Soziale Medien: Aufwärtsvergleiche mindern das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen

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LEIPZIG. Der Gebrauch sozialer Medien führt zu einem geringeren Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen. Die Ursachen sind wissenschaftlich allerdings noch unklar. „Aufwärtsvergleiche“ könnten die Grundlage bilden, zeigt jetzt eine Untersuchung des DIPF, Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation.

Die Diskussion um den Einsatz von KI mag Soziale Medie leicht aus dem Fokus rücken, dennoch ist Social Media Nutzung noch immer ein prägender selbstverständlicher Bestandteil des Alltags von Kindern und Jugendlichen. Eine weitverbreitete Annahme ist, dass die Nutzung von Social Media Plattformen negative Auswirkung auf das Wohlbefinden der Nutzerinnen und Nutzer hat. In einer aktuellen Untersuchung gingen nun Forscherinnen und Forscher um Andrea Irmer, Expertin für kognitive Entwicklung am DIPF, vor allem der Frage nach, wie dieser Zusammenhang entsteht. Ergebnis: Eine zentrale Rolle kommt sozialen Aufwärtsvergleichen zu.

Langhaariges Mädchen vor blauem Hintergrund tippt mit skeptischem Blick auf ihr Smartphone.
Schöner, reicher, erfolgreicher – der Selbstvergleich mit den aufgehübschten Darstellungen in Sozialen Medien mindert das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock.

„Wir haben herausgearbeitet, dass Kinder und Jugendliche durch den Gebrauch von sozialen Medien ständig Vergleichen mit Personen ausgesetzt sind, die sie für sozial bessergestellt halten – die sie zum Beispiel hübscher finden oder die ihnen wohlhabender, beliebter und glücklicher vorkommen“, erläutert Irmer. Sie ergänzt: „Außerdem konnten wir zeigen, dass diese sozialen Aufwärtsvergleiche mit dem Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zusammenhängen. Je mehr sie also mit dem scheinbar besseren Leben von anderen Personen in den sozialen Medien konfrontiert waren, desto schlechter fühlten sie sich.“ Und nicht nur das: „Unsere Untersuchung ergab weiterhin, dass die Aufwärtsvergleiche den Zusammenhang zwischen der Nutzung von sozialen Medien und dem geringeren Wohlbefinden erst herstellen. Sie scheinen also ein zentraler Faktor zu sein“, so Irmer.

Die Untersuchung
Für ihre Studie befragten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler 200 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren mit jeweils einem Elternteil mittels Online-Fragebögen, die die Probandinnen und Probanden zu Hause im Alltag ausfüllen konnten. Gaben zunächst die Eltern Auskunft über den Hintergrund der Kinder und Jugendlichen, lieferten diese selbst eine grundlegende Selbsteinschätzung über ihr Wohlbefinden und ihre Persönlichkeit, sowie darüber, wie sie die sozialen Medien Instagram, TikTok und YouTube nutzen. 14 Tage lang beantworteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer täglich Fragen zu ihrem Gebrauch der sozialen Medien an diesem Tag, den dabei erlebten Aufwärtsvergleichen und ihrem Wohlbefinden. Den Link zur Befragung bekamen die Kinder und Jugendlichen jeweils abends zugeschickt – mit dem Hinweis, ihn kurz vor dem Zubettgehen auszufüllen. Das Wohlbefinden erfassten die Forscherinnen und Forscher in zwei Dimensionen: einer Einschätzung des Selbstwertgefühls und der Stimmung im Allgemeinen.

Befunde
Nutzung der sozialen Medien und Wohlbefinden:
Im Vergleich der Kinder untereinander kamen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die mehr soziale Medien nutzten, ein geringeres Selbstwertgefühl und eine schlechtere Stimmung aufwiesen. Auch in der täglichen Einzelbetrachtung ergab sich, dass die Untersuchten bei einer verstärkten Nutzung von sozialen Medien über ein geringeres Selbstwertgefühl berichteten, nicht aber über eine generell schlechtere Stimmung.

Die Rolle der Aufwärtsvergleiche
Die Nutzung von sozialen Medien ging mit sozialen Aufwärtsvergleichen einher. Diese Aufwärtsvergleiche zeigten im Gruppendurchschnitt wie in der täglichen Einzelbetrachtung Zusammenhänge zu einem geringeren Selbstwertgefühl und zu einer schlechteren Stimmung. Analytisch arbeitete das DIPF-Team heraus, dass es erst die Aufwärtsvergleiche waren, die den Zusammenhang zwischen der allgemeinen Nutzung sozialer Medien und dem Wohlbefinden herstellten (mediieren). Im Gruppenvergleich galt dies für beide Dimensionen von Wohlbefinden, in der Einzelbetrachtung nur für das Selbstwertgefühl.

Andrea Irmer hält fest: „Je nach Analysemethode besteht zumindest ein Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und dem Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen. Dabei spielen die in den Medien stattfindenden sozialen Aufwärtsvergleiche eine entscheidende Rolle.“

Implikationen
Bisherige Forschungsarbeiten zum Zusammenhang von sozialen Medien und Wohlbefinden hätten laut den DIPF-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern teilweise zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Die neuen Befunde und damit das Berücksichtigen der Variable „soziale Aufwärtsvergleiche“ helfen eventuell, diese Heterogenität besser zu erklären, hoffen die Autorinnen und Autoren. Laut Andrea Irmer könnte es sinnvoll sein, Kinder und Jugendliche noch stärker als bisher darüber aufzuklären, dass soziale Medien nicht die Realität abbildeten, sondern bei vielen Akteurinnen und Akteure viel mehr die Tendenz bestehe, sich besonders positiv darzustellen – bis hin zum Einsatz von Filtern zur Verschönerung von Gesichtsproportionen.

Zugleich schränken die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, dass zusätzliche Studien notwendig seien, um die neuen Befunde zu erhärten und die Hintergründe besser zu verstehen. Weiterhin könnten die Ergebnisse dadurch beeinflusst worden sein, dass an der Studie vorwiegend Kinder aus sozial bessergestellten Familien teilgenommen haben und dass sich die Untersuchung vorwiegend auf soziale Medien mit vielen visuellen Inhalten konzentriert hat. Ebenso könnten weitere Variablen, die bislang nicht berücksichtigt wurden, von Bedeutung sein, etwa die soziale Interaktion im Freundeskreis.

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1 Kommentar
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Jonas
7 Monate zuvor

Ja, soziale Netzwerke können tatsächlich einen Einfluss auf die Psyche von Jugendlichen haben, aber sie sollten nicht mit einer Art von Übel gleichgesetzt werden. 
Soziale Netzwerke sind nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein wichtiger Marketingkanal. Ich zum Beispiel bin am Website Relaunch beteiligt, und ohne die Integration sozialer Netzwerke wären die Webressourcen nicht so erfolgreich.