Deutschlandpakt Bildung? Philologen greifen die SPD an – und den Kanzler

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BERLIN. Mit „Entsetzen“ hat der Philologenverband Rheinland-Pfalz nach eigenem Bekunden auf den Vorstoß des SPD-Parteitages reagiert, einen „Deutschlandpakt Bildung“ zu etablieren. Die Initiative suggeriere, dass der Bildungsnotstand nur dadurch zu lösen sei, dass von Seiten des Bundes mehr Geld für die Länder und Kommunen bereitgestellt werde, um bessere Bildung zu gewährleisten. Das Gegenteil sei der Fall.

„Lufthoheit über den Kinderbetten“: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Foto: Alexandros Michailidis / Shutterstock

In der Bevölkerung scheine sich das dumpfe Gefühl breitzumachen, die Länder“ seien mit der Bildung überfordert und der Bund müsse es richten. Dies wird laut Philologen-Landeschefin Cornelia Schwartz von der SPD und ihrer Idee eines „Deutschlandpakts Bildung“ noch befeuert.

Übersehen werde hierbei allerdings zweierlei: Erstens, „es gibt eine gesunde Konkurrenz unter den Bundesländern in Sachen Bildung: Bayern und Sachsen stellen regelmäßig die Leistungsspitze. Wird Bildung bundesweit eingeebnet, führt dies nicht unbedingt dazu, dass Schlusslichter wie Bremen besser werden – im Gegenteil: Es ist wahrscheinlicher, dass gerade die Hochburgen der Bildung, Bayern und Sachsen, dabei geschliffen werden. Bestes Beispiel: das Streichen des schriftlichen Dividierens aus der Grundschule.“

Zweitens, „es ist naiv zu glauben, dass der Bund großzügig Geld verteilt, aber keinen Einfluss nehmen möchte: Wer bezahlt, bestimmt. Aus diesem Grund war es den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg ganz besonders wichtig, in Deutschland ein föderales System auch in der Bildungspolitik zu etablieren – ohne Gleichschaltung und Hineinregieren des Staates in Kinderköpfe.“

Unvergessen sei, so Schwartz, „die damalige Kampfansage mit der entsprechenden Kriegsrhetorik“ des heutigen Bundeskanzlers: „Wir wollen die Lufthoheit über den Kinderbetten erobern“, so Olaf Scholz 2002. Es ging dabei um die ureigene SPD-Idee der Ganztagsbetreuung. Immer auch gehe es der SPD aber um längeres gemeinsames Lernen an Einheitsschulen. „Die Idee an sich klingt hehr: Alle sollen die gleichen Chancen haben. Oft allerdings haben gerade diese Vereinheitlichungstendenzen dazu geführt, dass keiner besser sein darf als der andere – Mittelmaß regiert in vielen Bundesländern, und im Zweifel werden die Kinder derer, die es sich leisten können, dann privat gefördert oder auf separate Bildungseinrichtungen geschickt. Manche sind eben gleicher als andere…“

Schwartz weiter: „Es ist für die Politik ein Leichtes, nun die Ergebnisse der PISA-Studie als Anlass für einen stärken Zugriff des Bundes auf die Bildungspolitik als alternativlos zu präsentieren. Die Pisa-Ergebnisse wirklich einordnen können bisher wenige. Wen interessiert in der Aufgeregtheit der Debatte schon, dass nicht nur in Deutschland, sondern weltweit die Ergebnisse eingebrochen sind? Wer weiß schon, dass bei PISA Deutschland mit 9 Schuljahren an der gleichen Studie teilnimmt wie andere Länder mit 10 oder 11 Schuljahren, dass hier also Äpfel mit Birnen verglichen werden? Es liegt allerdings nicht nur an den Finanzen, sondern vor allem an einer völlig fehlgeleiteten Bildungspolitik, wenn Kinder hierzulande nicht so gut abschneiden, wie sie abschneiden könnten. Wie fatal wäre es, wenn diese Bildungspolitik dann bundesweit verordnet werden könnte!“ – meint jedenfalls die Philologen-Vorsitzende. News4teachers

Föderalismus? Och, nee – Mehrheit wünscht, dass der Bund die Schulpolitik bestimmt

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SoBitter
4 Monate zuvor

Die Philologen sind Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.

Unfassbar
4 Monate zuvor
Antwortet  SoBitter

Inwiefern? Die sind halt eine Lobbygruppe, die die Gymnasien (alter Schule) vertreten.

Noah
4 Monate zuvor
Antwortet  SoBitter

eine platte unbegründete Behauptung passt nicht in ein Netzwerk, wo man eigentlich sachlich diskutieren will.

Pälzer
4 Monate zuvor

Ich wünsche mir, dass Bundesländer zusammenarbeiten, und vielleicht könnte der Bund da etwas koordinieren. Aber der Wettbewerb der Länder um beste Schulsysteme und Lehrpläne ist weit besser, als wenn eine Bundesregierung alles für alle bestimmt.

Dejott
4 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Sehe ich überhaupt nicht so. Man könnte unfassbar viel Geld sparen, wenn die Bildung Sache des Bundes wäre. Und dieses Geld könnte man dann tatsächlich in Schulen und Kinder investieren.
Bei einem Umzug in ein anderes Bundesland bekommen Familien ohnehin größte Probleme, da nichts ineinander greift. Und ohnehin ist der Aufwand für Schulabschlüsse in den verschiedenen Bundesländern höchst unterschiedlich. Gerecht ist das sicher nicht.

ed840
4 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Wettbewerb um die besten Schulsysteme kann ich in DE leider nicht feststellen. Mir kommt es eher so vor, dass jedes BL sein System trotz schlechter IQB-Zahlen für überlegen hält und den Vergleich mit an anderen BL scheut. So hat z.B. vor einiger Zeit Schleswig Holstein einige Hunderttausend EUR in die Reise einer Delegation nach Kanada investiert um die dortige Bildungslandschaft zu erkunden. Eine Reise nach Sachsen oder Bayern wäre wesentlich kostengünstiger gewesen und die Punkterückstände SHs bei IQB 9. Klasse wären im Vergleich zu Sachsen und Bayern auch größer gewesen als bei PISA von Gesamt-DE zu Kanada.

Lera
4 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

70 Jahre Bildungsföderalismus erzählen eine andere Geschichte als die eines „Wettbewerbs“ um das beste System.

Dejott
4 Monate zuvor

Ja, der Philologenverband. Gebetsmühlenartig wehrt er sich gegen längeres gemeinsames Lernen. Jetzt spricht von von einer gesunden Konkurrenz der Bundesländer in Sachen Bildung. Finde ich schon abenteuerlich.
Fest steht: Wenn man Schule in Deutschland wirklich zu reformieren möchte-dann sollte man den Philologenverband außen vor lassen.

Lisa
4 Monate zuvor

Schaut doch bitte auf die Pisa-Sieger. In welchem Land leistet man sich noch so viele verschiedene Schul-Systeme? Hier ist der Umzug von einem Bundesland in das andere eine Katastrophe.
Und wer von gesunden Wettbewerb spricht – hier geht es bitte nicht um Marketing und um Firmen! Hier geht es darum, künftige Staatsbürger zu erziehen und zu bilden und zwar chamcengleich in jedem Bundesland.
Eine Abstimmung mit den Füßen gab es aber auch schon früher. 1980 gingen zwei meiner Mitschülerinnen nach Hessen, weil da das Einser-Abitur leichter zu erreichen war als in Baden- Württemberg. Also gerade umgekehrt als das, was sich der Philologenverband so vorstellt.