Morgens Schule, nachmittags Digitalunterricht: CDU-Politiker (Lehrer) warnt vor Doppelbelastung ukrainischer Kinder

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ERFURT. Allein in Thüringen gehen rund 5900 ukrainische Kinder und Jugendliche zur Schule. Der Thüringer CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner, selbst Lehrer, fordert eine stärkere Einbindung ukrainischer Pädagogen.

bezopftes Mädchen in grauem Pullover, mit ukrainischer Flagge auf der Wange
Über 200.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine besuchen Schulen in Deutschland. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Vormittags Unterricht in Deutschland, nachmittags Digitalunterrricht aus der Ukraine: Der CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner hat sich besorgt über eine mögliche Doppelbelastung ukrainischer Schüler gezeigt und eine stärkere Einbindung von Lehrern aus dem Land gefordert. «Integration gelingt sehr gut über das Bildungssystem. Deshalb muss die Priorität darauf liegen, dass die Kinder im deutschen Bildungssystem ordentlich unterstützt und beschult werden», sagte Tischner in Erfurt.

Das setze genügend Personal voraus – ukrainische Lehrkräfte könnten seiner Meinung nach gut dabei helfen. «Aber eine Doppelbelastung für Kinder im deutschen Schulsystem und um ukrainischen Schulsystem – das wird auf Dauer nicht gut gehen», zeigte sich Tischner überzeugt, der selbst ausgebildeter Lehrer ist. Tischner forderte, noch mehr ukrainische Lehrkräfte ins Thüringer Schulsystem zu holen. «Ich glaube, wir müssen viel schneller werden bei den Anerkennungsverfahren von Abschlüssen ausländischer Pädagogen.»

Derzeit besuchen etwa 5900 ukrainische Kinder und Jugendliche Thüringer Schulen, wie das Bildungsministerium auf Anfrage mitteilte. Das Land verfolgt dabei einen sogenannten teilintegrativen Ansatz. Bedeutet: Die Schülerinnen und Schüler sitzen schon früh mit im normalen Unterricht, der auf Deutsch stattfindet. Inzwischen gibt es aber auch Ausnahmen, bei denen Sprachkurse vorgeschaltet werden.

Nach Angaben des Thüringer Bildungsministeriums wurden bisher 76 Menschen aus der Ukraine im Landesdienst als Lehrkraft oder Erzieherin eingestellt. Außerdem arbeiten zehn ukrainische Fachkräfte als pädagogische Assistenten.

«Das Interesse ukrainischer Pädagogen ist deutlich vorhanden», teilte ein Sprecher des Bildungsministeriums auf Anfrage mit. Es sei bereits in der ukrainischen Community für Jobs im Thüringer Bildungssystem geworben worden – etwa mithilfe des Vereins ukrainischer Landsleute. Teils gebe es aber noch Hindernisse, etwa fehlende Sprachkompetenz in Deutsch. News4teachers / mit Material der dpa

Projekt: Studierende unterstützen Schulen dabei, Flüchtlingskinder aus der Ukraine zu integrieren – ein Modell für Deutschland?

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9 Kommentare
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vhh
2 Monate zuvor

Das muss ein neuer Rekord sein, nur zwei Jahre geduldige Hinweise auf ein Problem und schon wird es von einem Politiker entdeckt. Noch etwa fünf Jahre, dann gibt es eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe, die nach weiteren drei Jahren ein Positionspapier vorstellt.
Pubertierende ukrainische Schüler sind übrigens nicht anders als pubertierende hiesige Jugendliche, da helfen auch sprachkundige Lehrer leider nur wenig. Die Welt versteht sie nicht und sie die Welt nicht, das Ganze noch in einem fremden Land, da wäre eine „sehr gute“ Integration ein Wunder.

AA-Stiftung
2 Monate zuvor

Was ich vom ukrainischen Unterricht mitbekommen habe, ist der erheblich anspruchsvoller als der deutsche. Von daher rate ich von der Einbindung ab, um die Verwässerung des ukrainischen Unterrichts zu vermeiden.

Sepp
2 Monate zuvor
Antwortet  AA-Stiftung

Von meinen ukrainischen Kolleginnen habe ich gehört, dass im Unterricht dort deutlich mehr Stoff „gepaukt“ wird, wobei die Kinder oft in Einzelarbeit an ihren Büchern sitzen.

Da bekommt man schneller Inhalte reingepaukt, die Kinder haben dann hier aber massiv Probleme mit offenen Lernformen, kooperativem Arbeiten usw.

Riesenzwerg
2 Monate zuvor

Ach, dem ist das auch schon aufgefallen 😉

Hut ab!

Sepp
2 Monate zuvor

Die Frage ist doch eigentlich, wie die Integration überhaupt aussehen soll – und das hängt stark von den Fähigkeiten der ukrainischen Schüler, dem Alter und ihrer Motivation ab:

Seit 1,5 Jahren haben wir eine leistungsstarke ukrainische Schülerin in unserer Klasse, die nebenbei ihren Deutsch-Unterricht macht. Sie kam in der 7. Klasse zu uns und wird hoffentlich später in die Oberstufe gehen. Die Mutter ist sehr bemüht und lernt Deutsch, sie möchte mit den Kindern hier bleiben.

Wir hatten eine andere ukranische Schülerin in der Klasse, die wenig Interesse gezeigt hat und die nach 3 Monaten plötzlich „verschwunden“ war – die Mutter ist mit den Kindern ins Heimatland zurückgekehrt.

Einige ältere ukrainische Schüler standen in der Ukraine kurz vor einem Abschluss und sind bei uns in die 9. Klasse gekommen.
Man kann sich vorstellen, wie groß die Motivation ist, wenn man eigentlich einen Abschluss machen wollte, nun in einem anderen Schulsystem mit anderen Sprache ist und ständig eine Rückkehr im Raum steht. Entsprechend bemühen sie sich nicht, Deutsch zu lernen oder am Unterricht teilzunehmen. Nichtmal unsere ukranischen Lehrkräfte bekommen diese Kinder motiviert.

Das Wichtigste ist m.E. wirklich, dass die Kinder so schnell wie möglich Deutsch lernen, um überhaupt eine Chance auf einen Abschluss in Deutschland zu haben. Bei älteren Schülern müsste man aber eigentlich eine Möglichkeit finden, dass sie irgendwie einen ukrainischen Abschluss machen können. Danach könnte man Deutsch-Förderung ansetzen.
Die Doppel-Belastung, von der auch unsere Kinder berichten, ist aber die denkbar schlechteste Lösung.

Anke
7 Tage zuvor
Antwortet  Sepp

Diese Eindrücke muss ich (leider!) vollumfänglich bestätigen. Wir haben ca. 45 ukrainische Schüler und Schülerinnen, bei denen man diejenigen an einer Hand abzählen kann, die sich wirklich um aktive Mitarbeit und passable Leistungen bemühen. Die große Mehrheit sitzt passiv im Unterricht oder taucht gar nicht mehr auf. Da sie ab dem jetzigen Halbjahr Noten erhalten, werden also 99% das Schuljahr nicht schaffen und sitzenbleiben. Damit ist nichts gewonnen. Was passieren soll, wenn diese Kinder auch im nächsten Schuljahr nicht weiterkommen, wagt keiner anzusprechen. Dabei ist es das wahrscheinlichste Szenario, wenn der Krieg nicht durch ein Wunder enden sollte. Die Realschulen oder IGS können so viele Kinder nicht aufnehmen. Aber wie immer spielt die eigene Motivation eine erhebliche Rolle: wer keinen Sinn darin sieht, die deutsche Sprache zu lernen, wird nicht weiterkommen. Es ist eine Bildungskatastrophe für diese Generation.

Tim Bullerbü
2 Monate zuvor

Unsere Schüler/innen haben morgens normal Schule, dann 2 Stunden Deutsch die Woche und Schule/Ukraine am Wochenende.
Ein Erwachsener hat in der Regel eine 40 Stunden- Woche.
Für Kinder/ Jugendliche gelten scheinbar andere Regeln…
Alle Schüler/innen wollen hierbleiben. Da der Krieg vermutlich noch Jahre dauert,ist das auch immer wahrscheinlicher.
Um so erstaunlicher, dass die KUMIs nicht alles tun, um hier Schulabschlüsse und Deutschkenntnisse zu ermöglichen.
Stattdessen sollen die eine Klasse einfach dreimal(!) machen.
Wer denkt sich so etwas SuS aus…

Tabea
2 Monate zuvor

Digitalunterricht sollten wir mal für einzelne Tage einrichten, damit mein Kollegium auf eine 4-Tage Woche kommt und einige Kollegis von zuhause unterrichten können.

Sepp
2 Monate zuvor
Antwortet  Tabea

Ich frage mich, wo diejenigen, die wirklich digitalen Unterricht einfordern, in der Pandemie waren. Offenbar haben sie keinen Unterricht per Videokonferenz gemacht…

Ansonsten könnten Ihre Kolleg*innen ja durchaus einen Kurs zu sich nach Hause einladen, wenn sie unbedingt dort unterrichten wollen. Ausprobieren auf eigene Gefahr. 😉