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Bildungskrisen-Kommentar: Wie wäre es, liebe Politiker, Ihr lasst Experten ran?

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DÜSSELDORF. Deutschland steckt tief in der Bildungskrise. Schritte hinaus? Sind nicht wirklich zu erkennen. Stattdessen zanken Bund und Länder über Finanzielles (wie den Digitalpakt 2.0) und in den Ländern die Parteien über Nebensächliches (wie Genderverbote in Schulen) oder über Kurzfristiges (wie die Mangelverwaltung im System). Jutta Löchner, ehemalige Vorsitzende der Landeselternschaft Gymnasien in NRW – des mitgliederstärksten Elternverbands in Deutschland –, appelliert im folgenden Gastkommentar an die Politik, doch einfach mal Expertinnen und Experten ranzulassen.

Wie wäre es mal mit einer Tafelrunde? Illustration: Shutterstock

Nichts ändert sich: Bildung in Nordrhein-Westfalen (und nicht nur dort)

Kein Tag ohne einen Zeitungsartikel über die schwierige Situation in den Schulen, über viel zu viele Kinder, die nicht richtig Lesen, Schreiben und Rechnen lernen und zudem emotionale Auffälligkeiten zeigen. Mit einer auf dem Kopf stehenden Bevölkerungspyramide schauen wir zu, wie die wenigen Leistungsträger der Zukunft ihre Kräfte nicht entfalten. Das Ministerium wird mit guten Vorschlägen überschüttet. Man bemüht sich, aber es ist wie das Anhängen von Weihnachtsbaumkugeln an einen verdorrenden Baum. So stellt sich bei der unbestrittenen Erkenntnisfülle die Frage nach dem „Warum“ des betriebsamen Stillstandes?

Hier der Versuch einer Antwort: Die wirklichen und tatsächlich großen Ursachen dieses Verfalls werden nicht wirklich oder nur zaudernd in Angriff genommen: Der ungesunde Medienkonsum, die misslungene Inklusion und Integration, die Vernachlässigung der Kinder durch berufstätige und/oder selbstzentrierte Eltern, die nicht durch hervorragende staatliche Institutionen aufgefangen wird, die Ignoranz vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Verabschiedung vom Leistungsanspruch mit der Botschaft: Jeder kann alles ohne große Anstrengung. Das sind Megathemen, die eine ganze Gesellschaft aufrütteln müssten.

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Stattdessen wird vertuscht und gespart, und die Schulen werden sich selbst überlassen. Wenn wir das weiter zulassen, gleitet dieses Land immer mehr in eine Hoffnungslosigkeit („hat ja eh keinen Zweck“) oder in einen irrationalen (aber begründeten) Wutausbruch (siehe Wahlverhalten etc.). Einige Themen betreffen elementare Haltungsfragen, die zumindest in Teilen kurzfristig lösbar wären, wie die Wiederbelebung von Leistungsanspruch und Disziplin, die Elternaufmerksamkeit und die Einschränkung des Medienkonsums.

“Eine Regierung in einer Legislaturperiode ist weder mutig genug noch in der Lage, ein wieder austariertes System zu errichten, das den heutigen Herausforderungen gewachsen ist”

Wo eine Neujustierung von komplexen Systemen notwendig wird (sinnvoll organisierter Ganztag, Leistungsgruppen, Inklusion, Integration), sind die staatlichen Institutionen gefordert. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Jahre des Überflusses vorbei sind, in denen beliebige neu entstandene Probleme mit öffentlichen Mitteln aufgefangen werden konnten. Problementwicklungen müssen schon vermieden werden und Strukturen vereinfacht, damit wir mit der geringer werdenden Personal- und Finanzausstattung trotzdem möglichst gute Ergebnisse erzielen können.

So wunderbar unsere Demokratie ist, so ist das Ausbrüten und Gebären großer notwendiger Veränderungen nicht ihre Stärke. Legislaturperioden und Parteiinteressen (Macht und Ideologie) verhindern gute, d. h. erkenntnisbasierte, langfristige Lösungen. Unsere ehemals funktionierenden Strukturen sind mit jeder ideologischen Welle ein bisschen mehr in Schieflage geraten und verkleistert in ihrer Komplexität. Man kann auch Maschinen nur begrenzt reparieren und ergänzen, irgendwann kommt die Zeit für neue.

Eine Regierung in einer Legislaturperiode ist weder mutig genug noch in der Lage, ein wieder austariertes System zu errichten, das den heutigen Herausforderungen gewachsen ist. Zum Erhalt unserer geschätzten demokratischen Strukturen scheint in Zeiten notwendiger Umbrüche eine parteiübergreifende Enquête-Kommission kompetenter Leute mit einem bindenden Auftrag und sachverständiger Unterstützung mit einer langfristigen Perspektive ein Instrument für einen Befreiungsschlag. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben damals auch einen Vertrauensvorschuss erhalten, ein System zum Wohle aller zu schaffen. Warum sollte es bei einzelnen Problemstellungen unserer staatlichen Aufgaben nicht wieder möglich sein?

Nach Errichtung der neuen Fundamente geht der Parteienwettbewerb weiter. Müssen wir uns dazu durch ein Volksbegehren quälen oder ist die Einsicht bei den Parteiverantwortlichen groß genug, um die Macht vorübergehend zum Wohle der Allgemeinheit zu teilen? Welch inspirierender Einsatz für das Gemeinwohl zeigte sich hier! Dieser Aufruf setzt die Akzeptanz des Bildungsföderalismus voraus, für den einige gute Gründe sprechen.

Völlig abstrus ist es allerdings, dass viele nicht unter diese Gründe fallenden Themen trotzdem in jedem noch so kleinen Land eigenständig erarbeitet werden: Eine ungeheure Verschwendung von Ressourcen. Wir können bei ganz vielen Themen mit einheitlichen Lösungen immenses Geld sparen, das unseren Kindern unmittelbar zugutekäme. Also am besten auch dafür einen Neustart. Kommen wir endlich in den Modus von Tat und berechtigtem Optimismus. News4teachers

Wie kommen wir aus der Bildungskrise heraus? Bündnis regt Dialogformat zwischen Politik und Zivilgesellschaft an

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