Beziehungstat? Gymnasiast ersticht Mitschülerin in der Schule und flieht – festgenommen

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HEIDELBERG. Schule soll ein Ort sein der Möglichkeiten, der Entfaltung, der Entwicklung. Im baden-württembergischen St. Leon-Rot wurde ein Gymnasium nun zum Tatort. Eine 18-Jährige stirbt. Die Polizei geht von einer Beziehungstat aus. Bereits im November 2023 habe die Schülerin Strafanzeige gegen den mutmaßlichen Täter wegen körperlicher Gewalt gestellt, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Abend mit.

Sankt Leon-Rot ist ein kleiner Ort, wohl einer von denen, in denen es sich ganz gut leben lässt, aber die kaum einer kennt. Rund 14 000 Einwohner, ein Golfclub, ein See, es gibt drei Fußballvereine und ein großes Straßenfest. Am Donnerstag rauscht der Name der Gemeinde nahe Heidelberg auf tragische Weise bundesweit durch die Schlagzeilen. Überall blinkt Blaulicht in dem Örtchen. Die Feuerwehr ist da, Rettungskräfte, die Polizei. Beamte sperren die Straßen ab, Einsatzleiter rufen nervös durch die Gegend. Verunsicherte Bürger versammeln sich vor dem Rathaus. Sirenengeheul. Vermummte, schwer bewaffnete Einsatzkräfte begeben sich durch die Glasfront in das Löwenrot-Gymnasium.

Eine Gewalttat in dem modernen Schulgebäude erschüttert die kleine Gemeinde. Um 10.19 Uhr geht ein Notruf bei der Polizei ein. Zunächst ist die Rede von einer Frau, die in dem örtlichen Gymnasium schwer verletzt wurde. Bald ist klar: Es handelt sich um eine 18-jährige Schülerin. Und es wird bekannt, dass sie den Angriff nicht überlebt hat. Reanimationsversuche noch am Tatort scheitern. Sie wurde niedergestochen mit einem Messer.

Wer für ihren Tod verantwortlich ist, bleibt zunächst unklar. Doch schon früh sprechen die Einsatzkräfte davon, dass es sich wohl um eine Beziehungstat handelt. Der Verdächtige ist auf der Flucht. Ein Polizeihubschrauber fliegt über den Ort, fahndet nach ihm. Zwar gehen die Beamten nicht von einer Gefahr für die Bevölkerung aus, aber ein Sprecher räumt ein: «Ich kann nicht in den Kopf der Person reinschauen, vieles ist möglich.»

Der Täter ist indes bereits weit weg. Er flieht mit dem Auto. Erst in Seesen in Niedersachsen, rund 312 Kilometer Luftlinie vom Tatort, wird er schließlich festgenommen – nachdem er einen Unfall baut und dabei verletzt wird. Die Staatsanwaltschaft will am Freitag beim Amtsgericht in Heidelberg einen Haftbefehl gegen ihn beantragen.

Es handelt sich um einen 18-jährigen Schüler. Er ist bei der Polizei offenbar kein Unbekannter. Bereits im November 2023 habe die Schülerin Strafanzeige gegen ihn wegen körperlicher Gewalt gestellt, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei mit. Abgesehen davon sei der Verdächtige strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.

Aus welchen konkreten Gründen der junge Mann die Schülerin tötete, das bleibt weiter offen. Die Polizei nennt keine Einzelheiten. Das betroffene Gymnasium wurde 1998 als Privatgymnasium Leimen mit einer Elterninitiative gegründet. Derzeit werden nach Angaben der Schule dort 685 Schüler von 85 Lehrkräften unterrichtet. «Besucher melden sich bitte immer im Sekretariat an», steht auf einem großen Schild vor dem Gebäude. Die Homepage der Schule zeigt am Donnerstag eine Fehlermeldung an.

Rund 650 Schüler werden am Vormittag evakuiert und an eine Sammelstelle gebracht, laut Polizei in eine Sporthalle. Eltern holen sie nach und nach ab. Nach der Festnahme kehrt wieder etwas mehr Ruhe ein in St. Leon-Rot. Im Obergeschoss der Schule sind Kriminaltechniker der Polizei unterwegs.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl bekundet den Angehörigen der getöteten 18-Jährigen sein Beileid. «Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden der verstorbenen Schülerin. Ihr Leid muss unermesslich sein», sagt der CDU-Politiker. «Mit seiner Tat hat ein Heranwachsender einen anderen Menschen mitten aus dem Leben gerissen. Dank intensiver Fahndungsmaßnahmen konnte die Polizei den flüchtigen Täter sehr schnell auffinden und festnehmen.» Strobl dankt den Polizei- und Rettungskräften. «Der gesamten Schulgemeinschaft wünschen wir, dass sie dieses schlimme Ereignis bestmöglich verarbeiten können.»

Die Tat erinnert an eine andere Gewalttat im vergangenen November in Offenburg. Damals hatte ein 15 Jahre alter Schüler einen Gleichaltrigen in einer sonderpädagogischen Schule erschossen. Der Angriff des Deutschen hatte sich nach Polizeiangaben in der 9. Klasse des Tatverdächtigen abgespielt. Der 15-jährige Schüler war demnach in sein Klassenzimmer gekommen und hatte seinem Mitschüler mit einer Handfeuerwaffe in den Hinterkopf geschossen. News4teachers / mit Material der dpa

15-Jähriger, der seinen Mitschüler im Klassenraum erschoss, wollte offenbar die ganze Klasse töten – Ermittlungen auch gegen Eltern

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Muellerin
3 Monate zuvor

Die Hemmschwelle sinkt. Die Gesellschaft hat sich verändert.

Rainer Zufall
3 Monate zuvor
Antwortet  Muellerin

Können Sie das bitte für Twitter aufheben oder zumindest Ihre bloße Meinung hinterlegen?

Lisa
3 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Hier fehlt mir die Aufschlüsselung nach Femiziden. Ist da die Anzahl auch herunter gegangen?

Rainer Zufall
3 Monate zuvor

Schrecklich das Ganze. Ich wünsche den Betroffenen Stärke für diese schwere Zeit und stählerne Nerven für den politischen Rattenschwanz, den heutzutage jedes Verbrechen den Verbliebenden zugemutet wird

Hans Maiaer
3 Monate zuvor

Nennt es bitte Femizid!

mimü
3 Monate zuvor
Antwortet  Hans Maiaer

Das ist gut möglich. Und wenn es sich sich als solches herausstellen wird, wird man es auch so nennen sollen. Jetzt bitte noch nicht.

Unfassbar
3 Monate zuvor
Antwortet  Hans Maiaer

Wieso?

Lisa
3 Monate zuvor
Antwortet  Hans Maiaer

Ja richtig. Es ist ein Kriminalerspruch: Männer töten, um es fortzuführen, Frauen höchstens um es zu beenden. Was ist mit den jungen Männern los, dass sie narzistische Kränkungen nicht mehr verarbeiten? Oder schlechter verarbeiten als noch früher?

AA-Stiftung
3 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Beschmutzte Ehre wäre auch möglich.

Rainer Zufall
3 Monate zuvor
Antwortet  Hans Maiaer

Erschütternd, aber Danke. Ich stolperte bei „Beziehungstat“, aber mir fehlten die Worte

dickebank
3 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Der Begriff kommt vermutlich daher, dass Täter und Opfer in einer Beziehung standen und vermutlich das Tatmotiv im privaten Bereich zu verorten ist. Somit ist der Begriff Beziehungstat erst einmal wertneutraler als der Begriff Femizid.
Eine Beziehungstat kann auch im Affekt geschehen, ohne dass eine entsprechende frauenfeindliche Grundhaltung vorhanden sein muss.

Eine polizeiliche oder staatsanwaltliche Pressemeldung muss da auch sprachlich neutral sein. Ansonsten macht die entsprechende Ermittlungsstelle sich angreifbar, da sie sich dem Verdacht der Vorverurteilung aussetzt.

dickebank
3 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

„In Zweifel gezogen wird“ bedeutet aber auch, kann nicht rechtssicher nachgewiesen werden.