„Wir dürfen nicht immer alles bei den Lehrerinnen und Lehrern abladen“: Die Bundestagspräsidentin zur Bildungskrise

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BERLIN. Was Bildungsaufstieg heißt, weiß Bärbel Bas nur zu gut. Schließlich hat die Bundestagspräsidentin ihn vor Jahren selbst absolviert. Vielen Jugendlichen aus Nichtakademiker-Familien gelingt das heute immer noch nicht. Ein Gespräch über mehr Bildungsgerechtigkeit.

„Man braucht viel Glück“: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Foto: photothek / Bärbel Bas

Die Klagen über mangelnde Bildungsgerechtigkeit in Deutschland sind alt – aber weiter aktuell, wie Studien zeigen. Die Bildungschancen von Kindern werden auch heute noch stark durch ihre soziale Herkunft bestimmt. Das Thema ist Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) ein großes Anliegen.

Frau Bundestagspräsidentin, wenn man ein Beispiel für Bildungsaufstieg sucht, könnte man ganz einfach Sie wählen.

Bas: Ja, das kann man.

Vater Busfahrer, mit fünf Geschwistern aufgewachsen, Hauptschulabschluss, dann doch studiert, schließlich Abgeordnete geworden und nun sogar Bundestagspräsidentin. Sind solche Bildungskarrieren heute noch möglich?

Bas: Es ist nach wie vor möglich, aber solche Karrieren sind immer noch auf Zufall angelegt. Man braucht viel Glück und jemanden, der das Talent erkennt und Bildungschancen eröffnet. Das muss man dann auch annehmen und diesen Weg gehen. Also: Bildungskarrieren sind weiterhin möglich, aber für bestimmte Menschen ist ein Aufstieg nach wie vor schwer. Und die Auswirkungen der Corona-Pandemie machen die Lage nicht einfacher.

Und die Realität schaut anders aus.

Bas: Statistiken und Studien belegen es: Junge Menschen studieren eher, wenn sie aus Akademikerhaushalten kommen. Unser Versprechen, dass Arbeiterkinder studieren können, gibt es in der Realität. Auch dank Fördermöglichkeiten wie Bafög etc. Trotzdem fällt es Kindern aus Familien mit geringem Einkommen schwerer. Oft fehlen die Vorbilder für den Bildungsaufstieg. Das war bei mir auch so. Ich kannte niemanden in meiner Umgebung, die oder der studiert hat. Deshalb entschied ich mich nach der Schule für eine Ausbildung.

Zur Analyse gehört auch, dass jedes Jahr 45.000 bis 50.000 junge Leute die Schule ohne Abschluss verlassen.

Bas: Das ist wirklich ein Armutszeugnis für unser Bildungssystem. Und warum hat man keinen Abschluss? Manchmal liegt es an der Person selbst. Aber viel öfter liegt es daran, dass der junge Mensch in seiner Schullaufbahn die benötigte Förderung wie beispielsweise Nachhilfe nicht bekommt. Und dann abbricht.

Wir diskutieren gerade über die Kindergrundsicherung. Brauchen wir auch eine Bildungsgrundsicherung?

„Wir brauchen eine Gesamtanstrengung aller drei Ebenen, damit es im Bildungsbereich gerechter und erfolgreicher vorangeht“

Bas: Ich möchte jetzt kein neues Wort schöpfen. Ich glaube, wir brauchen eine bessere Zusammenarbeit aller Ebenen und Institutionen. Durch den Föderalismus haben wir im Bildungsbereich drei Akteure: Den Bund, der vieles an Programmen anstoßen kann. Zum zweiten die Länder, weil sie primär für die Bildungspolitik zuständig sind. Und schließlich die Kommunen, die zum Beispiel für die Ausstattung der Schulgebäude sorgen müssen. Die Länder sind dafür verantwortlich, dass genug Lehrpersonal da ist. Der Bund darf nach den Vorstellungen der Länder Geld geben, aber nicht wirklich mitbestimmen. Ich bin fest überzeugt: Wir brauchen eine Gesamtanstrengung aller drei Ebenen, damit es im Bildungsbereich gerechter und erfolgreicher vorangeht.

Sie haben dafür eine Kommission von Bund, Ländern und Kommunen vorgeschlagen. Wie war die Resonanz?

Bos: Ich glaube, die Länder hatten ein bisschen die Sorge, dass ich eine neue Föderalismuskommission fordere, was ich nicht tue. Ich plädiere dafür, uns stärker zu vernetzen und enger zusammenarbeiten. Für diesen Ansatz habe ich positive Reaktionen bekommen.

Und wird es dazu auch kommen? 

Bas: Der vom Kabinett gerade beschlossene Nationale Aktionsplan «Neue Chancen für Kinder in Deutschland» ist zum Beispiel ein Rahmen, in dem Kommunen, Länder und der Bund tatsächlich besser zusammenkommen könnten. Die dort gesammelten 350 Maßnahmen stehen erst mal auf dem Papier. Um den Plan über die nächsten Jahre umzusetzen, braucht es diese engere Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.

Vieles ist ja eine Geldfrage. Im vergangenen Jahr wurde ziemlich schnell ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr aufgelegt. Brauchen wir auch ein Sondervermögen Bildung?

Bas: Am Ende muss es mehr Geld sein, ja. Aber wir haben auch grundlegende strukturelle Probleme, die sich nicht mit Geld allein lösen lassen.

Nun schaut die Situation in Deutschland nicht überall gleich kritisch aus. Sollen trotzdem alle Länder mehr Mittel bekommen?

Bas: Mehr Geld ist grundsätzlich gut. Entscheidend ist aber, dass das vorhandene Geld effizienter eingesetzt wird. Wir müssen insbesondere Brennpunktbereiche besser mit Personal und Finanzmitteln unterstützen. An der Bildungslandkarte lässt sich klar ablesen, wo die Probleme besonders ausgeprägt sind. Um diese Regionen müssen wir uns verstärkt kümmern, hier sollten wir ganz gezielt mehr Mittel und Personal einsetzen.

Es geht nicht nur um Akademiker. Viele Betriebe klagen, dass sie keinen Nachwuchs mehr bekommen. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Bas: Eine Berufsausbildung im dualen System hat heute ein minderwertigeres Image. Deshalb glauben leider viele Jugendliche, dass sie unbedingt studieren müssen. Wenn man sich die Inhalte der Ausbildungen aber genauer anschaut, wird klar: Ausbildung und Studium sollten gleichwertig betrachtet werden. Viele Mittelständler suchen Nachfolger. Sie haben niemanden, der die Firma übernimmt. Mit einer guten Ausbildung kann man ein Unternehmen führen.

Bei meinen Besuchen in Hauptschulen merke ich immer wieder: Die Schülerinnen und Schüler fühlen sich als «Restschule». Sie glauben: Wir haben eh keine Chance, wir haben schon verloren, wir sind auf der Strecke geblieben. Wenn junge Leute mit solchen Gefühlen bereits zur Schule gehen, braucht man sich über die Abbrecherzahlen nicht zu wundern. Wir brauchen auch hier einen Imagewandel.

„Wenn es zu wenig Personal gibt, wächst der Druck zu stark auf die einzelne Fachkraft und die Leute steigen aus“

Fachkräftemangel gibt es auch im Lehrerzimmer. Wieso wird es immer schwieriger, Lehrkräfte zu finden?

Bas: Ich glaube, es ist fast wie im Pflegebereich: Wenn es zu wenig Personal gibt, wächst der Druck zu stark auf die einzelne Fachkraft und die Leute steigen aus. Hinzu kommt dann oft ein schwieriges Bildungs- und soziales Umfeld, Kinder mit vielen Problemen, Schwierigkeiten in den Familien. Wir haben in meiner Heimatstadt Duisburg viele offene Stellen. Weil: Wer geht schon freiwillig in Brennpunktbezirke?

Was kann man denn dagegen tun?

Bas: Das Vergütungssystem ist natürlich ein Weg, um einen Beruf attraktiver zu machen. Das ist bei Beamten nicht so einfach, aber in anderen Berufen gibt es praktikable Lösungen. Wer zum Beispiel an einer Brennpunktschule arbeitet, könnte mit Zulagen mehr verdienen.

Vor allem dürfen wir aber nicht immer alles bei den Lehrerinnen und Lehrern abladen. Wir müssen sie von fachfremden Aufgaben entlasten und die Schulen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Fachrichtungen öffnen, etwa Sozialarbeit oder der technische Bereich.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Bas: Nehmen wir die Digitalisierung der Schulen: Da müssen sich die Lehrkräfte irgendwie in die Technik reinfuchsen, damit alles für den Unterricht funktioniert. Auch wenn hier ebenfalls Fachkräftemangel herrscht: Warum versuchen wir nicht, IT-Expertinnen und -experten in die Schule zu holen? Dann könnten die Lehrerinnen und Lehrer sich auf das konzentrieren, was und wie die Kinder lernen sollen. Ich bin überzeugt: Wir müssen Schule von innen neu denken. Interview: Ulrich Steinkohl, dpa

Zur Person
Bekleidet das – nach dem Bundespräsdenten – zweithöchste Amt im Staat: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Foto: photothek / Bärbel Bas

Bärbel Bas kam 1968 in Walsum, das heute zu Duisburg gehört, zur Welt. Sie erlernte zunächst den Beruf der Bürogehilfin, absolvierte später ein Studium zur Personalmanagement-Ökonomin und übernahm die Abteilung Personalservice einer Krankenkasse. 1988 trat sie in die SPD ein.

Dem Bundestag gehört sie seit 2009 an. 2013 bis 2019 war sie Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, anschließend stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Im Oktober 2021 wurde sie zur Bundestagspräsidentin gewählt.

„Kompetenzgerangel und fehlendes Geld“: Bundestagspräsidentin fordert Reform des Bildungswesens

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Einer
1 Jahr zuvor

Jetzt erschrecken sich 16 KuMi „Was? Nicht alles bei den Lehrern abladen? Wieso nicht? Sind doch unsere Beamten“
Mal abgesehen davon hat Frau Bär nur heiße Luft rausgelassen. Ja, mehr Geld, aber es muss effizienter eingesetzt werden. Also bilden wir erstmal einen Arbeitskreis aus Bund, Ländern und Kommunen. Dieser produziert dann innerhalb von nur 5 Jahren noch mehr heiße Luft und keinerlei in der Praxis sinnvoll umsetzbare Änderungsvorschläge. So wie der Vorschlag von Frau Bär IT-Fachkräfte ist die Schule zu holen. Gibt in NRW nicht schon so eine Vorschrift/Vorschlag pro 2.000 PCs an einer Schule eine IT-Fachkraft zu beschäftigen? Virtuelle Clients natürlich ausgenommen.

Vielleicht sollten alle Bundes- und Landesbehörden mal eine solche IT und deren Betreuung haben wie Schulen.

Last edited 1 Jahr zuvor by Einer
Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

Die Frau heißt Frau Bas….soviel Zeit muss sein ….

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Einer

„Nicht alles bei den Lehreren abladen.“
Ja, wo denn sonst? Einem muss man ja die Schuld zuschieben können. Die KuMis/Landespolitik sind/ist es natüüüürlich nicht!

Fakten sind Hate
1 Jahr zuvor

Lehrerinnen stimmen bei Konferenzen doch immer für Extraarbeit. „Weil es doch soooo interessant klingt.“ „Wegen süß en Kiderlys“
Wer darf dann die Zusatzarbeit machen? Die anderen oder es bleibt einfach liegen. Interessiert anscheinend niemand.

Kann man eigentlich auch mit vielen dieser aufgedrückten Zusatzarbeiten machen. Liegenlassen und maximal einen KIgenerierten Bericht einreichen.

Katinka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Ich weiß nicht, woher Sie diese Gewissheit nehmen, dass Lehrerinnen(?) IMMER für Extraarbeit stimmen bei Konferenzen. Bei uns macht das keiner. Weder Lehrer noch Lehrerinnen. (Mir ist auch neu, dass man darüber abstimmt, davon abgesehen.)

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Echt jetzt? Erlebe ich anders. Diese Zeiten sind vorbei.

Alex
1 Jahr zuvor
Antwortet  dauerlüfterin

Schön wärs. Bei uns gibt es immer noch ausreichend Unbelehrbare, die zu allem ja und amen sagen, dass die anderen regelmäßig überstimmt werden.

Hans Maiaer
11 Monate zuvor
Antwortet  Alex

Bei uns auch und sie erhöhen damit gleichzeitig den Druck auf alle.

klm
11 Monate zuvor
Antwortet  Alex

Im Kollegium versuchen einige immer wieder, die anderen zu übertrumpfen und mit ihrem zur Schau gestellten Engagement Eindruck zu schinden.
Bei uns sind es nur wenige, aber die sind ärgerlich genug.
Lehrkräfte stehen leider im (politisch unterstützten) Konkurrenzkampf. Da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Jeder möchte zumindest bei Schülern und Eltern möglichst beliebt sein. Das sorgt für einigen Mangel an Solidarität.
Schwierigkeiten im Unterricht, insbesondere durch renitente Schüler, werden verschwiegen und stattdessen so getan, als sei mangelndes Durchsetzungsvermögen nur Ausdruck besonderen Einfühlungsvermögens in die Kinderseelen. Man muss ihnen Freiraum lassen, nicht einengen und um Gottes nicht mit Strafen kommen.

Jette
1 Jahr zuvor

„Wir müssen Schule von innen neu denken“, ist einer der Allgemeinplätze, die uns überhaupt nicht weiterhelfen und die ich nicht mehr hören kann!
Auch die Idee, Lehrkräften an Brennpunktschulen eine Prämie zu zahlen oder IT-Leute einzustellen, die man nicht hat und nicht adäquat bezahlen kann, sind wenig hilfreiche Lösungsansätze.
So einen Bullshit von leeren Phrasen höre ich die letzten Jahre von allen Seiten,- ein vernünftiger Ansatz ist noch nicht dabei gewesen.

  1. Es muss klare Regeln und Absprachen geben, was Elternpflichten sind und diese müssen auch eingefordert werden dürfen.
  2. Die Schulämter sollten dazu angehalten werden, Lehrkräfte zu unterstützen und ein System bereitstellen, in dem man zielführend arbeiten kann.
  3. Die Arbeitszeit von Lehrkräften sollte einen Umfang haben, der akzeptabel und vor allem nachvollziehbar ist,- solange Lehrkräfte eine 50-Stunden-Woche haben, ist der Beruf unattraktiv.
  4. Es muss ein effizientes Personalmanagement aufgebaut werden, d.h. Schulräte (und Schulleitungen) sollten Personalführung auch gelernt haben und umsetzen können.
  5. Klare Vorgaben vom Kultusministerium, was Aufgabe der Lehrer ist und was nicht, ist dringend erforderlich.
  6. Der Bildungsplan muss prägnant und realisierbar sein. Märchenstunden haben hier nichts verloren.

Das wäre schon mal ein Anfang, alles weitere kann man darauf aufbauen.
Leute (Schulpolitiker), fangt endlich an, euch um die Schulen zu kümmern!!! Es ist allerhöchste Zeit!

kanndochnichtwahrsein
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jette

Alles richtig.
Ein Punkt noch als Soforthilfe:
Zurück auf Halbtag plus Betreuung, solange es für den Ganztag nicht wirklich ausreichend Lehrkräfte und weiteres Personal für einen guten Ganztag gibt.
Unter „ausreichend“ verstehe ich so viele Lehrkräfte, dass auch bei z.B. krankheitsbedingtem Ausfall Einzelner die anderen keine Kopfstände machen müssen, nicht noch mehr belastet/Überlastet werden,, dass es verlässliche, kompakte Unterrichtszeiten ohne unangemessen hohe Zahl von Springstunden gibt, dass am Nachmittag/Abend genug Zeit ist, um in Ruhe und konzentriert Unterricht nach-/vorzubereiten und wieder Phantasie für eine gute und angemessene Unterrichtsgestaltung zu entwickeln.
Jetzt ist es doch nur ein Hetzen zwischen Unterricht, Konferenzen, Vor-/Nachbereitung und sonstigen Aufgaben. Man hat immer den Eindruck, nicht so vorbereitet zu sein, wie man es gerne möchte, wie es notwendig wäre, wie man es vor seinem eignen Anspruch an den Beruf vertreten kann.
Wenn Jahrzehnte lang alles andere, private, neben dem Beruf derart in den Hintergrund tritt wie im Lehrerberuf, regelmäßig (um nicht zu sagen nahezu immer) Abende, Wochenenden, Feiertage und Ferien dran glauben müssen, dann stimmt etwas nicht.
Sowas kann man für begrenzte Zeit vertreten, wenn man sich z.B. vornimmt, 20 Jahre „richtig reinzuklotzen“, um „es dann geschafft zu haben“. Das kann man aber nicht nahezu ohne sichtbare Erfolge über 40 Lehrerjahre durchhalten. Wir Lehrer sehen oft nicht, was unsere Arbeit am Ende bewirkt, verlieren die Schüler aus den Augen, wir häufen auch nicht 20 Jahre Geld an, um es dann ruhiger angehen lassen zu können.
Wir häufen Frust, eine unendliche, tiefe Müdigkeit, oft auch Aussichtslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Hoffnungslosigkeit, das Gefühl, im „falschen“ System gefangen zu sein, an.

Das ist schade. Der Lehrerberuf könnte so schön sein.
die Gesellschaft könnte so viel Gewinn haben, wenn Schule besser wäre.

dauerlüfterin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jette

Ergänzung zu Punkt 5: Relevante Verordnungen mit eisernem Besen durchgehen. Begrenzt sinnvolle Zeit- und Energiefresser ersatzlos streichen!
In Hessen: z.B. von KuK erstellte Nachprüfungen zur nachträglichen Versetzung, Abituraufgabengewinnung aus der Fläche, da landet die Arbeit der KuK dem Vernehmen nach ohnehin meist im Müll, Lernstandserhebungen, etc pp.

Realist
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jette

Alles richtig, aber das Problem ist mittlerweile überkomplex und innerhalb des bestehenden Rahmens nicht mehr lösbar. Zu den einzelnen Punkten:

  1. Es reichen nicht allene „Regeln und Absprachen“ sondern es müsste auch eine bedingungslose Unterstützung durch übergeordnete Behörden geben bzw. ein Verzicht dieser Ebenen darauf, getroffene Entscheidungen der Einzelschule einfach wieder „einzukassieren“, wenn es aus politischen Gründen oder einfach aus Gründen der Überlastung opportun erscheint. Zudem müssen die „Regeln und Absprachen“ gesetzlich fixiert sein, damit diese nicht bei nächster Gelegenheit von den Gerichten wieder einkassiert werden. Und auch hier werden sich die Parlamente aus politischen Gründen nicht auf dieses Glatteis wagen.
  2. Siehe Punkt 1. Zudem müsste das komplette Hierarche-System auf den Kopf gestellt werden: Nicht die Schule „dient“ den Interessen der übergeordneten Behörden und der Politik sondern es müsste genau andersherum laufen: Die übergeordneten Behörden und die Politik „dienen“ den Schulen. Würde das deutsche Verwaltungssystem quasi auf den Kopf stellen und einen Verzicht auf (politische) Macht bedeuten: Wer macht das schon „freiwillig“?
  3. Heutzutage würde selbst eine Arbeitszeiterfassung nicht mehr reichen: Die „freie“ Wirtschaft lockt qualifizierte Absolventen mittlerweile mit echter 4-Tage-Woche und 2-3 Tagen echtes Homeoffice pro Woche (2/3 der größeren Unternehmen bieten dies ihren Beschäftigten mittlerweile an). Wie soll Schule mit der zwingenden Präsenzpflicht aller Beteiligten, die ja von allen Seiten gefordert wird („Betreungsfunktion“) damit konkurrieren bei jetzt schon chronischem Personalmangel, der sich auf absehbare Zeit (bis 2035) immer weiter verschärfen wird? Man wird von Lehrkräften in Zukunft eher wieder die 6-Tage-Woche fordern, damit sie die geforderten Aufgaben erledigen (fun fact: Die Schule war so ziemlich der letzte Beschäftigungsbereich, der die 5-Tage-Woche eingeführt hat, und wird wahrscheinlich der erste sein, der die 6-Tage-Woche wieder einführt. Erste Forderungen gibt es schon…)
  4. Dazu müsste, wie gesagt, auf allen Ebenen das Hierarchiedenken quasi umgekehrt werden. Und das ist nicht einmal ansatzweise erkennbar, im Gegenteil: Immer neue Forderungen „von oben“.
  5. Die Schulgesetze sind in allen Bundesländern bewusst schwamming gehalten. Im Prinzip ist alles Mögliche mittlerweile Aufgabe der Schulen, Und: Gesellschaft und Politk wollen es auch so, nicht umsonst werden praktisch töglich neue Forderungen erhoben, was Schule alles leisten soll. Ist ja auch so beqeuem, wenn man „mangelhafter Bildung“ die Schuld für alle politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemlagen zuschieben kann: Der perfekte Sündenbock. Und den wird man sich nicht so schnell nehmen lassen…
  6. Politik und Gesellschaft lieben „Märchenstunden“. Sieht man doch an allen Entwicklungen der letzten 30 Jahre. Die werden nicht plötzlich ausgerechnet für den Schulbereich realistisch werden…

Die Probleme sind seit Jahrzehnten bekannt (genauso wie der Lehrkräftemangel). Ich sehe nicht die leisesten Anzeichen einer Trendumkehr, im Gegenteil. Eher eine Beschleunigung des Trends. Gerade die Ankunft von KI wird das Geschrei nach „Bildung als Lösung aller Probleme“ in den nächsten Jahren noch hysterischer werden lassen und die Forderungen noch abstruser werden lassen. Es wenn das Bildungsssystem komplett gegen die Wand gefahren ist, praktisch keiner mehr den Beruf machen will (Gen Z: „Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“) und kein geregelter Unterricht mehr möglich sein wird, erst dann wird ein Umdenken einsetzen. Das dauert aber noch ein paar Jährchen…

Es wird noch schlimmer werden, bevor es besser wird. Hier passt der Spruch wirklich.

Silberfischchen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jette

Ihr Kommentar gefällt mir grundsätzlich. 🙂 Vor allem der Anfang. Ja, diese hohlen Phrasen sind so nervig! Zu Ihren Punkten möchte ich etwas einwenden:

  1. Klingt gut. Aber wie wollen Sie das in einer freiheitlichen Gesellschaft einfordern? Es steht doch schon in der Verfassung („… zuvörderst…“ ) und wenn Eltern das aber nicht machen, was ja tausendfach so geschieht, dann nehmen wir den Eltern die Kinder weg? Nicht mal das Bußgeld für zu häufiges unentschuldigtes Fehlen wird bei uns konsequent umgesetzt. Die Betroffenen leben nicht selten von HartzIV, denen kann man nichts mehr wegnehmen. … So ein „Vereinbarungspapier“ zwischen Eltern und Schule geben wir jedes Jahr neu aus. Da steht drin, was wir von den Eltern erwarten. Sie müssen es unterschreiben. Es hat aber noch nicht eines unserer Probleme gelöst. Kinder, die sich nicht benehmen; Kinder, die nicht lernen; Kinder, die keine Hausaufgaben machen, alles weiterhin da.Es wirkt genauso wenig wie all die tollen Sprüche an den Wänden eines jeden Klassenraums: Wir melden uns, wenn wir etwas sagen wollen./Wir gehen freundlich miteinander um……….
  2. Bitte konkret. Das ist auch nur eine Worthülse.
  3. Ich finde eine reale 50-Stunden-Woche ok, wenn weiterhin die gesamte anfallende Mehrarbeit der Unterrichtszeit in den Ferien „abgebummelt“ werden darf. Ich möchte nicht, dass bei einer realen 40-Stunden-Woche dann Aufgaben in den Ferien anfallen (außerhalb des eigenen Urlaubsanspruchs), weil ja nichts mehr abzubummeln ist. Im ÖD haben wir gut 10 Wochen „frei“ (Ferien, inklusive Urlaub), die anderen Berufstätigen haben rund 5 Wochen Urlaub. Bitte das nicht ändern. Das ist ein Riesenplus für den Lehrerberuf. Alle sind neidisch darauf! (An Privatschulen muss man u.U. Urlaub einreichen und in der übrigen Ferienzeit „abrufbereit“ vor Ort bleiben.)
  4. Dazu fällt mir nichts ein. Ist das nicht immer eine individuelle Frage/Charakterfrage (wie sich jemand als Chef gibt)?
  5. Die Aufgaben der Lehrer sind doch formulliert. Vieles ist klar, dass das eigentlich nicht unsere Aufgabe ist, z.B. den Klassenraum mit Eltern neu zu streichen. Nur wenn’s keiner macht, dann hat man ja nur die Wahl, er bleibt so hässlich, wie er ist oder wir nehmen’s in die Hand. Und soll man sich wirklich weigern, einem Kind die Schnürsenkel zuzubinden, weil das nicht meine Aufgabe ist, sondern die der Erzieher? Und die Kopien meiner Arbeitsblätter lasse ich die eine Sekretärin an unserer Schule anfertigen, die das dann für 50 Lehrer machen muss, schnellstmöglich natürlich, weil ich mir dazu zu fein bin???
  6. Was meinen Sie damit? Lehrpläne entschlacken? Es scheitert vor allem an uns, weil wir mit Streichungen von Themen nicht einverstanden sind, weil wir sie alle wichtig finden. Ist es nicht so? In der Realität schaffen wir eh nicht alles und wir zumindest werden auch darin bestärkt, nicht alles schaffen zu müssen. Das ist doch dann ok.

Meine Alternative? Ganz wesentlich, die Wochenstundenzahl wieder spürbar reduzieren. Sie war ja mal deutlich geringer!!!! Dann fände ich es auch vertretbar, die eine oder andere „Nicht-Unterrichtsaufgabe“ selbst zu erledigen und Eltern öfter hinterherzutelefonieren, deren Kinder keine HA machen.

Und die Klassengrößen zu verringern, dann verringert sich auch die Nachbereitungszeit zu Hause (z.B. Korrekturen) von selbst und meine Gesundheit profitiert spürbar, weil ich nicht gegen den Geräuschpegel von 30 Kindern, sondern nur von 20 (?) agieren muss.

Gelbe Tulpe
1 Jahr zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Keine Hausaufgaben aufgeben, dann muss man auch nicht den Eltern hinterher telefonieren.

Sacce
1 Jahr zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Ich finde eine reale 50-Stunden-Woche ok, wenn weiterhin die gesamte anfallende Mehrarbeit der Unterrichtszeit in den Ferien „abgebummelt“ werden darf. Ich möchte nicht, dass bei einer realen 40-Stunden-Woche dann Aufgaben in den Ferien anfallen (außerhalb des eigenen Urlaubsanspruchs), weil ja nichts mehr abzubummeln ist.

Da ist das Problem. Nachdem Lehrer permanent über die vielen Arbeitsstunden jammern sollten sie 40 Stunden peo Woche arbeiten. Überstunden werden gekappt (wie auch in der Industrie) und es gibt 6 Wochen Urlaub. Der Rest wird gearbeitet.

Emil
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sacce

Gerne, ich sofort dabei! Gibt’s die Zeugnisse halt nach den Ferien, vorher war halt keine Zeit mehr.
Und die Zeugnisse werden dann im Homeoffice, also aus dem Strandkorb geschrieben. Wie auch in der Industrie!!!!
Noch Fragen?

Marielle
11 Monate zuvor
Antwortet  Emil

Vielleicht können die Noten ja auch unterjährig gepflegt werden und die Zeugnisse dann ausgedruckt werden. Sollte ja mit einer Software kein großes Hexenwerk sein.

Im Strandkorb schreiben wird nicht funktionieren. Die sind ja alle besetzt von den Leuten, die im „Homeoffice“ bzw in „workation“ „arbeiten“. Wie wir alle wissen, machen das ja ALLE.

Mir persönlich wäre es egal, wann die Zeugnisse kommen. Solange man auch über mündliche Noten auf dem Laufenden bleibt, sollten da ja keine großen Überraschungen kommen. Knicken, lochen, heften kann ich gerne auch, wenn das Wetter wieder schlechter ist.

Emil
11 Monate zuvor
Antwortet  Marielle

Na, da hat ja jemand so richtig viel Ahnung!
Schon mal Textzeugnisse geschrieben? Eindeutig nein.
Solche Leute sind Mitschuld am Lehrermangel! Moppern ohne jegliches Wissen. Einfach mal draufhauen. Schröder lässt grüßen!
Ob Sie abheften können, ist übrigens egal!
Gehirn einschalten wäre wichtiger! (Falls vorhanden….)

Cecilia Fabelhaft
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sacce

Gute Idee!

Dietmar
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jette

Für die IT der süßen Kleinen sollten die Eltern zuständig sein – genauso wie für das Sportzeug, Stifte, Mäppchen usw. Der einfachste Weg wäre, solche Aufgaben bei den Erziehungsverpflichteten zu belassen.

Der Staat versucht sich an diesem Thema schon seit einem Vierteljahrhundert vergeblich. Jetzt muss mal endlich Schluss sein.

Carabas
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dietmar

Nein, der Staat versucht sich an diesem Thema überhaupt nicht. Polititker behaupten, die Schule könnte das erledigen, ohne dafür Ressourcen bereitzustellen. Mal ein Blick über den Tellerand werfen in die skandinavischen Länder oder in die USA. Dort bekommen Schüler an vielen Schulen alles gestellt, vom Mäppchen bis hin zur Sportbekleidung. Man muss nur wollen.

Aleidis, von edlem Wesen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carabas

Und wer bezahlt das? Der Steuerzahler? Also wir alle. Und wo soll das Geld dafür eingespart werden bzw. welche Steuer soll dafür dann erhöht oder neu eingeführt werden? Reduzieren wir dann die Zuschüsse zum Gesundheitswesen, sodass unsere Beiträge steigen? Oder senken wir HartzIV? Oder kürzen wir bei den Maßnahmen gegen Rechtsextremismus? Oder bauen wir einfach weniger Straßen, halten weniger instand, erhöhen das 49-Euro-Ticket doch lieber wieder auf 69 Euro? Die Differenz geht dann ins Bildungswesen…

Was für eine Finanzierung schlagen Sie vor? Ja, die Rüstungsausgaben. Die wurden aber schon jahrelang nicht erhöht oder gar gesenkt, nun wurden sie wegen Ukraine/Russland deutlich erhöht. Machen wir das rückgängig? Brauchen wir jetzt doch keinen besseren Verteidigungsschutz?

Ich warte auf Ihre (realistischen) Vorschläge.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor

Weniger/Kein Kindergeld für betuchte Eltern, Bildungskarte und den Zuschuss für Materialien für BüGeld-Beziehende abschaffen … Gibt bestimmt noch andere Bereiche.

Cecilia Fabelhaft
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Haben Sie nicht den Aufschrei mitbekommen, dass jetzt das Elterngeld nur noch bei einem Einkommen bis 150.000 pro Jahr für beide verfügt wurde?

Sahin
11 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Klar, kennt man von Sozialisten: zufrieden sind die erst, wenn alle gleich arm sind, egal ob sie arbeiten (und Kosten und Mühe in Ausbildung gesteckt haben) oder nicht…

Frage: Wer bezahlt denn aktuell die Steuern, um das Kindergeld verteilen zu können?

Alle Lehrer sollten sich hier bewusst sein, dass sie mit „betuchte Eltern“ mitgemeint sind.. also ich finde das System (nicht nur auf das Kindergeld bezogen) schon jetzt ungerecht.

Last edited 11 Monate zuvor by Sahin
Realist
1 Jahr zuvor

„Und wer bezahlt das? Der Steuerzahler?“

Wer bestellt, bezahlt. Ganz einfach. Wenn die Gesellschaft will, dass sich Schulen um diesen ganzen Kram kümmern (inklusive IT-Wartung für Schüler-Geräte und „Schuhe zu binden“), dann muss sie das via Steuern bezahlen. Oder darauf verzichten.

Man kann dem Kellner im Restaurant schließlich auch nicht 10 Euro vor die Füße knallen und ein Vier-Gänge-Menü mit Nachschlag und Champagner zum Abschluss verlangen…

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dietmar

Und Kinder, deren Eltern kein Material kaufen, setze ich dann vor die Tür?

Johannes
1 Jahr zuvor
Antwortet  Jette

Selten so gelacht! Das werden die Verantwortlichen sagen…

Freiya
1 Jahr zuvor

Das ist schön, dass Frau Bas Bund, Länder, Kommunen in die Pflicht nehmen will.
Und was ist mit den ELTERN? Wieder wird so getan, als hätten Eltern keinerlei Verantwortung. Eltern haben das Recht, aber auch die „ihnen zuvörderst obliegende Pflicht“ zur Erziehung (!) ihrer Kinder. Quelle: Grundgesetz!

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Freiya

Was mich interessiert, ist, wie man desinteressierte Eltern zwingen soll. DA liegt doch der Hase im Pfeffer.

Konfutse
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Kindergeld kürzen.

Cecilia Fabelhaft
1 Jahr zuvor
Antwortet  Freiya

Ha, da ist es ja wieder. Die Eltern sollen erziehen. Die Lehrer wollen das nicht. Wenn Sie auf das Grundgesetz verweisen, schauen Sie bitte auch ins Schulgesetz. Es stimmt nämlich, auch die Schule hat einen Erziehungsauftrag! Und richtig ist die Frage ebenso, was soll denn der Staat mit den Eltern machen, die ihrer Erziehungspflicht nicht nachkommen? Und wer soll das „beobachten“, „begutachten“, „entscheiden“? Auch wieder die Lehrer? Oder die ebenfalls völlig unterbesetzten Jugendämter?

Silberfischchen
1 Jahr zuvor

Ich glaube, der Satz spricht vielen Lehrern aus der Seele (Titelzeile). Allerdings dürfen auch Lehrer nicht immer alles bei den Eltern abladen. Man hört und liest so oft, dass sich keine Kinder anschaffen solle, wer ihnen nach der Schule nicht beibringen könne, was in der Schule nicht geschafft wurde! (frei formuliert, aber darauf läuft es ja hinaus)

Man muss auch bedenken, es gab immer diese Elternschaften, die ihren Kindern nicht helfen konnten oder wollten. Diese Kinder dann ihrem Schicksal zu überlassen, finde ich menschenverachtend und egoistisch. Gerade für sie kann die Schule die einzige Rettung sein. Lehrer müssen sich darauf einstellen, dass Eltern zuhause nicht mitziehen (können oder wollen)! Lehrer sind die Fachleute für den Unterrichtsstoff, nicht die Eltern!

Es ist traurig, wenn Eltern Nachhilfeinstitute beauftragen müssen, den Kindern beizubringen, was die Lehrer nicht schafften. In den Nachhilfeinstituten sitzen oft „Studenten und Hausfrauen“, jedenfalls kaum ausgebildete Lehrer. Wie sollen die schaffen, was die Fachleute in den Schulen nicht schafften?

Wir brauchen eine Ausgewogenheit, bei der auch die Lehrer ihre Rolle annehmen. Sie besteht sowohl im Erziehen (schulischer Erziehungsauftrag, siehe Schulgesetze) als natürlich auch im Vermitteln von Kenntnissen und Fertigkeiten. Das sind Aufgaben der Lehrer. Beides! Dafür werden sie bezahlt. Dass Eltern häuslicherseits unterstützen und mithelfen, erklären und üben (und erziehen) ist wünschenswert und notwendig, aber keine Voraussetzung für das Agieren der Lehrer. Sie müssen trotzdem ihre Arbeit machen, auch wenn die Eltern „ihre Arbeit“ nicht machen!

Was dann genau die Schule vermitteln soll, ist „Verhandlungssache“ der Gesellschaft. Es kann nicht immer mehr und mehr werden bei gleich bleibender Unterrichtszeit. Kommt das eine hinzu, fällt das andere weg (oder kommt zu kurz). Wir sehen es in den Grundschulen. Basisfertigkeiten wie Lesen, Schreiben, Rechnen werden immer schlechter beherrscht, weil uns immer mehr Zusätzliches aufgebürdet wurde und wird und soll. Da darf manches auch dem Außerschulisches überlassen bleiben und dazu gehören die Eltern. Hier schließt sich der Kreis.

vhh
1 Jahr zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Lehrer laden in der Regel nicht alles bei den Eltern ab und ich erwarte auch nicht, dass Eltern nachholen was an Didaktik in der Schule nicht funktioniert hat. Den Kindern eine brauchbare Einstellung zu Schule und Anstrengung zu vermitteln, eine Offenheit Neuem gegenüber, das ist allerdings nur vom Elternhaus zu leisten. Auch wenn ich „meine Arbeit mache“, ungeachtet ob Eltern ihre Arbeit tun oder nicht, was nützt noch so viel Einsatz und Aufwand bei „Mathe konnte ich auch nie, wird sowieso Profisportler“ (ja, ernsthaft gehört) oder „sie will doch nicht nach England“ oder „wenn die Lehrer besser wären, gäbe es nicht sechs Fünfen“. Jeweils am Sprechtag in Anwesenheit der Kinder geäußert, was wird wohl privat gesagt? Jeder sollte einen Unterricht schaffen, der keine Hilfslehrer zuhause erfordert, sehe ich auch so, aber die Basis, Schule nicht als erweiterten Spielplatz zu sehen und es ernsthaft zu versuchen, muss von den Eltern gelegt werden.
Ich würde nie ein Kind aufgeben, gerade die mit häuslichen Problemen bzw überforderten Eltern, aber unser Einfluss ist da sehr begrenzt. Was haben diese Kinder eingeübt? Sich allein durchzusetzen, sich irgendwie durchzumogeln, Dinge die in der Schule kontraproduktiv und in ihrem Alltag überlebenswichtig sind. Wenn 5Jahre nach dem HA jemand, der kurz vor dem Schulabbruch stand erzählt, dass er die Ausbildung beendet hat und jetzt selber Azubis anleitet ist das sehr schön. Es ist, bei allem Einsatz, einer von zehn und zuerst sollten Eltern ihre Kinder nicht aufgeben, um die 45-50000 zu reduzieren.

Aleidis, von edlem Wesen
1 Jahr zuvor
Antwortet  vhh

Das sind mega viele Einzelfälle, aus denen Sie da eine Allgemeinheit konstruieren. Jeder kann Einzelfälle in dieser oder jener Richtung nennen. Anekdotische Evidenz. Sie führen da Beispiele auf, die eigentlich belegen, dass Lehrer sich nicht auf die Elternhäuser verlassen können. Das bedeutet letztendlich ja doch, die Lehrer müssen es tun, denn die Eltern tun es nicht. Und zwingen kann man sie nicht, wie Silberfischchen richtig schreibt.

Schule als erweiterter Spielplatz? Gut formuliert, aber werden heutige Lehrer nicht genau so ausgebildet? Schule soll Spaß machen. Was langweilig ist, Üben nämlich, das sollen die Eltern zuhause machen. Und viele von ihnen können es nicht, weil ihnen einfach die methodische, didaktische Kompetenz dafür fehlt (man erinnere sich an die verzweifelten Aufschreie zuhause unterrichtender Eltern in der Coronazeit).

Last edited 1 Jahr zuvor by Aleidis, von edlem Wesen
Freiya
1 Jahr zuvor

Wenn sich Lehrer nicht auf die Elternhäuser verlassen können, dann sollten Lehrer doch bitte wenigstens die fachliche Kompetenz zugeschrieben bekommen, zu „lehren und erziehen“. Aber selbst das bekommt unser Arbeitgeber ja nicht hin!

vhh
1 Jahr zuvor

Anekdotische Evidenz bedeutet Verallgemeinerung auf Grund einer eigenen, beispielhaften Erfahrung. Drei (nicht mega viele!) Beispiele, wann Lehrer eher wenig Chancen haben, ihrem Erziehungsauftrag erfolgreich nachzukommen sind nur das, nämlich Beispiele. Ich habe nicht von allen Eltern und immer gesprochen, nur davon, dass in einigen Fällen alles Engagement wenig hilft; sie nennen die Elternhäuser.
Vermutlich könnte ich mich mit Silberfischchen in fünf Minuten darauf einigen, wo Eltern- und Lehreraufgaben enden. Siehe Titel, „…nicht alles…abladen„, was nicht bedeutet, Familien und Kinder mit ihren Problemen allein zu lassen, da muss es andere Hilfen, eventuell sogar verpflichtende, geben. Es gibt sie natürlich nicht ausreichend, deshalb -> Schule ist zuständig.
Zwischen Spielplatz und Paukschule ist noch viel Platz für Zwischentöne, die lernt man eigentlich in der Ausbildung. Man lernt auch, dass Übungen nicht aus langweiligen Wiederholungen bestehen müssen, gerade dieser andere Ansatz macht es ja vielen Eltern schwer, bei den Aufgaben zu helfen. Welche Eltern versuchen das überhaupt? Selten diejenigen, deren Kinder die Schule abbrechen.
Wer keine Lust mehr hat, braucht nicht unbedingt besseren Unterricht, sondern emotionale Unterstützung, dauerhafte Begleitung. Ist das wirklich Teil des Erziehungsauftrags? Auch wenn wir das immer wieder tun, kann man es als Verpflichtung doch in Frage stellen. Wenn wir den Auftrag so weit fassen, sind wir wieder bei „…nicht…alles abladen“ und einem Alltag, in dem 20 SchülerInnen ‚zurecht kommen‘ müssen, weil die restlichen zehn Intensivbetreuung brauchen. Hoffentlich haben die zwanzig ein funktionierendes und engagiertes Elternhaus.

Silberfischchen
11 Monate zuvor
Antwortet  vhh

Ich erlebe oft, dass Eltern mir erzählen, was für ein Kampf/Stress es für sie zuhause bedeutet, ihre Kinder zu Übungen, Hausaufgaben, zum Lernen zu bewegen. Die Kinder weigern sich hartnäckig, wenn ich als Lehrer es nicht gefordert habe (zusätzliches Üben) und sie weigern sich natürlich auch, wenn ich es gefordert habe (Hausaufgaben), sodass Eltern, jene, die mitarbeiten also, nur noch ohnmächtig auf mich verweisen und den „Ärger“, den das Kind mit mir bekäme. Ich staune manchmal mächtig gewaltig, wie sich manche meiner Schüler anscheinend zu Hause verhalten. Das könnte ich mir bei vielen nicht vorstellen.

Sprich, das möchte ich bekräftigen, die Fachleute der Wissensvermittlung sind wir Lehrer, nicht die Eltern. Man darf das nicht voraussetzen. Wenn sie mitmachen, unterstützen, helfen ….. super! Dass sie es nicht tun oder nicht schaffen, muss man aber eher annehmen und seinen Unterricht entsprechend organisieren.

Last edited 11 Monate zuvor by Silberfischchen
Cecilia Fabelhaft
1 Jahr zuvor
Antwortet  vhh

Schule als erweiterter Spielplatz, ja, das ist die Devise. Aber nicht nur der Eltern, auch der Lehrer. Den Rest sollen die Eltern daheim organisieren, nacharbeiten, ja, das erlebe ich auch oft.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Es ist traurig, wenn Eltern Nachhilfeinstitute beauftragen müssen, den Kindern beizubringen, was die Lehrer nicht schafften.“

Wenn Kinder längerfristig Nachhilfe benötigen, dann sind sie auf dem falschen Schultyp oder haben ein grundsätzliches Problem mit der Arbeitseinstellung.

Uwe
1 Jahr zuvor

Das ist als derart absolute Aussage enorm praktisch: Ein Schulversagen ist damit ja ausgeschlossen. Das finde ich übrigens auch, die Schule kann gar nicht versagen, Schuld sind IMMER die Schüler*innen. Liegt vermutlich auch daran: Die Lehrer*innen sind allesamt PERFEKT.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor
Antwortet  Uwe

Ich finde das toll, wie Sie da Sachen in meinen Beitrag reinlesen, die da gar nicht stehen.

Natürlich kann Schule versagen und natürlich können auch Lehrer versagen. Ja, bei manchen Schülern mag auch die „Lernchemie“ mit dem Fachlehrer nicht stimmen, das kommt alles vor. Aber selbst wenn ein schwacher Schüler ein, zwei schlechte Kollegen hat, sollte er in der Lage sein, die schwachen Leistungen mit passablen Leistungen in anderen Fächern bei guten Lehrern auszugleichen.

Aber ansonsten haben Sie recht: ich bin PERFEKT. Und zwar IMMER.

Freiya
1 Jahr zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Einspruch, Euer Ehren! Lehrer WOLLEN ja lehren und erziehen, bekommen aber oft von genau denjenigen Eltern Knüppel zwischen die Beine geworfen, die eben dies nicht tun!

Cecilia Fabelhaft
1 Jahr zuvor
Antwortet  Freiya

Einspruch, eurer Ehren! Wie oft kann und konnte man auf diesen Seiten lesen, dass Erziehung Sache der Eltern sei! Damit wollen sich allerhand Lehrer nicht beschäftigen müssen. Sie wollen artige, fleißige, höfliche Schüler in der Schule abgeliefert bekommen. Schön wär’s ja, aber die Wirklichkeit ist eben eine andere. Nun wollen manche Lehrer noch, dass Eltern das Unterrichten übernehmen, also daheim, weil es in der Schule nicht gelingt. Wozu braucht man doch noch Lehrer? Wozu soll man sie dann mit immer mehr Gehalt und sonstigen Vergünstigungen (Beamtentum) locken?

Last edited 1 Jahr zuvor by Cecilia Fabelhaft
Sternschnuppe
11 Monate zuvor

Das Problem ist doch, dass Schüler heute mit gar keinen Voraussetzungen mehr kommen. Und ja, das ist Sache der Eltern. Es bringt nichts, in der Schule etwas zu vermitteln, wenn es zu Hause nicht umgesetzt wird. Und wenn Sie meinen, der Lehrerberuf wäre ja so einfach und überbezahlt, dann bewerben Sie sich gerne. Dann werden Sie mal sehen, wie anstrengend das ist und bringen diesem Beruf etwas mehr Wertschätzung entgegen. Das ist ja mit ein Grund, warum diesen Job keiner mehr machen will. Also schnell eine Bewerbung schreiben.