47 Milliarden Euro Sanierungsstau: Lehrer und Schüler demonstrieren gegen marode Schulgebäude

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KÖLN. In Köln demonstrieren Schüler mit ihren Eltern und Lehrern für bessere Schulen. Stinkende Klos oder eine fehlende Ausstattung – die Mängelliste ist nach Ansicht der Organisatoren lang. Laut einer Studie ist der bundesweite Investitionsrückstand groß.

Etwa zweitausend Schüler, Eltern und Lehrer haben am Dienstag in Köln eine schlechte und veraltete Ausstattung ihrer Schulen beklagt. Auf selbstgemalten Transparenten stand etwa «Schulnotstand im Kölner Norden» und «Bessere Schulen, bessere Bildung». Bei dem Protest ging es vor allem um Mängel an Schulen im Norden von Köln und die damit einhergehenden Einschränkungen im Unterricht.

Auf einem Plakat wurden die Zustände beim Sport aufs Korn genommen: «Täglich turnen wir im Stalle und wünschen uns ’ne neue Halle». Die «schulische Exkursion» genannte Aktion führte vom Städtischen Heinrich-Mann-Gymnasium zum Bezirksrathaus im Stadtteil Chorweiler. Dort sollte ein Forderungskatalog übergeben werden.

Angemeldet war der Protestzug von der Elternvertretung des Gymnasiums. Nach deren Angaben beteiligten sich fünf Schulen. Auch ein mit Schülern entstandenes Lied über marode Technik und defekte Leitungen wurde gesungen. Es handelte von dem Wunsch nach reparierten Sporthallendächern, modernen Räumen für die NaWi-Fächer und «Klos die nicht entsetzlich stinken – Seht doch wie wir um Hilfe winken!».

Für die Schulpflegschaft des Gymnasiums sprach Philipp Meise von teilweise seit langem bestehenden Mängeln an der Ausstattung. So müssten Physik-, Chemie- und Biologieräume seit langem modernisiert werden, doch es geschehe nichts. Es gebe defekte Leitungen und kaputte Toiletten. «Es kann nicht sein, dass Kinder hier in der Mittagspause abgeholt werden von den Eltern, damit sie auf Toilette gehen können zu Hause», sagte Meise dem WDR.

«Allen kommunalen Bemühungen zum Trotz wächst der Investitionsstau weiter an und es ist kein Ende in Sicht»

Laut Studie der staatlichen Förderbank KfW sind die Schulgebäude der größte Investitionsbereich der Kommunen in Deutschland auch in diesem Jahr. Sie stehen demnach mit 12,1 Milliarden Euro und einem Anteil von 28 Prozent an den Gesamtinvestitionen erneut an erster Stelle in den Kommunalhaushalten vor denen in Straßen und Verkehrswege. Allerdings wären laut der am Montag veröffentlichten Studie 47,4 Milliarden Euro erforderlich, um die Schulen insgesamt etwa auch bei der Digitalisierung auf den heute notwendigen Stand zu bringen.

«Allen kommunalen Bemühungen zum Trotz wächst der Investitionsstau weiter an und es ist kein Ende in Sicht», kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, Christof Sommer, die Ergebnisse der Studie. Die Ausgaben für die Kommunen stiegen rasant, etwa für Flüchtlingsunterbringung, Tariferhöhungen, Energiekrise oder Baukosten. Der Großteil der Städte und Gemeinden in NRW müsse schon heute auf Rücklagen zurückgreifen, um den nächsten Haushaltsplan abzusichern. Für die großen Zukunftsaufgaben wie Klimaschutz, Digitalisierung oder nachhaltige Mobilität bleibe nicht das übrig, was bei den ambitionierten Zielen erforderlich wäre.

Die Stadt Köln erklärte, Schulbau habe allerhöchste Priorität. Dazu gehöre auch der Erhalt schon bestehender Schulplätze. Die Stadt investiere allein in diesem Jahr 250,5 Millionen Euro in Schul-Großbauprojekte. 75,6 Millionen Euro würden für die laufende Instandsetzung an den 266 städtischen Schulstandorten bereitgestellt.

«Da wir nicht alle Schulen gleichzeitig modernisieren können, hat der Rat die Reihenfolge der 193 Maßnahmen beschlossen – 86 davon sind bereits in Planung und Bau», erklärte der Dezernent für Planen und Bauen, Markus Greitemann. Mit Blick auf die kritisierten Zustände an dem städtischen Gymnasium ergänzte er, ein neuer Modulbau mit Naturwissenschaftsräumen und diverse Sanierungen sollten bis zum ersten Quartal 2026 abgeschlossen sein. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum KfW-Kommunalpanel.

Kassensturz: 45,6 Milliarden Euro fehlen, um die Schulen in Deutschland in Schuss zu bringen (und das Loch wird absehbar größer)

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13 Kommentare
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Der Zauberlehrling
11 Monate zuvor

Die alten Schulhäuser aus dem Kaiserreich waren Prachtbauten und zeugen noch immer von einer Wertschätzung, die das gesamte Bildungssystem nicht mehr erfährt.

Heute sind es überwiegend Zweckbauten der 60er bis 90er Jahre, die in einem erbärmlichen Zustand sind und die dem Zweck nicht mehr dienen können.

Die Neubauten folgen neuesten pädagogischen Ideen und lösen den Klassenverband samt Fokussierung auf den Lehrer völlig auf. Flurschulen sind jetzt gerade out. Mal schauen, wie lange das gut geht.

Der Raum ist der zweite Pädagoge, so viel steht fest.

Kritischer Dad*NRW
11 Monate zuvor

Entweder ist diese Studie veraltet oder braucht da jemand Nachhilfe?
In 2021 fehlen 45,6 Mrd. Euro und nun sind es acht Monate nach Veröffentlichung der KfW-Angabe nur 47 Mrd. Euro, rechnerisch eher Wunschprogramm statt Realitätsdenken.
Die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude in Deutschland sind im Februar 2023 um 15,1 % gegenüber Februar 2022 gestiegen.

Für das laufende Jahr 2023 wird ein Anstieg der Baupreise von sechs Prozent erwartet, für 2024 von 2,5 Prozent.
Handwerkerleistungen sind innerhalb eines Jahres um 15,6 % teurer geworden. Zinserhöhungen für Baudarlehen um mind. 2 % allein in den acht Monaten usw..

Die fragwürdige Seriösität dieser 47 Mrd. wird umso deutlicher, wenn man auf 2018 zurück blickt: „Der Investitionsrückstand der Kommunen in Deutschland ist laut KfW-Kommunalpanel 2018 auf einen neuen Höchststand von knapp 159 Mrd. EUR geklettert. Darunter machen die Schulen mit rd. 47,7 Mrd. EUR mittlerweile den größten Anteil aus, wie eine aktuelle Sonderauswertung von KfW Research zu Beginn des neuen Schuljahres zeigt.“
Warum sollen kommunale Instandhaltungen und Schulerweiterungen eine geringere Kostensteigerung beinhalten?

Bereits abgesegnete Neubauvorhaben an Schulgebäuden werden momentan (in der Hoffnung es könnte preiswerter werden?) um Jahre verschoben.

Last edited 11 Monate zuvor by Kritischer Dad*NRW
447
11 Monate zuvor

Viel zu wenige Likes – aus meiner Sicht bestechende, zwingende Argumente.

Die Behauptung der „kommunalen Bemühungen“ ist natürlich eine glatte Lüge…die Kommunen KÖNNEN schon, sie WOLLEN nur nicht.

Weil von modernen Schulen nicht alleine der jeweils regierende Klüngel profitiert.

Chapeau Claque
11 Monate zuvor
Antwortet  447

Ich gebe einen Like.
Nein, es ist sicher noch keine Lüge, denn wenn man doch (stets) bemüht ist bedeutet dies eher nichts anderes als dass der Mitarbeiter bzw. Kommune zwar halbwegs motiviert war, aber nicht mit seinen / ihren Fähigkeiten überzeugen konnte. Ein bestrebt würde die Situation auch nicht verbessern.
Ohne Rückstellungen / Instandhaltungsrücklagen rächen sich unterlassene Reparaturen oder Modernisierungen insbesondere beim kommunalen Gebäudebestand durch reines „abwohnen“ mit jedem weiteren Jahr der Nutzung, also könnte der Werterhalt nach Art. 14 Abs. 2 Grundgesetz: „Eigentum vepflichtet“ fehlen.

Kritischer Dad*NRW
11 Monate zuvor

Die kostenträchtigen Entwicklungen (Wärmewende und Klimafreundlichkeit) nach dem ab voraussichtlich 2024 geltenden Heizung- od. Gebäudeenergiesgesetz sind sicher auch nicht berücksichtigt, da diese Investitionen ja Stand Heute noch Zukunftsmusik sind.

Last edited 11 Monate zuvor by Kritischer Dad*NRW
Maggie
11 Monate zuvor

Wie wäre es mal mit einem Sondervermögen für die Schulbildung von mehreren hundert Millionen Euro? Aber das ganze unbürokratisch abrufbar, indem die Schulen selber Bauunternehmen beauftragen können und diese dann, nach Freigabe durch die Schule, direkt mit der Bundesstelle abrechnen können.

Woher die Kommunen das Geld für die durch die Digitalisierung zukünftigen Kosten für den Unterhalt der Devices und der Arbeitsplätze der Lehrer*innen nehmen soll ist auch unklar. Manchmal meine ich, dass ich in einem Entwicklungsland lebe – wir geben als reiches Industrieland weniger als der OECD-Durchschnitt aus.

447
11 Monate zuvor
Antwortet  Maggie

Ausgeben tun wir viel. Fragt sich nur wofür…und wofür wirklich.

Chapeau Claque
11 Monate zuvor
Antwortet  Maggie

100 od. realistischer 200 Milliarden Euro an Hilfen für Schulen – von der Idee her gut und nötig. Noch im März d.J. hatte Frau Esken als Parteivorsitzende der Regierungspartei entsprechende Ambitionen. Danach wurde es abrupt wieder sehr ruhig.
Wo soll das viele Hilfsgeld denn herkommen?

Schulen als selbständige Bauherren und Bauleiter der genutzten Gebäude – grauenhafte Vorstellung, da seit Jahren die IT nicht einmal halbwegs läuft.

Maggi
11 Monate zuvor
Antwortet  Chapeau Claque

Naja, die IT wird von Hobby-IT-Begeisterten Lehrkräften entwickelt, installiert, eingebaut und gewartet. Wenn die Schulen hierfür professionell Unternehmen beauftragen dürften und die Bezahlung auch geregelt wäre, würde es schon längst laufen. Aber solange erst ein Konzept erarbeitet werden muss und die Anschlussfinanzierung fehlt, muss es scheitern. Einen Architekten als Bauleiter zu beauftragen geht auch und es sollte in kompetenten Händen sein. Nicht die Schulleitungen sollen das machen, sondern sie beauftragen Profis.

Chapeau Claque
11 Monate zuvor
Antwortet  Maggi

IT an Schulen wird ohne ausreichende Budgets, also deutlich gesprochen ohne Geld, weder mittels Dienstleistern für sporadischen Service und Support noch in Eigenregie der Beschäftigten (Administration und erste Hilfe) vernünftig funktionieren. So wird es tagtäglich erlebt, die Mangelverwaltung.

Alle Leistungsphasen mit div. Gewerken der kommunalen Baustellen werden doch überwiegend und oft einzeln extern geplant, die Kosten geschätzt, Gewerke oder Teile beauftragt und alles überwacht, also sind die Profis doch längst dabei. Natürlich nicht bei sog. Instandhaltungen.

Mich fragt ja keiner
11 Monate zuvor

Wie man mit schulpflichtigen Kindern in Köln leben kann, ist mir schon lange ein Rätsel. Ich erinnere einen Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger, in dem von über 40 fehlenden Schulen (nicht Klassenräumen!) die Rede war. Mittlerweile dürfte sich der Mangel u.a. mit den vielen Kindern aus der Ukraine nochmal deutlich verschärft haben. Vorteil: Schulen, die es erst gar nicht gibt, muss man nicht sanieren…

In Köln wird lieber ein neues Museum gebaut oder ein weiteres Gutachten im Opern-Sanierungsdrama beauftragt. Fragt sich, wer diese Kulturstätten später besuchen wird, wenn die Jugend nicht mal mehr lesen kann?

dickebank
11 Monate zuvor

In NRW gibt es schon lange kein Schulneubauprogramm des Landes mehr. Folglich gibt es auch keine Förderungen seiten des Landes bei Schulneubauprojekten. Entsprechende Baurichtlinien für Neubauten von Schulen gibt es ebenfalls nicht mehr. Bei Neubauten wird deshalb auf die Richtlinien, die für staatliche Ersatzschulen gelten, zurückgegriffen.

Des Weiteren ist keine Kommune in NRW in der Lage die eigenen Hochbauaufgaben mit eigenem Personal zu planen, umzusetzen und zu überwachen. Die vorhandenen Personalressourcen reichen ja nicht einmal, um die Leistungen auszuschreiben, damit sie von Architektur-/Ingenieurbüros übernommen werden können. Selbst für die gebäudeunterhaltung fehlen die entsprechenden personellen Ressourcen. In den technischen Rathäusern sind über Jahre Stellen abgebaut worden. Neueinstellungen scheitern an der schlechteren Bezahlung und den schlechteren Arbeitsbedingungen einschließlich technischer Ausstattung gegenüber großen Baufirmen und Planungsbüros.

Btw mich würde ja interessieren, wie viele ehemalige Bauingenieure als Anerkenner und Seiteneinsteiger heute als Lehrkräfte an Schulen unterrichten.

Realist
11 Monate zuvor

Wenn man den Investitionsstau von 45 Milliarden auf jede der ca. 800.000 Lehrkräfte herunterrechnet, ergeben sich über 50.000 Euro pro Lehrkraft.

Wenn man die realistischeren 100 Milliarden ansetzt, sind es weit über 100.000 pro Lehrkraft, also pro Arbeitsplatz.

In welchem anderen Beruf gibt es das?

Gen Z: „Lehramt? Ich bin doch nicht blöd!“