Studie: Verwandtschaftsnetze werden deutlich kleiner (was den Staat herausfordert)

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ROSTOCK. Die Zeiten der Großfamilien mit zahlreichen Kindern, Cousins, Tanten und Onkeln sind in den meisten Ländern schon länger vorbei. Die Zahl der Verwandten schrumpft. Und das auch in Weltregionen, wo es heute noch große Familienstrukturen gibt.

In Deutschland sind die Familien schon heute relativ klein – trotzdem verstärkt sich der Trend noch weiter. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Die Zahl der Verwandten, die ein Mensch hat, wird in naher Zukunft voraussichtlich um mehr als 40 Prozent abnehmen. Eine 65-jährige Frau habe global betrachtet heute im Durchschnitt 45 lebende Verwandte. «Im Jahr 2095 wird eine gleichaltrige Frau im Durchschnitt nur noch 25 lebende Verwandte haben», berichteten die Forscher des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR) in Rostock. Der größte Rückgang werde dabei in Südamerika und der Karibik erwartet.

In Nordamerika und Europa, wo die Familien schon heute vergleichsweise klein seien, würden die Veränderungen weniger ausgeprägt sein, sagte der Leiter der Forschungsgruppe Ungleichheiten in Verwandtschaftsbeziehungen am MPIDR, Diego Alburez-Gutierrez. Er veröffentlichte die Studie kürzlich zusammen mit Ivan Williams von der Universität Buenos Aires und Hal Caswell von der Universität Amsterdam.

«In Deutschland konnte eine 65-Jährige im Jahr 2023 erwarten, durchschnittlich 15,8 lebenden Verwandte zu haben», so Alburez-Gutierrez. Nach der Projektion wird sie 2050 nur noch 15 und 2095 – statistisch gesehen – nur noch 14,1 Verwandte haben. In der Schweiz sinken die Zahlen von 18,7 (2023) auf 16,7 (2050) und 14,6 (2095). Betrachtet wurde insgesamt ein Zeitraum von 1950 bis 2100 in Fünf-Jahres-Intervallen.

Die Forscher werteten historische und prognostizierte Daten der Ausgabe 2022 der World Population Prospects der Vereinten Nationen für ihre Studie aus. Sie dokumentierten weltweit Unterschiede in der Familiengröße, die sie als Anzahl der lebenden Urgroßeltern, Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel und Urenkel, Tanten und Onkel, Nichten und Neffen, Geschwister und Cousins definierten. Für jedes Land wurden 1000 Verwandtschaftsverläufe analysiert.

In der Region Südamerika/Karibik hatte 1950 eine 65-jährige Frau im Durchschnitt 56 lebende Verwandte. Im Jahr 2095 werden es den Angaben zufolge voraussichtlich nur noch 18,3 Verwandte sein – ein Rückgang um 67 Prozent. Durch die strukturellen Veränderungen in Familien würden Großeltern und Urgroßeltern wahrscheinlich in Zukunft in größerer Zahl zur Verfügung stehen. Während dies theoretisch dazu beitragen könnte, die Eltern bei der Kinderbetreuung zu entlasten, könnten diese (Ur-)Großeltern in der Realität aber auch pflegebedürftig werden.

Die Studie unterstreicht aus Sicht der Forscher die Notwendigkeit, in soziale Unterstützungssysteme zu investieren, die das Wohlergehen der Menschen in allen Lebensphasen gewährleisten. Alburez-Gutierrez: «Diese seismischen Verschiebungen in der Familienstruktur werden wichtige gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringen, die von politischen Entscheidungsträgern im globalen Norden und Süden berücksichtigt werden sollten.» News4teachers / mit Material der dpa

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Gelbe Tulpe
3 Monate zuvor

Durch den Wegfall von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländern und durch Automatisierung – jetzt kommt noch künstliche Intelligenz dazu – sinken sowohl die Gehälter als auch die Chancen, die eigenen Kindern gut auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen. Da wundert es nicht, dass die Menschen weniger Nachwuchs bekommen.

Rainer Zufall
3 Monate zuvor

Ich schätze, jemand musste eine Studie dazu machen. Was stellen sich die Menschen sonst gebau unter einer schrumpfenden Gesellschaft vor?
Vor ein paar Jahren belächelten manche Menschen noch GBs Beauftragte für Einsamkeit

Unfassbar
3 Monate zuvor

Die Netze werden nicht zwangsläufig kleiner, die werden je nach ku!Thriller Gruppe größer oder kleiner. Beides bereitet Probleme.