Epigenetik: Schulbildung hängt mit Alterungstempo und Lebenserwartung zusammen

4

NEW YORK. Eine Kombination von Bildungsdaten und epigenetischen Methoden zeigt: Zwei Jahre Schulbildung führen zu einer Verlangsamung des Alterungsprozesses um zwei bis drei Prozent.

Eine beachtliche Zahl der ermittelten Risikofaktoren und Empfehlungen zur Vermeidung von koronaren Herzkrankheiten und Arteriosklerose beruhen letztlich auf Erkenntnissen aus der 1948 gestarteten Framingham-Herz-Studie (Framingham Heart Study). Die Langzeitstudie, die Einwohnerinnen und Einwohner der rund 30 Kilometer westlich von Boston gelegene Stadt Framingham umfasst, ist eine der wichtigsten epidemiologischen Studie der USA. Mittlerweile befindet sie sich in der dritten Generation.

DNA-Helix-Illustration
Bildungsmobilität nach oben verlangsamt auch das biologische Altern. Foto: Gerd Altman / Pixabay (P. L.)

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der New Yorker Columbia University haben nun anhand von Daten der Framingham Heart Study Zusammenhänge zwischen Bildungsmobilität, der Geschwindigkeit des biologischen Alterns und der Sterblichkeit untersucht. Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer, die ein höheres Bildungsniveau erreichten als ihre Eltern oder Geschwister, alterten demnach tendenziell langsamer und lebten länger als diejenigen, die keinen Bildungsaufstieg erreichten.

Eine höhere Bildungsmobilität sei signifikant mit einem langsameren Alterungsprozess und einem geringeren Sterberisiko verbunden, so die Forscherinnen und Forscher um den Epidemiologen Daniel Belsky. „Wir wissen seit langem, dass Menschen mit höherem Bildungsniveau tendenziell länger leben. Aber es gibt eine Reihe von Herausforderungen, wenn es darum geht, herauszufinden, wie dies geschieht und vor allem, ob Interventionen zur Förderung des Bildungsniveaus zu einer gesunden Langlebigkeit beitragen“, beschreibt Belsky die Relevanz der Untersuchung.

Die Columbia-Forscherinnen und Forscher nutzten die Daten von 14 106 Personen, um den Bildungsstand der Kinder mit dem ihrer Eltern zu vergleichen. Die Geschwindigkeit des biologischen Alterns berechnete sie aus den Daten einer Untergruppe von Teilnehmern, die während der Erhebung Blutproben abgegeben hatten. In der Analyse konnten sie so den Zusammenhang zwischen Bildungsmobilität, Alterung und Mortalität in einer Untergruppe von 3.101 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ermitteln.

Um die Alterungsgeschwindigkeit zu messen, nutzte das Team die sogenannte Dunedinpace epigenetische Uhr, einen Algorithmus, der das Tempo der biologischen Alterung auf Basis von chemischen Veränderungen an Grundbausteinen der Erbsubstanz (DNA-Methylierung) ermittelt. Gemessen mittels eines Bluttests funktioniere Dunedinpace laut Belsky wie ein Tachometer des Alterungsprozesses, der anzeigt, wie schnell oder langsam sich der Körper einer Person mit zunehmendem Alter verändert.

Angewandt auf Blutproben aus der Framingham Heart Study zeigte sich, dass zwei Jahre zusätzliche Schulbildung zu einer Verlangsamung des Alterungsprozesses um zwei bis drei Prozent führten. Diese Verlangsamung des Alterungsprozesses entspreche einer Verringerung des Sterblichkeitsrisikos um etwa 10 Prozent.

Um Unterschiede zwischen den Familien auszuschließen und die Effekte der Bildung zu isolieren, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Sekundäranalyse, ob Unterschiede im Bildungsniveau von Geschwistern mit Unterschieden im Alterungstempo verbunden waren. Dazu griffen sie auf eine Stichprobe von 2.437 Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern zurück, die mindestens ein Geschwisterkind hatten.

„Ein wichtiger Störfaktor in Studien wie dieser ist, dass Menschen mit unterschiedlichem Bildungsniveau in der Regel aus Familien mit unterschiedlichem Bildungshintergrund und anderen Ressourcen stammen“, erklärt Gloria Graf, Doktorandin in der Abteilung Epidemiologie von Belsky. „Um diese Faktoren zu berücksichtigen, haben wir uns auf die Bildungsmobilität konzentriert, d. h. wie viel mehr (oder weniger) Bildung eine Person im Vergleich zu ihren Eltern erhalten hat, und auf die Unterschiede im Bildungsniveau der Geschwister, d. h. wie viel mehr (oder weniger) Bildung eine Person im Vergleich zu ihren Geschwistern erhalten hat.“

Auch in Bezug auf Geschwister zeigten sich die Ergebnisse stabil. „Wir haben festgestellt, dass eine höhere Bildungsmobilität sowohl mit einem langsameren Alterungsprozess als auch mit einem geringeren Sterberisiko verbunden ist“, so Graf. „Bis zur Hälfte der beobachteten Bildungsunterschiede in der Sterblichkeit wurde durch ein gesünderes Altern der besser Gebildeten erklärt. Dieser Zusammenhang war über die Generationen hinweg ähnlich und galt auch für Geschwistervergleiche: Geschwister mit höherer Bildung alterten tendenziell langsamer als ihre weniger gebildeten Geschwister.“

Laut Belsky und Graf habe sich die Kombination epigenetischer und quantitativer soziologischer Untersuchungsmethoden als Erfolg erwiesen. Epigenetische Uhren wie Dunedinpace hätten das Potenzial, solche experimentellen Studien zu verbessern, indem sie ein Ergebnis lieferten, das die Auswirkungen von Bildung auf ein gesundes Altern widerspiegeln könne, lange bevor im späteren Leben Krankheiten und Behinderungen auftreten. Zwar seien noch experimentelle Beweise erforderlich, um die Ergebnisse zu bestätigen, dennoch unterstützten die Studienergebnisse, so Graf, „die Hypothese, dass Maßnahmen zur Förderung des Bildungsniveaus die biologische Alterung verlangsamen und die Langlebigkeit fördern“ (zab, pm)

Langzeit-Studie: Menschen mit gesundem Lebensstil leben länger – deutlich länger

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

4 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Dil Uhlenspiegel
1 Monat zuvor

… was man da draußen verstehen wird: Mit Abi lebt man länger als wie mit ohne.

Unfassbar
1 Monat zuvor

Dann muss man also nur zwei Ehrenrunden drehen …

Interessant, dass 2-3% nicht im statistischen Rauschen untergehen.

Als nächstes könnte man auch mal das unsagbare Wort mit I mit in die Rechnung einbeziehen. Aber das Eisen ist vermutlich noch auch Jahre hinaus zu heiß.

Lisa
1 Monat zuvor

Da interessiert mich etwas: Könnte die Langlebigkeit nicht damit zusammen hängen, dass die gebildeteren Leute auch finanziell besser gestellt sind? Die Studie hat, um bessergestellte Familien rauszurechnen, sich auf Bildungsaufsteiger bezogen, doch auch Bildungsaufsteiger durften ja besser verdienen als der Durchschnitt.
Die aussagekräftige Untersuchungsgruppe wäre also :
Abiturienten, die aus irgendwelchen persönlichen Gründen auf den Bezug von Bürgergeld oder Sozialhilfe angewiesen sind. Leben diese trotzdem länger?

Cl. Kappe
1 Monat zuvor

mal wird die Schulbildung betont, mal der Lebensstil, mal das soziale Umfeld, mal kommen auch Gene ins Spiel; letztendlich darf jeder entscheiden, wie viel „Langeweile“ und „Geordnetsein“ er im Leben will und wo er, um interessante Erfahrungen zu machen, für mich heißt das Reisen, eben auch etws riskiert. Und damit die Lebensqualität für sich deutlich erhöht.