Nordrhein-Westfalen erhält für mehr als 900 Schulen in schwierigen sozialen Lagen in den kommenden Jahren finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich Bund und Länder am Freitag in Berlin auf das milliardenschwere «Startchancen-Programm» geeinigt, mit dem bundesweit etwa 4000 Schulen in herausfordernden Lagen besonders unterstützt werden. Die Kultusministerkonferenz stimmte einem entsprechenden Beschlussvorschlag zu (News4teachers berichtete).
Bis zum Frühjahr sollen in NRW die ersten 400 Schulen ausgewählt und schon ab dem neuen Schuljahr 2024/25 gefördert werden, teilte das NRW-Schulministerium mit. Weitere Schulen würden dann im nächsten Jahr in das Programm aufgenommen. Bei der Auswahl würden zwei zentrale Kriterien berücksichtigt: der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationsgeschichte sowie die Armutsgefährdung. Grundlage für die Auswahl der Schulen werde der NRW-Schulsozialindex sein.
«Die Einigung ist eine große Chance für die deutsche Bildungslandschaft und eine sehr gute Nachricht für ganz viele Schulen»
Aus dem Startchancen-Programm erhält NRW über eine Laufzeit von zehn Jahren insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro vom Bund und investiert seinerseits bis zu demselben Umfang in die gezielte Unterstützung der landesweit ausgewählten fast 1000 Schulen. 60 Prozent der Mittel sind für die Primarstufe vorgesehen. Mit dem Rest werden weiterführende Schulen und die Ausbildungsvorbereitung in Berufskollegs gefördert.
Insgesamt sollen nach früheren Angaben des Ministeriums fast 250.000 Schülerinnen und Schüler in NRW von der zusätzlichen Förderung profitieren. Bundesweit sollen mit den geförderten rund 4.000 Schulen und Berufsschulen im kommenden Jahrzehnt rund eine Million Schülerinnen und Schüler erreicht werden. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nannte das Programm «das größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik». Der Bund will jährlich bis zu einer Milliarde Euro geben. Die Länder sollen sich in gleicher Höhe beteiligen. Insgesamt summiert sich das Volumen damit auf rund 20 Milliarden Euro binnen zehn Jahren.
«Die Einigung ist eine große Chance für die deutsche Bildungslandschaft und eine sehr gute Nachricht für ganz viele Schulen», teilte NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) mit. «Wenn wir über Startchancen sprechen, dann ist es selbstverständlich, dass wir uns besonders auf die frühe Förderung konzentrieren – und damit vor allem die Grund-, aber auch die Förderschulen stärken.» Aber auch Schulformen der Sekundarstufe I und Berufskollegs sollten profitieren.
Das Fördergeld soll nach Angaben des Ministeriums unter anderem in zusätzliches Personal wie Lehrer oder Sozialarbeiter fließen, die in Schulen unterstützen. Ein Teil soll in eine bessere und moderne Lernumgebung investiert werden. Dazu kommen Gelder zur freien Verfügung der Schulen – ein sogenanntes Chancenbudget. Die Ausgestaltung werde an den Schulen ganz unterschiedlich aussehen, sagte Feller.
«Geld allein gibt aber noch keinen Unterricht. Wir brauchen auch kurzfristig zusätzliche pädagogische Fachkräfte»
Als eines von wenigen Ländern könne NRW bei der Auswahl der Schulen für das Programm auf einen Sozialindex für Schulen zurückgreifen, der erst kürzlich aktualisiert worden sei, sagte die Landesministerin. In NRW gelten nach einer neuen Berechnung des Sozialindexes deutlich mehr Schulen als sozial besonders belastet als bisher angegeben.
Die Zuordnung erfolgt nach vier Indikatoren: Kinder- und Jugendarmut im Einzugsgebiet der Schule, Anteil der Schüler mit nichtdeutscher Familiensprache, Anteil der Schüler mit Zuzug aus dem Ausland sowie Anteil der Schüler mit Lernentwicklungsstörungen. NRW fängt bei der Auswahl der Schulen zudem nicht bei Null an, da es landesweit bereits 64 sogenannte Talentschulen gibt, die auch Vorbild für das Startchancen-Programm der Ampelregierung in Berlin waren.
Die SPD-Opposition im NRW-Landtag nannte die Einigung auf das Startchancen-Programm einen historischen Wurf. Nun sei das Land in der Pflicht, sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott. «Damit in zehn Jahren tatsächlich mehr Schülerinnen und Schüler die Mindestanforderungen im Lesen, Schreiben und Rechnen erfüllen, muss die Landesregierung vor allem dafür sorgen, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer dort eingesetzt werden, wo die Herausforderungen besonders groß sind.» Der Schulsozialindex zeige die Bedarfe klar auf. «Geld allein gibt aber noch keinen Unterricht. Wir brauchen auch kurzfristig zusätzliche pädagogische Fachkräfte.» News4teachers / mit Material der dpa