Sanierungsstau: Schuljahr startet für viele Schüler und Lehrer in Container-Klassenzimmern

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DÜSSELDORF. Die Schülerzahlen in Nordrhein-Westfalen steigen, ebenso die Bedarfe an Ganztagsbetreuung. In vielen Kommunen werden deshalb Schulen erweitert oder auch neue gebaut. In der Übergangszeit kommen vielerorts Container zum Einsatz.

Container sind praktisch – und billig. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Für zahlreiche Schülerinnen und Schüler in Nordrhein-Westfalen hat der Unterricht im neuen Schuljahr in Containern begonnen: Viele Kommunen setzen derzeit Konzepte zur Erweiterung und zum Neubau von Schulen um. Hinzu kommen notwendige Sanierungen. Als Übergangslösung werden dabei meist provisorische Unterrichts- und Betreuungsräume in Stahl- oder Holzcontainern eingesetzt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zeigt.

«Die steigenden Anforderungen an Schulen und das geplante Recht auf Ganztagsbetreuung, kombiniert mit dem Alter vieler Schulgebäude, sind wesentliche Ursachen des Sanierungsstaus», sagte Stefan Behlau, Landesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW. «Diese Faktoren müssen aber in angemessenen Raumplanungen ihren Niederschlag finden. Das ist derzeit vor allem bei den Bedarfen im Ganztag nicht überall angekommen.» Ab 2026 greift in den Grundschulen schrittweise ein bundesweiter Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung.

Allein in Duisburg wurden nach Angaben eines Stadtsprechers seit 2021 an 37 Schulen insgesamt 147 «mobile Klassenräume» errichtet. 19 kämen in diesem Schuljahr hinzu, vier weitere seien bereits für das Schuljahr 2024/25 geplant. In Essen wurden nach Auskunft der Stadt seit 2018 an 23 Schulen provisorische Klassen- und Betreuungsräume geschaffen. Zum ersten Quartal 2024 sollen 10 Fertigpavillons an neun zusätzlichen Standorten bezogen werden. Im laufenden Schuljahr habe man für alle Kinder Unterrichtsräume zur Verfügung stellen können, sagte eine Stadtsprecherin.

Anders sieht das in Bochum aus: Für den Grundschulbereich seien zum Start des Schuljahrs Ersatzklassen für elf Standorte bestellt worden, sagte ein Stadtsprecher. Wegen Lieferschwierigkeiten der beauftragten Unternehmen kam es demnach zu Verzögerungen – an drei Schulstandorten begann das Schuljahr ohne die bestellten Container. Sie sollen nachgeliefert werden. Zwei weitere Anlagen seien bereits für 2024 bestellt, sagte der Sprecher.

Auch in Dortmund ist die Aufstellung weiterer Container nach Angaben der Stadt vorgesehen, um Schülerinnen und Schüler während Bauarbeiten unterzubringen. Derzeit seien 120 sogenannte mobile Einheiten an 27 Schulen im Einsatz, teilte eine Sprecherin mit. In Bielefeld sind der Stadt zufolge fünf neue Modulbauten mit insgesamt 14 Räumen beauftragt worden. Derzeit werden an zwei Schulen Klassen in Einzel-Containern unterrichtet, an 15 Standorten kommen ergänzend bereits Module mit insgesamt 48 Räumen zum Einsatz.

An den Schulen in Münster werden derzeit an 14 Standorten sogenannte Fertigbauklassen genutzt, die jeweils aus mehreren Containern bestehen. An zwei weiteren Standorten sollen demnächst fünf zusätzliche Fertigbauklassen aufgestellt werden. In Aachen sollen Container in diesem Schuljahr an vier Schulen Bauarbeiten überbrücken.

«Die Investition in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen muss stets Vorrang vor kurzfristigen Einsparpotenzialen haben»

«Sicherlich können Provisorien im Rahmen von Schulneubauten nicht vermieden werden, dennoch müssen hier die Schulen auch bei diesen Planungen in den Blick genommen und einbezogen werden», sagte der VBE-Landesvorsitzende Behlau. «Nur ein Dach über dem Kopf – vielleicht mit Stromanschluss, das reicht nicht.»

Der VBE befürchtet, dass Provisorien in vielen Kommunen bereits Dauerlösungen geworden seien. «Die Investition in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen muss stets Vorrang vor kurzfristigen Einsparpotenzialen haben, das gilt für das Personal genauso wie für Gebäude», sagte Behlau.

In der Regel würden die Container je Schule maximal zwei bis drei Jahre lang genutzt, sagte eine Sprecherin der Stadt Düsseldorf auf Anfrage. Teilweise dauert das Provisorium aber auch länger: So etwa am Wim-Wenders-Gymnasium in Düsseldorf, das 2017 gegründet wurde. Bis zum Bezug des neuen Schulgebäudes in diesem Jahr seien die Schüler des Gymnasiums geplant auch in Containerklassen unterrichtet worden, teilte die Sprecherin mit. Wie viele Container in Düsseldorf derzeit insgesamt im Einsatz seien, werde von der Stadt nicht erfasst.

Schulplätze zu schaffen, sei eine der größten Herausforderungen für die Stadt Köln, teilte eine Stadtsprecherin mit. Dabei gehe die Stadt mit «der größtmöglichen Kreativität» vor – so sei etwa eine eigene Stabsstelle damit beschäftigt, ungenutzte Immobilien zu finden, die sich nach Umbau als Schulen eignen könnten. Zu den langfristigen Maßnahmen gehörten neben Anmietungen auch Erweiterungen und Neubauten. 2023 seien 19 Bauprojekte fertiggestellt worden oder stünden derzeit kurz vor der Fertigstellung. Darunter seien auch zehn Modulbauten, die zum Großteil aber langfristig als Schulgebäude genutzt werden sollen. Hinzu kommen ergänzende Containeranlagen an derzeit 57 der 274 städtischen Schulstandorte.

Für den Schulbau stellt die Stadt Köln von 2020 bis Ende 2027 insgesamt 1,7 Milliarden Euro bereit. In Düsseldorf sind rund 1,5 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren veranschlagt. In Duisburg wurde das Budget für Schulbaumaßnahmen zuletzt von 41 Millionen Euro im Jahr 2022 auf 190 Millionen Euro 2023 erhöht. Für 2024 sind 226 Millionen Euro veranschlagt. Der deutliche Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren ergebe sich aus geplanten Neubauten, die nicht als Containerlösungen vorgesehen seien, hieß es von dem Stadtsprecher. News4teachers / mit Material der dpa

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Dejott
8 Monate zuvor

Unterricht im Container ist absolut prickelnd. Da lernt man den Schulträger richtig lieben.

Christabel
8 Monate zuvor

Ich bin vor langer Zeit in Containern unterrichtet worden, war im Studium im Container, meine Tochter in den Neunzigern ebenfalls in der Oberstufe im Container, heute unterrichte ich teilweise wieder im Container. Also für mich nix Neues. Erstaunlich nur, wie lange so bereits verfahren wird, ohne dass sich was ändert, wahrscheinlich sitzen meine Enkelkinder dereinst noch im Container.

Mom73
8 Monate zuvor

Meine Tochter ist jetzt auch endlich im Container gelandet. Mein 1. Gedanke war, wie depressiv das irgendwann machen wird.
Die Container für die Oberstufenschüler stehen schon seit Jahren und so schnell wird sich da auch nichts ändern 🙁

Sim
7 Monate zuvor
Antwortet  Mom73

Wieso soll man bitte von Containerklassenzimmern depressiv werden? Wir hatten in den 80er-Jahren am Gymi noch teilweise Unterricht in den „Baracken“ – die waren irgendwann nach dem 2. Weltkrieg gebaut worden. An der Realschule bei uns gibt es etliche Containerklassenzimmer. So viel anders als normale Klassenzimmer sehen die jetzt auch wieder nicht aus. So what?

Maja Schule
8 Monate zuvor

Dann noch lieber gemütlich homeschooling
oder wie in Belgien auf vier Tage statt 5 den Unterricht verteilen 🙂

Andre Hoger
8 Monate zuvor
Antwortet  Maja Schule

Nein danke.

Schöpke Annedore
7 Monate zuvor

Vielleicht wachen die Eltern endlich mal auf und versammeln sich vor dem Bildungsministerium, aber es scheint ihnen ja egal zu sein.

Walter
7 Monate zuvor

Liegenbleiben, denn nur der Schulträger ist für Bau, Betrieb und Wartung seiner Schulgebäude und Sportstätten ver­ant­wortlich.

Ich_bin_neu_hier
7 Monate zuvor

«mobile Klassenräume» ist ein wunderschöner Neusprech-Begriff für „Container, die Jahrzehnte auf dem Schulhof rumstehen“ – und die vermutlich ein Mehrfaches an Wartungs- und Heizkosten verursachen, das es gekostet hätte, von Anfang an einen vernünftigen Neubau hinzustellen. (Diese Laufzeit-Kosten fallen dann allerdings nicht mehr in derselben Legislaturperiode an – ein Schelm, wer Arges dabei denkt.)