Sind Sozialausgaben die besseren Bildungsausgaben? Studie attestiert hohe Effizienz

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EAST LANSING. Regionale Investitionen in soziale Sicherungsprogramme und in Bildung verbessern unabhängig voneinander die Schulabschlussquoten, zeigt eine US-Studie. Ausgaben für das soziale Sicherheitsnetz waren dabei sogar noch effizienter.

Ohne einen Schulabschluss gelingt nur selten ein guter Start in das nachschulische Leben. Doch auch in Deutschland gibt es seit Langem einen nahezu unveränderten Anteil junger Menschen, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Im Jahr 2021 bemaß der Bildungsforscher Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ihren Anteil auf rund sechs Prozent unter gleichaltrigen Jugendlichen. Das entspricht 47.500 junge Menschen.

Ein Junge im Grundschul- oder Kindergartenalter schaut skeptisch auf einen Rechenschieber.
Investitionen in soziale Sicherheit sind für gute Schulabschlussquoten offenbar ebenso wichtig wie ein funktionierendes Bildungssystem. Foto: Shutterstock

Eine neue Studie von Forschern der Michigan State University und der Central Michigan University zeigt nun, dass öffentliche Ausgaben für soziale Sicherungsprogramme und Bildungsausgaben unabhängig voneinander die Schulabschlussquote beeinflussen. Auch für deutsche Verhältnisse bieten sie dabei einige interessante Ergebnisse.

In ihrer Studie untersuchten Sharon Kukla-Acevedo und Ignacio David Acevedo-Polakovich, ob die öffentliche Finanzierung von Bildungs- uwnd Sozialprogrammen, die das Leben von Menschen mit geringem Einkommen verbessern sollen, die Schulabschlussquoten über einen Zeitraum von sieben Jahren beeinflusst. Dazu nutzten sie Daten zu den Highschool-Abschlussquoten aller öffentlichen weiterführenden Schulen in den USA, und untersuchten wir diese mit den öffentlichen Ausgaben für Sicherheitsnetz- und Bildungsprogramme in den einzelnen Bundesstaaten korrelierten. Kennzahlen zu den Merkmalen der Schulen und Bezirke bezogen sie ebenfalls in ihre Untersuchung ein.

Im Ergebnis zeigte sich, dass die High-School-Abschlussquoten sowohl durch die Ausgaben für soziale Sicherheitsprogramme als auch durch die öffentlichen Bildungsausgaben signifikant beeinflusst wurden. Diese positiven Effekte seien darüber hinaus bei Kindern aus historisch unterversorgten Schülergruppen besonders groß gewesen.

„Unter der Annahme, dass alle anderen Ausgaben auf dem durchschnittlichen Niveau bleiben, haben wir herausgefunden, dass ein Anstieg der Abschlussquoten um einen Prozentpunkt mit einer zusätzlichen Investition von 437 Dollar pro Kind in die Ausgaben des sozialen Netzes oder 720 Dollar in die Bildungsausgaben verbunden ist“, präzisiert Ignacio Acevedo-Polakovich. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, sowohl qualitativ hochwertige öffentliche Bildungssysteme als auch Programme des sozialen Sicherheitsnetzes angemessen zu finanzieren.

Der Schulabschluss ist, so die Autorinnen und Autoren, ein wichtiger Prädiktor für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung. Das Jahreseinkommen von Schulabbrechern ist im Durchschnitt um 10.000 Dollar niedriger als das von Hochschulabsolventen und um mehr als 36.000 Dollar niedriger als das von Bachelor-Absolventen. Hochschulabsolventen haben außerdem ein geringeres Risiko für Gesundheitsprobleme im späteren Leben und eine höhere Lebenserwartung. (zab, pm)

Studie: Freie Grundschulwahl der Eltern zementiert soziale Ungleichheit

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Marc
3 Monate zuvor

Mir konnte noch keiner sinnvoll erläutern, warum die Probleme mit bildungsfernen Familien verpuffen, wenn man ihnen nur möglichst viel Geld überweist.

Die Probleme an unserer Schule lassen sich alle auf andere Ursachen zurück führen und haben mit Geld eigentlich nichts zu tun. Im Gegenteil: Wer bei uns Bürgergeld bezieht, bekommt ja meist alles bezahlt wie Klassenfahrten, Material, Nachhilfe. Zu kämpfen haben eher die arbeitenden Familien im niedrigen Einkommensbereich

Muellerin
3 Monate zuvor
Antwortet  Marc

„Soziale Sicherung“ heißt ja im wesentlichen Bürgergeld. Das bringt allein aber keine Bildung, sondern könnte eher eine Mentalität der Passivität fördern. Gerade die ist doch nicht erwünscht. Wie wär’s mit finanziellen Belohnungen, wenn sozial schwache Kinder in der Schule gut mitmachen, aktiv lernen und nicht den Unterricht stören? Das wären dann vielleicht auch Kandidaten fürs Gymnasium.

ed840
3 Monate zuvor
Antwortet  Marc

Die Studie ist aus den USA, da dürfte das soziale Netz vermutlich anders ausgeprägt sein als in DE.

Lisa
3 Monate zuvor
Antwortet  Marc

Die Studie war in USA. Da ist schon eine Krankenversicherung eine große Sache.

vhh
3 Monate zuvor

Wenn das wirklich vergleichbar sein soll, würden also Sozialausgaben von 6x 437 Dollar pro Kind dafür sorgen, dass in Deutschland niemand mehr ohne Schulabschluss ist? Sind die 437 Dollar ‚per child‘ auf die geförderten Gruppen oder auf alle SuS bezogen? Über welchen Zeitraum, wie lange liefen die Programme für benachteiligte Gruppen? Es ist ziemlicher Unsinn, ein Land das zu großen Teilen Sozialdarwinismus praktiziert mit einem nordeuropäischen Sozialstaat zu vergleichen. Natürlich kann weniger Sorge ums Überleben mehr Energie für Bildung freisetzen, aber diese existenzielle Not (z.B. obdachlose Familien) gibt es hier weit weniger. Man kann auch untersuchen, wie ein Solarkraftwerk den Lebensstandard in den Saharagebieten beeinflusst. Sorgt das für neue Erkenntnisse bezüglich der Wirkung in europäischen Industriestaaten? Im Sozialbereich sind die USA Dritte Welt, welche „interessanten Erkenntnisse“ sich daraus für uns ergeben sollen, ich weiß es nicht. Die Studie befasst sich offenbar mit globalen Ausgaben und Kennzahlen, unsere Schulabgänger sind meist Fälle mit den unterschiedlichsten Einzelprobleme, außer sehr intensiver Betreuung mit persönlicher Beziehung funktioniert da wenig (sehr personalintensiv!).
Im letzten Absatz sind die Hochschulabsolventen ziemlich unpassend, das bedeutet im Deutschen doch etwas leicht anderes als Highschool, hat die KI beim wörtlichen Übersetzen des Originalpapers (https://msutoday.msu.edu/news/2023/msu-study-shows-spending-on-education-independently-impacts-high-school-graduation-rates) zugeschlagen?

DerechteNorden
3 Monate zuvor

Sozialausgaben für Kinder sollte man dann aber anders bereitstellen: Die Eltern sollten keine Kohle überwiesen kriegen, sondern Materialien, Geräte, Bücher, Klassenfahrten, Nachhilfe usw. müssten über die Schulen bereitgestellt werden.
Es gibt bereits für ärmere Familien in Deutschland pro Kind pro Schulhalbjahr Geld für Bücher und Materialien direkt aufs Konto. Kommentar von betroffenen Eltern dazu: „Brauchten wir fürs Katzenfutter.“ …
Von daher halte ich von Geld für die Eltern nichts.

ed840
3 Monate zuvor

437 $ für soziales Netz „oder“ 720 $ für Bildungsausgaben. Kann man nur hoffen, dass das nicht von Bildungs- und Finanzpolitikern als Einsparpotential missverstanden wird.

Mika
3 Monate zuvor

Die Studie hat Korrelation untersucht, nicht Kausalität. Aus Korrelation Zusammenhänge ableiten zu wollen ist sehr gewagt und hat schon häufig zu Fehlschlüssen geführt.

Mika
3 Monate zuvor

Ich empfehle der Redaktion dazu das heutige Interview mit Bernd Siggelkow im Tagesspiegel. Desillusionierend.

Lisa
3 Monate zuvor

Mich hätte interessiert, was konkret verbessert wurde. Ein wichtiger Faktor dürften die Wohnverhältnisse sein. Zille sagte einst, dass man mit einer Wohnung einen Menschen erschlagen könne wie mit einer Axt, und der Satz ist heute noch gültig. Beengte, ungesunde Verhältnisse produzieren Stress unter all den Beteiligten. Ein zweiter Faktor – Planungssicherheit. Klingt banal, aber hängt oft am Bewilligungszeitraum der Sozialhilfe. Mit drei oder sechs Monaten kann man eigentlich nicht planen, da kann man nach dem Bescheid gleich den nächsten Antrag stellen. Auch das ist nicht förderlich füreine stressfreie Umgebung. Zum Lernen braucht es Ruhe und Verlässlichkeit und Perspektiven. Nicht falsch verstehen, das Bürgergeld ist zumindest anfänglich hoch genug, kommt allerdings nach Jahren an seine Grenzen, dann wenn beispielsweise die Waschmaschine kaputt geht. Es ist nicht die Höhe des Geldes sondern es sind die anderen Faktoren . Ich weiß es aktuell nicht, habe aber in den Hartz IV Zeiten ehrenamtlich Menschen aufs Amt begleitet. Es gibt immer etwas im Hintergrund, meist psychische oder körperliche Einschränkungen bei mindestens einem Familienmitglied. Eine gesunde, fröhliche Familie im Sozialhilfebezug habe ich nie angetroffen. Das bedeutet aber auch, dass man gar nicht so einfach da herauskommt. Das nur denjenigen, die meinen, die sozialen Bedingungen zu verbessern, würde nichts bringen. Würde es, auch wenn wir nicht USA sind.