkungen von Preissignalen“, erklärt Stefanie Landwehr. „Es gibt allerdings Kinder, die ein solches Verständnis haben, sich durch höhere Preise aber dennoch kaum beeinflussen lassen. Es ist daher sinnvoll, im Kampf gegen Übergewicht auf eine Vielzahl von Strategien zu setzen, um möglichst viele Mädchen und Jungen zu erreichen.“ (zab, pm)

Özdemir verbietet Werbung für Süßes und Fettiges, die Kinder anlocken soll

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

4 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Bayer
10 Monate zuvor

Sorry, aber es sind ein paar mehr adipositäre Kids

„Etwa jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig oder adipös. Unter den 11- bis 13-Jährigen ist es sogar jedes fünfte. Bereits im Kindesalter kann Adipositas die Gesundheit beein- trächtigen und bis ins Erwachsenenalter negative gesundheitliche Folgen haben.“
https://www.rki.de › StudienPDF
Kindliche Adipositas: Einflussfaktoren im Blick – RKI

Wir ‚konkurrieren‘ inzwischen z.B. mit den USA.

Nach 13J. ist auch der Drang, die Kilos mit allen Mitteln wieder los zu werden, * Ihr anderer Artikel, besonders groß.
…..und die Kids mit Ernährungsstörungen/Erkrankungen werden immer jünger.
Klinikaufnahme für eine Intervallbehandlung ( um die 3Jahre) gibt es meist ab 18…..

Ohne Ernährungserziehung (mit kochen, Spaß dabei haben, …..) von Kleinauf ist mMn die Chance, dass wir unsere Kinder zu Kranken ernähren, absolut real und steigt mit jedem Jahr.

Against Fremdbetreuung
10 Monate zuvor
Antwortet  Bayer

Es wären adipöse Kids, keine adipositären!
Die Situation, die prognostizierte Entwicklung und die Ursachen sind hinlänglich bekannt.
Die Frage ist doch, wessen Verantwortung und Handlungsmacht konstatiert wird.

Against Fremdbetreuung
10 Monate zuvor

Na, wer soll`s wohl richten?!

Gelbe Tulpe
10 Monate zuvor

Schüler bewegen sich heute augrund der Ganztagsschule und des G8-Gymnasiums weniger, es leben auch mehr in Städten, wo es weniger Gelegenheiten zum Sport etc. auf der Straße oder in der Natur gibt. Dazu kommt noch das aus chronobiologischer Sicht zu frühe Aufstehen, was zu Übermüdung und somit zu mehr Übergewicht kommt. Ein Einschränkung des Süßigkeitenkonsums wird somit nicht ausreichen, um Übergewicht unter Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen.