DLRG: Schwimmenlernen gehört in die Grundschule (wie Schreiben- und Rechnenlernen)

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BAD NENNDORF/STUTTGART. Pro Jahr ertrinken im Durchschnitt rund 20 Kinder unter zehn Jahren – darauf weisen die Statistiken der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) hin. Mehr als jedes zweite Kind kann laut einer Befragung der Organisation nach Verlassen der Grundschule nicht sicher schwimmen. „Diese Entwicklung bereitet uns große Sorge“, sagt DLRG-Präsidentin Ute Vogt. Viele würden unsicher im Wasser bleiben und somit ihr Leben lang gefährdeter sein. Der DLRG sieht daher dringenden Handlungsbedarf und hat auch schon eine Idee, wer sich diesem annehmen sollte: die Grundschulen. „Wir müssen sicherstellen“, so Vogt, „dass das Schwimmen lernen genauso zur Grundausbildung gehört, wie das Lesen, Schreiben und Rechnen.“

Die Zahl der Nichtschwimmer unter den Sechs- bis Zehnjährigen hat sich laut DLRG zwischen 2017 und 2022 bundesweit auf 20 Prozent verdoppelt. Foto: pxhere

Der Lehrkräftemangel führt deutschlandweit vielfach zu Unterrichtsausfall, teilweise in einem Ausmaß, dass auf Halbjahreszeugnissen sogar Noten fehlten (News4teachers berichtete). Gleichzeitig steigt die Arbeitsbelastung der vorhandenen Lehrerinnen und Lehrer zunehmend, genauso wie die Ansprüche aus der Gesellschaft an die Bildungsinstitution Schule. Aktuell hat die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ihre Forderung erneuert, dass Kinder in der Schule das Schwimmen erlernen sollten. Denn „in den Schulen würde man alle Kinder erreichen, deswegen wäre es wichtig, dass da der Schwimmunterricht stattfindet“, sagt eine Sprecherin des DLRG-Landesverbands Baden-Württemberg.

Mehr Nichtschwimmer in armen Haushalten

Den Schwimmunterricht an Schulen hält die DLRG auch deswegen für wichtig, weil sich die Schwimmfähigkeit je nach Einkommen der Eltern stark unterscheidet. Darauf hatte eine Forsa-Umfrage im Auftrag der DLRG 2022 hingewiesen. Besonders groß war demnach die Zahl der Nichtschwimmer in armen Haushalten. Während in Haushalten mit einem Nettoeinkommen von 4.000 Euro und mehr nur rund zwölf Prozent der Kinder nicht schwimmen konnten, lag ihr Anteil in Haushalten mit einem Einkommen unter 2.500 Euro bei knapp 50 Prozent. Insgesamt hat sich die Zahl der Nichtschwimmer unter den Sechs- bis Zehnjährige laut DLRG zwischen 2017 und 2022 bundesweit auf 20 Prozent verdoppelt.

Als Grund nennt der Verband Spätfolgen der Corona-Pandemie, während der über längere Zeiträume praktisch keine Schwimmausbildung stattgefunden habe. Zwar zeigen aktuelle Zahlen, dass zuletzt wieder mehr Schwimmabzeichen ausgegeben wurden, „aber auch Bäderschließungen machen die Schwimmausbildung sowohl für Schulen als auch für die DLRG oder andere schwimmsportbetreibende Organisationen schwieriger“, mahnt die baden-württembergische DLRG-Sprecherin. Wie das Beispiel Baden-Württemberg zeigt, spricht sie damit bereits ein Umsetzungsproblem an, mit dem Schulen in der Praxis zu kämpfen haben: den Mangel an Schwimmbädern, die für schulischen Schwimmunterricht zur Verfügung stehen.

Jede fünfte Schule ohne Schwimmunterricht

Neben dem fehlenden Zugang zu Wasserflächen fehlen an vielen Schulen im Ländle auch qualifizierte Lehrkräfte. Dies führt – teilweise sogar in Kombination – dazu, dass im laufenden Schuljahr jede fünfte Schule in Baden-Württemberg gar keinen Schwimmunterricht anbieten kann, wie aus einer Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion hervorgeht. Nach Angaben des Ministeriums habe sich die Lage jedoch im Vergleich zum Schuljahr 2018/2019 verbessert. Damals hatte noch knapp jede vierte Schule keinen Schwimmunterricht angeboten. Zuerst hatte darüber die „Bild“-Zeitung berichtet.

Dem baden-württembergischen Kultusministerium zufolge sollen die betroffenen Schulen von der Schulaufsicht unterstützt und beraten werden. „Dadurch sollen möglichst vielen Grundschulen, in denen bislang kein Schwimmunterricht stattfindet, Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man auch in herausfordernden Situationen Schwimmunterricht anbieten kann“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. So gebe es etwa Fortbildungen, die Schulen ohne qualifizierte Lehrkräfte helfen könnten, doch Schwimmunterricht anzubieten. Für Schulen ohne Zugang zu Wasserflächen seien etwa Schwimmschullandheime oder Blockunterricht denkbar. Der Landesverband der DLRG fordert dagegen einen runden Tisch mit Bund, Ländern und Kommunen, „um die Mängel in der Bäderinfrastruktur systematisch beheben zu können“. News4teachers / mit Material der dpa

Alle Grundschulen sollen Schwimmunterricht anbieten (notfalls auch in Hotel-Pools)

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Förderlehrerin
13 Tage zuvor

Vielleicht soll die Zeugung der zukünftigen Schülerinnen und Schüler auch noch in die Obhut der Schule gelegt werden.
Frühstück, Mittagessen, Ferienbetreuung, Alltagskompetenzen wie Schuhe zu machen, ordentlich mit Messer und Gabel umgehen; Alles soll die Schule machen.

WAS MACHEN DIE ERZEUGER ( man nennt sie Eltern) DENN?

Rainer Zufall
13 Tage zuvor
Antwortet  Förderlehrerin

Ja, ich schätze, dann dürfen deren Kinder nicht schwimmen bzw. müssen ertrinken…
Sonst noch Vorschläge, die Kinder für deren Eltern büßen zu lassen?

Hans Hoffmann
13 Tage zuvor
Antwortet  Förderlehrerin

Kontrollieren, dass die Lehrer das auch so machen, wie die Erzeuger sich das vorstellen, natürlich. Was denn sonst?

Mama hoch 3
12 Tage zuvor
Antwortet  Förderlehrerin

Schade, dass hier si schlecht über uns Eltern gesprochen wird. Schon mal versucht einen Platz im Schwimmkurs zu bekommen? Die Wartelisten sind so lang, dass die Wartezeit zum Teil mehrere Jahre dauert. Selber mit dem Kind schwimmen gehen, geht bei manchen tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht, zum anderen muss es erstmal ein Schwimmbad geben, dass gut erreicht werden kann und dann auch mal für die Allgemeinheit geöffnet ist.
Fakt ist, dass zu viele Kinder aus unterschiedlichen Gründen nicht schwimmen können und dass dafür Lösungen gefunden werden müssen.
Ich sehe es auch so, dass die Lehrkräfte nicht für alles verantwortlich sind. Als Eltern will man ja auch Zeit mit seinen Kindern verbringen und ihnen etwas beibringen und auch Verantwortung tragen. Aber gerade beim Schwimmen stimmen ganz oft die Voraussetzungen, so dass man auch als engagierte Eltern wenig Chancen hat, es sei denn man hat genug Geld und einen Pool im eigenen Garten

Käslaugen
12 Tage zuvor
Antwortet  Mama hoch 3

Wir sollten nicht immer die Ausnahme zur Regel machen. Sicher gibt es Eltern, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mit ihren Kindern schwimmen gehen können. Das wird aber nicht der Großteil sein. Auch dass Schwimmbäder nicht in jedem Ort vor der Haustüre sind, ist normal. Daher haben ja viele Schulen keinen Schwimmunterricht.
Heute muss alles immer von Staat und Gesellschaft erledigt werden, am besten noch mit einem Rechtsanspruch. Eigenverantwortung Fehlanzeige. Auf das Recht der Eltern auf die Erziehung der Kinder wird gepocht, die Pflicht wird aber auf den Staat abgewälzt. Schwimmkurse sind gut und richtig aber einen Anspruch darauf kann es nicht geben.

Und wenn das Kind nicht schwimmen kann, darf es eben nicht ins Wasser. Wie man darauf kommen kann ein Nichtschwimmerkind ins Wasser zu lassen und dann auf den Staat zu schimpfen wenn es ertrinkt, geht mir nicht in den Kopf.

Markus
12 Tage zuvor
Antwortet  Käslaugen

Wenn man Schwimmen nur für diejenigen anbietet, die schon schwimmen können, dann kann man es auch lassen. Die Schwimmer schwimmen ja schon. Ein Schuh würde draus werden, wenn man nur für die Nichtschwimmer Schwimmunterricht anbietet. Das wurde an der GS meines Sohnes versucht. Da gab es in der Klasse nur 3 Kinder, die nicht schwimmen konnten. Alle Schwimmerkindereltern haben vorgeschlagen, die Schwimmerkinder zuhause zu lassen.
Ende vom Lied: alle haben am Schwimmunterricht teilgenommen, wegen der Schulpflicht und die drei Nichtschwimmer konnten auch nach zwei Jahren Schwimmunterricht noch nicht schwimmen.
Vielleicht sollte man es auch nicht mehr Schwimmunterricht nennen, sondern Badestunde.

Rainer Zufall
13 Tage zuvor

Wahnsinnig wichtig! Persönlich sehe ich hier nicht nur ausschließlich das Vermeiden vom Ertrinken, sondern auch die Teilhabe an der Gesellschaft!
Nennen Sie mich romantisch, aber die Freibäder sind eine der letzten Inseln von Gleichheit und Gemeinschaft. Für verhältnismäßig sehr wenig Geld mit Bekannten und anderen die Freizeit draußen und nicht im selbstgewählten Exil mit der Faustglotze in der Hand verbringen.

Wir müssen Kindern und Jugendlichen diese kleine Welt sicherstellen!

Lanayah
12 Tage zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Das mit dem verhältnismäßig wenig Geld trifft leider nicht mehr zu. Als ich ein Kind war gab es in meiner Stadt 7 Schwimmbäder. Eintritt in das günstigste war 50 Pfennig für Kinder. Im Sommer gab es mit dem Ferienpass unbegrenzt Eintritt in die Bäder. Jede*r lernte schwimmen. Alle konnten sich im Sommer den Eintritt leisten. Heute gibt es noch 3 Schwimmbäder, 2 davon zu teuren Spaßbädern umgebaut, das dritte nur im Sommer geöffnet. Es gibt kaum mehr die Möglichkeit für wenig Geld mit der Familie schwimmen zu gehen.

Karl Heinz
13 Tage zuvor

AFAIK ist Schwimmunterricht teil der Lehrpläne in allen Bundesländern.

Jetzt wäre mal ernsthaft die Frage, ob man den dann auch gerichtlich Einklagen kann – also die Länder somit zwingen kann, z.B. Schwimmhallen zu erhalten, damit der offiziell vorgeschriebene Unterricht auch tatsächlich stattfinden kann…

Spirale
13 Tage zuvor

Ich finde es ja klasse, dass der DLRG auch gleich genug Freiwillige abstellen will, die dann vormittags das Kostenlose Schwimmtraining anbieten werden.

Achso, die gibt es nicht? Na denn.

Grundsätzlich ist es richtig und wichtig, daß Problem anzusprechen. Nur wird sich das nicht über die Schulen lösen lassen, da hilft auch kein runder Tisch.

Die Lösung für das Problem der Nichtschwimmer kann es in den aktuellen privatwurtschaftlichen Strukturen nur geben, wenn der Staat über Gutscheine für JEDES Kind den Grundschwimmer finanziert. Unabhängig welchen sozioökonomischen Hintergrund das Kind hat. Sollten die Schulen Schwimmen unterrichten, so wird der Gutschein eben nicht verteilt bzw. die Schule bekommt diesen.

Das lässt sich wunderbar über die Einladungen zu den U-Unteesuchungen regeln oder spätestens über die Kinderärzte. Da fällt kein in Deutschland geborenes und lebendes Kind hinten runter. Und auch für zugezogen werden sich Lösungen finden lassen.

Wichtig ist mir nur: Haltet Schulen, die es nicht können aus der Nummer raus.

potschemutschka
12 Tage zuvor

Zu meiner Zeit (70er Jahre DDR) wurden Ferienschwimmkurse für kleines Geld im Freibad angeboten und über die Schule oder privat konnte man sich dafür anmelden. Schwimmunterricht in der Schule hatten wir nicht, dafür viele freie Nachmittage und Sommerferien am See oder im Freibad.
Für die Sportnote in der 10. Klasse musste man allerdings eine Schwimmprüfung ablegen, um mindestens „befriedigend“ zu erhalten. Ich kenne niemanden, der damals nicht schwimmen gelernt hat.

Lisa
11 Tage zuvor
Antwortet  potschemutschka

Die gibt es bei uns auch, nur ist es eben schwierig, einen Platz zu bekommen. Überall gibt es viele Kinder, und überall fehlt Personal. Und dann gibt es natürlich Eltern, die es nicht für wichtig halten, weil Schwimmen können sozusagen keine Tradition bei ihnen hat. Wo sollten die Kinder auch ertrinken? Es gibt keine Schwimmbäder oder Baggerseen.
Deshalb wäre es über die Schulen am besten zu organisieren, um alle Kinder zu erreichen.
Meine Töchter haben in ihren Schulen dank der engagierten DLRG Eltern, die die Sportlehrerin in die Schwimmhalle begleitet haben, Schwimmen gelernt. Alle Kinder. Für Schüler mit Ängsten und absoluten Anfänger teilweise sogar im Einzelunterricht.

Ach, so ist das hier
10 Tage zuvor

Ich war in den 80ern alleinerziehende Mutter und habe meinem Kind das Schwimmen und Fahrradfahren selber beigebracht. Es geht also auch ohne ständig zu jammern, dafür sei die Schule bzw. der Staat zuständig.