„Zwei-Klassen-Gesellschaft“: Wohnraum für Studierende – knapp und immer teurer

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BERLIN/WIESLOCH. Das Wintersemester an den Universitäten hat zwar bereits begonnen, doch viele Studierenden sind weiterhin auf Wohnungssuche. Allein in elf ausgewählten Hochschulstädten stehen mehr als 32.000 Studentinnen und Studenten bei den Studierendenwerken auf der Warteliste für einen Wohnheimplatz, wie das Deutsche Studierendenwerk mitteilt. Und auch abseits der Wohnheime ist die Situation laut dem „Studentenwohnreport 2023“ angespannt.

Foto: Shutterstock/Daisy Daisy

Das Deutsche Studierendenwerk (DSW) ist der Verband der Studenten- und Studierendenwerke, die bundesweit rund 1.700 Studierendenwohnheime mit rund 196.000 Plätzen betreiben. Zum Stichtag 10. Oktober 2023 teilten die Studierendenwerke Berlin, Darmstadt, Erlangen-Nürnberg, Frankfurt am Main, Göttingen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Köln, Mainz und München dem DSW die Zahl der Studierenden mit, die bei ihnen auf einen Wohnheimplatz warten. Allein beim Studierendenwerk München Oberbayern sind es 1200 Studierende.

„Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum für Studierende in den Hochschulstädten ist seit Jahrzehnten ein eklatanter Missstand, ein Strukturdefizit des deutschen Hochschulsystems und ein soziales Problem“, sagt DSW-Vorstandsvorsitzender Matthias Anbuhl. Die Wahl des Studienorts dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. „Es kann nicht sein, dass wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bekommen, einmal die Studierenden aus vermögenden Familien, die in den teuren Hochschulstädten wohnen können, und dann die Studierenden aus weniger begüterten Familien, die dort studieren müssen, wo sie sich die Miete gerade noch leisten können.“

Durchschnittliche Mietpreissteigerungen von 6,2 Prozent

Doch wo ist die Miete noch bezahlbar? Dem „Studentenwohnreport 2023“ zufolge sind in allen 38 untersuchten Hochschulstädten die durchschnittlichen Kaltmieten, bereinigt um Qualität und Lage, um 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Damit sind das zweite Jahr in Folge alle Städte teurer geworden; im vergangenen Jahr lag der Preisanstieg bei 5,9 Prozent. Spitzenreiter bei den diesjährigen Steigerungen waren Heidelberg (8 Prozent), Oldenburg (6,8 Prozent) und Berlin (6,4 Prozent).

Als Ursache der Preissteigerungen nennt der Report die größere Konkurrenz um Mietwohnungen. Neben der Zuwanderung erhöhe die Zinswende, die Wohneigentum für immer mehr Menschen unbezahlbar werden lässt, die Nachfrage nach Mietwohnraum – und infolge die Mietpreise. Eine weitere Belastung: die gestiegenen Nebenkosten, vor allem die Heizkosten. Seit Anfang 2022 stiegen die Abschläge für Heizkosten durchschnittlich um 43 Prozent.

Diskrepanz zwischen BAföG-Wohnkostenpauschale und realen Mietpreisen

Mit dem BAföG-Wohnzuschlag von maximal 360 Euro sei es Studierenden laut Report lediglich in Chemnitz und Magdeburg möglich, sich eine Musterwohnung – 30 Quadratmeter und in direkter Umgebung zur nächstgelegenen Hochschule – zu leisten. In den beiden ostdeutschen Städten wohnen sie für 294 Euro beziehungsweise für 282 Euro, standortspezifische Wohnnebenkosten eingerechnet. In Frankfurt und München dagegen kosten studentische Musterwohnungen aktuell 696 Euro beziehungsweise 695 Euro pro Monat. Dahinter folgen mit etwas Abstand Stuttgart (616 Euro) und Bonn (598 Euro).

Auch der Generalsekretär des Deutschen Studierendenwerks, Matthias Anbuhl, verweist auf die Diskrepanz zwischen BAföG-Wohnkostenpauschale und tatsächlichen Mietpreisen: In kaum einer deutschen Hochschulstadt ließe sich mit den 360 Euro ein WG-Zimmer bezahlen. Er fordert: „Wir brauchen dringend Erhöhungen beim BAföG.“ News4teachers (ach)

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Lisa
6 Monate zuvor

Wohl dem, der nach der Wende bis zu den Nullerjahren in Berlin Eigentum erwerben könnte, in dem nun die Kinder einziehen können. Es hängt in der Tat am Geldbeutel. Eigentumswohnungen sind überteuert, doch durchaus zu haben.
Das das BAföG Amt immer noch von einem Drittel des Einkommens für Miete ausgeht, während die meisten Studenten schon 50 – 70 Prozent bezahlen , ist einfach nur weltfremd. Und Wohnheimplätze? Eine meiner Töchter bekam 2014 tatsächlich einen. Sie wurde von ihren Kommilitonen bestaunt wie ein Wundertier. In meiner eigenen Studienzeit lebte ca die Hälfte von uns in Wohnheimen. In Dänemark hat jeder Student einen Anspruch auf ein Wohnheimzimmer. Es gibt überhaupt keine Entschuldigung dafür, dass keine gebaut wurden.

Lambada
6 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Der Anspruch alleine hilft nicht weiter. Auch hier gibt es finanzielle Grenzen. Bauen ist auch teuer und dauert. Außerdem ist es für viele Lobbys nicht attraktiv, Wohnheimplätze vorzuhalten.
Es gibt auch einen Anspruch auf Ganztagesbetreuung. Das ist auch teuer. Und viele Interessensgruppen sind strikt dagegen, für sie ist es nicht attraktiv, Ganztagesplätze vorzuhalten.
Aber ja: es wäre schön, wenn es für alle, sie sich in Ausbildung befinden (hier schließe ich Lehrlinge und Referendare ausdrücklich mit ein) bezahlbaren und niederschwellig verfügbaren Wohnraum gäbe.
Aber ich fände auch Ganztageskindergärten und -schulen gut. (obwohl die Gefahr besteht, für diese Ansicht gesteinigt zu werden)

Gelbe Tulpe
6 Monate zuvor

Die Jungen sind der Politik halt nichts wert. Wenigstens entlarvt dies die Lüge vom Fachkräftemangel.

SoBitter
6 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Die Jungen (gerne auch Mädchen) haben sich das aber selbst zusammengewählt.

Freiya
6 Monate zuvor
Antwortet  SoBitter

Die „Jungen/Mädchen“ haben sich das ganz sicher nicht „zusammengewählt“, denn als Studentenwohnheime hätten gebaut werden müssen, waren sie noch gar nicht wahlberechtigt!

Unfassbar
6 Monate zuvor
Antwortet  Freiya

Damals war der Wohnraum in Berlin nicht knapp.

Alisia
6 Monate zuvor
Antwortet  SoBitter

Die jetzt 18-25 jährigen hatten mit den Wahlen der Regierungen der letzen 20 Jahre wohl kaum besonders viel zu tun.

Alisia
6 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Inwiefern entlarvt das die „Lüge vom Fachkräftemangel“?

Gelbe Tulpe
6 Monate zuvor
Antwortet  Alisia

Weil dann die Löhne mehr steigen müssten. Zudem steigt ja die Nachfrage nach Wohnraum, obwohl die Sterbefälle die Geburten übersteigen.

Unfassbar
6 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Wer ist denn nach Berlin gezogen? Wieso gibt es immer mehr Singlehaushalte?

Thomas
6 Monate zuvor

den haben wir auch im Berufsleben mittlerweile: Die Einen in präsenz malochen vor Ort mit Benzin und Autokosten.

Die Anderen im homeoffice, länger schlafen, keine Autoabnutzung und in den eigenen vier Wänden.

SoBitter
6 Monate zuvor
Antwortet  Thomas

Sie haben JobCenter vergessen, besonders in Berlin.